Idiotische Kommunisten | Idiotische KapitalistenFilmkritik: „The Interview“

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Alle Fotos: Sony Pictures.

The Interview ist der meistdiskutierte Film der letzten Monate. Mindestens. Jetzt läuft er auch in den deutschen Kinos an. War der Wirbel vorab gerechtfertigt?

Jetzt hat die Kontroverse rund um Seth Rogens und James Francos Nordkorea-Satire The Interview sogar die Berlinale erreicht. Das nordkoreanische Außenministerium forderte vor einigen Tagen die Festivalleitung tatsächlich dazu auf, die Aufführung von The Interview bei den Berliner Filmfestspielen zu unterbinden. Auf diesen Appell hätte man aus zwei triftigen Gründen nicht reagieren sollen, denn um es deutlich zu sagen, geht es Nordkorea erstens einen Scheißdreck an, welche Filme auf irgendeinem Festival der Welt gezeigt werden und zweitens gab es gar keine Pläne, The Interview im Rahmen der Berlinale aufzuführen. Der offizielle Kinostart des Films fällt nur zufällig auf den Tag des Festivalbeginns. Dessen Direktor Dieter Kosslick sah das anders und verkündete stolz, in einem persönlichen Gespräch mit dem nordkoreanischen Botschafter alle Missverständnisse aus dem Weg geräumt zu haben. Nach den Hacker-Angriffen auf den Sony-Konzern und der darauf folgenden Intervention des amerikanischen Präsidenten wurde The Interview nun also schon zum zweiten Mal zum Politikum. Aber rechtfertigt der Film den ganzen Wirbel?

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Der Plot: TV-Produzent Aaron Rapoport (Seth Rogen) steckt in einer Sinnkrise. Die von ihm hergestellte Fernsehsendung „Skylark Tonight“, moderiert von seinem grenzdebilen Freund Dave Skylark (James Franco), erfreut sich zwar großer Beliebtheit beim Publikum, inhaltlich bewegt man sich jedoch auf arg boulevardesken Terrain. Während ein ehemaliger Schulkamerad Aarons für das renommierte Nachrichtenmagazin „60 Minutes" von den politischen Brennpunkten der Welt berichtet, geht es in „Skylark Tonight“ ausschließlich um Themen wie das Coming-out Eminems, die jahrelang verheimlichte Glatzköpfigkeit Rob Lowes und den McConaughey-Goat-Fuck (ja, genau). Da kommt es Aaron gerade recht, dass der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un neben The Big Bang Theory auch großer Fan von Dave Skylark ist und aus diesem Grund in ein einstündiges Exklusiv-Interview einwilligt. Vor der Abreise nach Pjöngjang steht jedoch der CIA vor der Tür der beiden Fernsehschaffenden und fordert diese unmissverständlich dazu auf, ihrer patriotischen Pflicht nachzukommen, die da wäre: „to take out Kim Jong-un“ und zwar nicht auf eine Portion Kimchi.

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Bei The Interview handelt es sich natürlich nicht um einen politischen Film im herkömmlichen Sinne. Vielmehr kann sich das Publikum auf den aus anderen Rogen/Franco-Projekten wie The End und Pineapple Express bereits bekannten, irgendwo zwischen Cheech und Chong und Darmspiegelung angesiedelten Humor freuen. Besonders James Franco brilliert in der Rolle des schnöseligen Fernsehmoderators, der lange Zeit glaubt, in dem Katy-Perry-hörenden Supreme Leader so etwas wie einen verlorenen Bruder gefunden zu haben. Natürlich muss dann am Ende der große Diktator das Zeitliche segnen und die Protagonisten aus dem „Land of the Free“ reiten in den Sonnenuntergang. Jedoch nicht, bevor Franco und Rogen ihrem Publikum nicht mehr als neunzig Minuten lang vorgeführt haben: Ein idiotischer Kapitalist ist im Prinzip genau so schlimm wie ein idiotischer Kommunist. The Interview ist somit in Zeiten, die immer stärker an die Ära des Kalten Krieges erinnern, politisch deutlich vielschichtiger und klüger, als es die Machthaber in Pjöngjang anscheinend wahrgenommen haben.

The Interview
USA 2014
Regie: Seth Rogen, Evan Goldberg
Drehbuch: Dan Sterling
Darsteller: James Franco, Seth Rogen, Lizzy Caplan, Randall Park
Kamera: Brandon Trost
Musik: Henry Jackman
Länge: 108 min
ab dem 5.2.2015 im Kino

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