Leseliste 27. Oktober 2019 – andere Medien, andere ThemenBoxhagener Platz, Relotius vs. Moreno, „Traumjob“ Blogger, deutscher Modekonsum

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Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.

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Scan einer Postkarte vom Boxhagener Platz um 1909, Quelle: Wikipedia

Die Häuser am „Boxi“

Wer am „Boxi“ direkt oder zumindest im umliegenden Kiez wohnt, liebt diese Ecke Berlins. Wer dort nicht wohnt, kann das oft nur schwer nachvollziehen. Wie an so vielen Orten Berlins hat sich auch die Einwohnerstruktur um den Boxhagener Platz in den letzten zehn bis zwanzig Jahren massiv gewandelt. Günstige Mieten fallen der Sanierung zum Opfer, statt Mietverträgen werden immer öfter Kaufverträge für Eigentumswohnungen unterzeichnet. Wer da an wen vermietet und verkauft und in welcher Form, kann man in einer interaktiven Geschichte beim Tagesspiegel nachlesen. Es geht aber nicht nur um den Stadt heute, sondern auch die Geschichte dieses Ortes, an dem früher große Hyazinthenfelder blühten. Sehr lesenswert, auch für Nicht-Boxi-Ansässige.

Ein Beispiel, wie das Aufteilen konkret abläuft, liefert der dänische Investor Taekker. Er kaufte 2007 ein Gebäude am Platz, 2012 teilte er es in Eigentumswohnungen auf. Die genaue Analyse zeigt: Nur noch wenige der Wohnungen gehören heute noch dem Unternehmen selbst. Der Großteil ist bereits an Einzelpersonen verkauft.

Wem gehört(e) der Boxi?

Relotius vs. Moreno

Die Causa Claas Relotius hat Spuren im Journalismus hinterlassen – als größter deutscher Medienskandal des bisherigen 21. Jahrhunderts. Hinter den Schwindel kam sein Kollege Juan Moreno nach einem gemeinsamen Rechercheauftrag an der US-Grenze zu Mexiko, bei dem ihm Ungereimtheiten auffielen. Jetzt hat er ein Buch darüber geschrieben. In dem er nicht nur über Relotius vor, sondern auch nach dessen Auffliegen spricht. Unter anderem darüber, dass dieser gegenüber einem Kollegen behauptet haben soll, er lasse sich in Süddeutschland behandeln – am Tag darauf soll er jedoch in Hamburg gesehen worden sein (siehe auch im Video). Eine Pointe, die sagen würde: Er lügt noch immer. Nun aber hat sich Relotius über seinen Anwalt bei Moreno gemeldet: Er sei gar nicht in Hamburg gewesen. Wenn dem so wäre, dann würde das bedeuten: Ja was denn eigentlich? Ein Fall für Übermedien.

Deshalb ist es besonders ärgerlich, dass sich Moreno so angreifbar gemacht hat. Und trotzdem ist es wichtig, den Maßstab nicht aus den Augen zu verlieren. Moreno ist kein Relotius, in keiner Hinsicht.

Juan Moreno und der Fluch der fast perfekten Pointe

LL Supermarkt

Traumjob Blogger?

Als „Gluten Free Girl“ hat Shauna M. Ahern eine durchaus veritable Karriere als Food-Bloggerin hingelegt. Sie veröffentlichte prämierte Kochbücher und führte das vermeintliche Traumleben, das man so als selbstständige Bloggerin führen kann, wenn man sich ausschließlich der eigenen Passion widmet. Shauna M. Ahern machte finanziell aber auch schwierige Zeiten durch und fand sich in der Not irgendwann in einem Lebensmittelladen wieder, Kartons zusammenstecken. Ein Perspektivwechsel mit Folgen. Im Guardian veröffentlichte Ahern einen Auszug aus ihrem Buch „Enough: Notes From a Woman Who Has Finally Found It“.

Online, no one knows you are poor. No one is posting photos of the basket of bills overflowing, some of the envelopes with urgent stamped on them. Very few people write about the choices they make out of fear of going bankrupt, like selling expensive camera lenses that feel less important than rent. And few of us want to admit that we are struggling with money, even though we live in a culture where the rich have grown astronomically rich and the rest of us have grown anxious about health insurance.

Online, no one knows you're poor

Konsum

In ihrer Kolumne bei Zeit online explodiert Mely Kiyak über das scheuklappige Shopping-Verhalten der Deutschen, wenn es um Mode geht. Recht hat sie. Mit 35 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr ist Deutschland absoluter Spitzenreiter in Europa. Egal ob Jeans, Hemd oder doch nur schnell ein T-Shirt für drei Euro: Es wird mitgenommen, was geht. Ohne Rücksicht auf den eigenen überfüllten Kleiderschrank, tatsächliche Bedürfnisse und natürlich auch ohne darüber nachzudenken, unter welchen Bedingungen die Textilien hergestellt werden – für Mensch und Natur. Daran ändert auch nichts, wenn in Bangladesch oder Pakistan Fabriken einstürzen und dabei viele hundert Näherinnen sterben.

Das Gewinnmaximierungsgeheimnis der Textilindustrie besteht aus Menschenausbeutung und nicht nachvollziehbaren Lieferketten. Ein Hemd wandert durch 140 verschiedene Produktionsstätten. Hier wird der Reißverschluss hergestellt, dort der Knopf angenäht. Das Etikett "Made in Croatia" beispielsweise bedeutet nur, dass das Hemd im letzten Produktionsschritt in Kroatien war, bevor es im Laden in Deutschland landete. Die Undurchschaubarkeit der Lieferketten ist das System, aus dem die deutschen Unternehmen ihre Gewinne erzielen.

Armut made in Germany

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