Take It Or Loop ItLoops hören mit The Field
21.4.2016 • Sounds – Gespräch: Jan-Peter Wulf, Thaddeus Herrmann, Foto: RedaktionFrech von uns: Wir haben Axel Willner gebeten, zum Gesprächstermin eine Hausaufgabe vorzubereiten. Er soll uns seine Lieblingsloops mitbringen. Es interessiert uns aber eben sehr, denn Willner aka The Field kennt sich mit Loops nicht nur aus, sie sind die Basis seiner eigenen Musik. Sein fünftes Album – „The Follower“ – beweist das ein weiteres Mal. Auch wenn es vollkommen anders klingt, als man es erwartet hatte.
Die Musik von The Field ist Loopmusik in Bestform. Da macht auch „The Follower“ keine Ausnahme: repetitiv, deep, von Track eins an Stelle 0:01 einen Field-typischen Sog erzeugend, dem man sich über sechs Stücke mit je rund zehn Minuten loopaffineer Länge nur schwer entziehen kann. Zugleich ist das Album dunkler, weniger melodiös, bisweilen gar ein bisschen grimmiger als die früheren Werke ausgefallen. Auch etwas langsamer als insbesondere die sich sputenden Alben „From Here We Go Sublime“ oder „Yesterday And Today“, mitunter fast gemütlich housy, verböte sich diese Zuschreibung bei einem Techno-Act nicht, zumal erstmalig ein wenig Acid-Gequake bei The Field zu vernehmen ist. „Man muss eben im Trend bleiben“, sagt Axel Willner lachend dazu, und das langsamere Tempo sei altersbedingt. Jaja. Zwischendurch gab es auch mal eine Band rund um den Schweden, der einen Teil seiner Kindheit in Portugal verbracht hat. Das wurde aber zu stressig, weil die Mitglieder an unterschiedlichen Orten lebten: „Ein logistischer Alptraum. Geprobt haben wir vor den Konzerten auf der Bühne. Wir hatten echt Spaß, aber irgendwann war klar, dass ich zurück zu den Basics muss – ich und meine Maschinen“, so Willner. Die stehen bei ihm zu Hause, wo ein Großteil des neuen Albums aufgenommen wurde, und sein zu Hause in Berlin-Neukölln ist vom Redaktionsbüro nicht weit entfernt, in das er seine „Hausaufgabe“ mitgebracht hat: eine Liste seiner Lieblings-Loops. Über die sprechen wir jetzt. Eine Erörterung.
Stephan Mathieu - Orange (for Eva-Lucy)
Für mich ist das ein nahezu perfekter Loop, er ist nur vier Minuten lang, der könnte aber eine halbe Stunde so laufen. Die Quelle kenne ich nicht, keine Ahnung, ob es gesampelt ist oder selbstgemacht. Es klingt orchestral. Es wirkt nicht falsch, aber auch nicht „logisch“ geloopt, es klingt geskippt. Mit dem Skippen von CDs habe ich früher auch experimentiert, und meine Mutter findet, das meine Musik sowieso geskippt klingt (lacht).
Oval – Catchy DAAD
Das hier ist geskippt. So kann man auch Musik kreieren: zu Hause sitzen, in CDs kratzen, abspielen, editieren, samplen, was draus machen. Immer noch fantastisch.
Holger Czukay / Rolf Dammers – Boat Woman Song
Ein schönes Beispiel, wie man mit einem Sample etwas komplett Neues machen kann; es wird großartig, wenn der vietnamesische Gesang einsetzt. Es geht nicht so sehr um den Loop, sondern das, was dazu kommt.
Was ist deine Definition eines Loops?
Ich mag, was Brian Eno gesagt hat: Wenn dein Gehirn anfängt, sich zu langweilen und dann Platz hat, sich über andere Sachen Gedanken zu machen. Ein guter Trick, als Hörer kannst du so deine eigene Erfahrung einbringen. Andere Musik funktioniert nicht so: Hier sind die Lyrics, hier kommt der Drop. Take it or leave it. Loops sind anders. Sie sind nur die Basis, der Rest kommt von dir.
Man hat auch den Eindruck, dass du den Begriff Loop eher weit fasst.
Ja, auch ein sehr statischer Track ist ein Loop für mich. Es ist nicht nur etwas, das konstant wiederholt wird, oder eine nur wellenförmige Betrachtung des Aspekts. Ein Loop kann alle Farben und Formen haben. Er sollte im besten Fall ein Startpunkt für etwas Neues, Anderes sein. Das ist er nicht immer, aber wenn, dann wird es richtig interessant.
Manchmal bringen Loops einen auch auf die falsche Fährte, man denkt die Struktur durchdrungen zu haben und dann kommt der Beat an eine unerwarteten Stelle.
