72 Minuten schlechte Laune.
Es wird gemeckert und von guten alten Zeiten geschwärmt in dieser Dokumentation, was das Zeug hält. Früher ging es um die Musik an sich, nicht um die Klicks auf dem sozialen Netzwerk als soziale Währung, die ein Play erzielt und nicht um sich ums Deck drängelnde Mädels in kurzen Röcken „doing their thing“. Früher gab es Vinyl. Das wurde gekauft. Es gab weder digitales Auflegen noch die Unsitte, Musik umsonst aus dem Netz zu fischen. Quantität überwiegt Qualität heute bei Weitem, es gibt immer mehr Produzenten, immer mehr Labels, immer mehr Noise, immer mehr Filtern ist nötig und man kann froh sein, wenn eine Produktion überhaupt noch gemastert wird. In a nutshell: Es war besser damals.
Nein, gute Laune verbreitet sie wahrlich nicht, die kürzlich angekündigte und nun per Stream verfügbare Dokumentation Beatz - Divergences & Contradictions of Electronic Music von Eduardo De La Calle. Ob auf dem verschneiten Tempelhofer Feld Berlins oder in den Schluchten Tokios, auf den Straßen New Yorks oder an den Grachten von Amsterdam - der Ton der vielen illustren Protagonisten, die der Regisseur vor seine Kamera geholt hat, klingt überall recht ähnlich miesepetrig. Auf Dauer - der Film hat mit 72 Minuten nahezu Langfilmformat - ist es eine recht anstrengende Erzählkost, die uns da im Hidden-Interview-Format aufgetischt wird.
Keine Frage: Es ist viel Wahres dran. Die Eventisierung elektronischer Musik ist nicht erst ein Thema, seit ein Gespenst namens EDM umher geht und drauf und dran ist, den Stadionrock abzulösen. Die breitgetretene Aussage des Films in Kürze: Bitte hier entlang zurück zu den Wurzeln. Wir brauchen wieder mehr Handwerklichkeit, crafted music, crafted DJing: Lieber Nachwuchs, lerne Keyboard spielen, mit Vinyl aufzulegen und bitte produziere sorgfältiger. Vielleicht hat die Musik an und für sich dann doch eine Chance gegen jene kapitalistische Verwertungsmaschine, die längst begonnen hat, über sie drüberzurollen. Das lassen wir mal so stehen.