Ja, und das mag ich sehr. Diese Nichtvorhersehbarkeit, mal völlig falsch zu liegen. Es ist ja langweilig, wenn man immer vorher weiß: Jetzt kommt der Wechsel, jetzt der nächste Drop, und man immer genau weiß, wie lang das jetzt so geht. Beim Mixen des aktuellen Albums hatten Sam Barker, mit dem ich die Platte gemischt habe, und ich ganz unterschiedliche Sichtweisen, wo die Eins ist. Das war lustig. Wenn kein Beat da ist, kann man wirklich darüber streiten, wo die Eins ist, und hört den Loop ganz individuell. Am Ende bin ich natürlich der Künstler und sage: Das ist die Eins (lacht).
Roberto Donnini – Tunedless
Aus Italien. Liebe ich. So etwas kann mich nicht langweilen, auch wenn es noch so monoton ist. Ein schmaler Grat zwischen New Age und guter Musik. Vielleicht werde ich irgendwann Schamane (lacht). Ich habe versucht herauszukriegen, ob es davon ein Re-Issue geben wird, habe keine Antwort erhalten, leider.
Conrad Schnitzler - Bis die Blaue Blume Blüht
Oh, ist das doch Kinski, oder? (zeigt auf der YouTube-Nutzerbild, d. Red.) Was soll sich sagen, es läuft und läuft. Mellow, und sehr statisch. Schnitzler war immer im Hintergrund der Krautrock-Szene, out of the spotlight. Dabei war er sogar ganz am Anfang bei Tangerine Dream dabei. Er hat den Zodiac Club hier in Berlin gegründet, wo alle abhingen, die was mit dieser Musik zu tun hatten. Der Strippenzieher der Szene, wenn man so will.
Terry Riley – Poppy Nogood And The Phantom Band
Gemacht aus Tape Loops, damit hat alles angefangen. Das habe ich ausgesucht, weil Terry Riley so eine wichtige Figur für die ganze Szene ist. Einer der großen Loop-Pioniere.
Steve Reich - Electric Counterpoint
Typisch Steve Reich. Die Gitarre, las ich mal, hat er achtmal overdubbed. Live spielt er das parallel mit einem Tape-Deck – einen Layer live, der Rest vom Band. Reich habe ich erst sehr spät entdeckt. Als Teenager habe ich sowas überhaupt nicht gehört.
Als Teenager hast du in Punkbands gespielt. Was war denn deine Inspiration für elektronische Musik?
The Orb, „Little Fluffy Clouds“. Das hat mich gepackt, obwohl ich musikalisch auf der anderen Seite stand (lacht). Ich schätze, es liegt daran, dass es schlicht und einfach ein superguter Track ist. So wie „Hey Now“ von Outcast. Okay, das kann man eigentlich nicht vergleichen, aber: Das Stück funktioniert auch in völlig unterschiedlichen musikalischen Lagern.
Wo wäre der Loop heute, hätte es diese Pioniere, die wir gerade gehört haben, nicht gegeben?
Vermutlich der gleichen Stelle, wo wir jetzt sind. Es war so viel los damals in der Zeit, besonders in Deutschland, die ganzen Synthesizer-Bands, so viele auch kleinere, unbekanntere Gruppen. Hätte es Kraftwerk nicht gegeben, hätte jemand anders das gemacht. Das hing einfach in der Luft.
Reizt es dich, rauszukriegen, wie ein Loop oder ein Sample gemacht wurde?
Nein. So lange es gut ist, ist es gut. Ich bin Techniknerd bei meiner eigenen Musik und klar, es macht Spaß, ein Sample auszumachen, aber denke nicht drüber nach, was andere benutzt haben.
Susuma Yokota – Kodomotachi
Ein traumhaft schöner Loop. Der Künstler ist leider letztes Jahr verstorben. Das hier ist von seinem fantastischen Album „Sakura“. Sein Label Leaf Records hat das Werk Yokotas dankenswerter Weise in einer 20-Platten-Box neu aufgelegt, die Platten kann man aber auch einzeln kaufen.
Seefeel – Spangle
Oh yeah. Lass uns das einfach mal anhören.
Tim Hecker – I´m Transmitting Tonight
Dieser kleine Pianoloop, gestretcht, transponiert, wenn es dann hochgeht, das liebe ich. Mehr braucht es nicht. Tim hat mit so wenig so viel daraus gemacht. Ich weiß gar nicht, wie er das hinbekommen hat. Es ist eben Tim Hecker, goddamned.
Love Inc. - Life´s A Gas
Einer der besten Tracks der Welt. 15 Minuten, perfekte Länge. Der Loop [Sample aus Roxy Musics „True To Life“] entwickelt ein Eigenleben. Du kannst mit Loops Gefühle spielen lassen, das ist ein weiterer Trick: Es klingt irgendwie vertraut, aber man weiß nicht mehr genau woher. Oder man kennt das gar nicht. Dann erzeugt es eine kleine Epiphanie, wenn man das Original hört. Wolfgang Voigt ist für mich einer der wichtigsten Künstler, wegen ihm bin ich zu Kompakt gekommen.
„The Follower“ von The Field ist bei Kompakt erschienen.