Als wir klein waren, dachten wir: Wer über Musik schreibt, hört den ganzen Tag Musik. Stimmt leider nicht ganz. Vieles fällt unter den Tisch, Hypes werden verpennt oder die Bucketlist mit Platten, die man sich schon immer anhören wollte, wird immer länger. Das soll sich ändern. Unsere Redakteure stellen ihr Walkman-Futter für die arbeitsfreien Tage vor. Da darf gerne auch mal was Seltsames, Altes oder Peinliches dabei sein.
##Mogwai - The Rave Tapes
Benedikt: Wieder eine Platte, die in diesem Jahr bis jetzt mir vorbeigegangen ist. Das Artwork sieht so wunderbar Techno aus und dann noch dieser Name, „The Rave Tapes“. Pure Ironie, adressiert an die Mogwai-Fans alter Tage, mit ihrem unerlässlich anhaltendem Gemecker über die viele Elektronik - die vor mittlerweile mehr als zehn Jahren Einzug in Mogwais Sound hielt. Dabei kommt das klassische Instrumentarium aus Gitarre, Bass und Drums auf dem mittlerweile achten Studio-Album der schottischen Postrocker nicht im Geringsten zu kurz. Elektronische Elemente fehlen natürlich nicht, manchmal gurgelt der Syntheziser über die gesamte Tracklänge - fügt sich aber dennoch ein und dominiert keinesfalls. „The Rave Tapes“ ist (mal wieder) eine düstere und weite Reise, der man sich dennoch liebend gerne hingibt. Mangels Gesang und klassischer Songstrukturen (mit Ausnahmen) wirken viele Tracks ziellos, taumeln zwischen laut und leise, schnell und langsam, rough und wieder ganz sanft - typisch Mogwai. Nur die Melancholie, die liegt auf wunderschöne Art und Weise über dem gesamten Album. Eine tolle LP, von dem man sich perfekt dahintreiben lassen kann.
##Basic Channel - BCD
Thaddeus: Hier kommt ein Slammer-Klischee erster Kajüte aus der Techno-Welt: Basic Channel sind Gott. Und wenn man - wie so oft bei guten Alben - bei dieser CD hinten anfängt, dann stimmt das sogar. „Radiance III“ ist eine dieser Momentaufnahmen, bei denen die Welt noch heute stillsteht. Für mich war das der Einstieg in die Basic-Channel-Welt. Die 12“s, die Basis für die eher ambienteren Edits auf dieser CD, kannte ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht. Zwar zogen alle DJs und Plattenkäufer immer süffisant die Augenbrauen hoch, wenn das Stichwort Basic Channel fiel, wer sich dahinter verbarg und was diese Tracks bewirken würden, verstand ich nicht. Auch heute scheint mir diese CD von Mark Ernestus und Moritz von Oswald ein sinnvoller und repräsentativer Blick auf das frühe Œuvre der beiden Produzenten. Die reduzierten Edits geben für mich viel besser wieder, was ich mir immer als Essenz dieser zwei Gehirne vorstellte, als die doch recht rumpeligen Maxis.
Nachdem ich die CD also gekauft und auswendig gelernt hatte, arbeitete ich für das Radio an einem dreißigminütigen Feature. Thema: „Auf der Suche nach dem Heiligen Geist“. Im Produktionsstudio schlug ich eben jenen Track, „Radiance III“, als Eröffnungsmusik vor und legte das Stück ein. Bei der ersten Bassdrum wachte der Aufnahmeleiter auf, zündete sich eine Zigarette an und schwieg. Alles bebte. Und der Tontechniker winkte ab. „Dit rauscht ja nur. Dit können die Omas uffm Küchenradio nisch hörn.“ Also doch Debussy. Wir redeten dann nicht mehr darüber, sondern gingen in die Kantine. Es war Freitag und gab Fischquadrate.
##The Other People Place - Lifestyles Of The Laptop Café
Ji-Hun: Hinter dem damals (2001) mysteriösen Projekt The Other People Place steckte James Marcel Stinson, seines Zeichens eine Hälfte von Drexciya aus Detroit. Das Album „Lifestyles Of The Laptop Café“ war leider der einzige Langspieler dieses Projekts, denn nur ein Jahr nach der Veröffentlichung verstarb Stinson aufgrund von Herzproblemen. Für mich ist „Lifestyles Of The Laptop Café“ ein prophetisches Album, nicht nur aufgrund des Titels. 2001 hatte ich gerade mal ISDN und hab einen Flexi-Worklifestyle der St. Oberholz-Generation in meinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können. Aber auch davon abgesehen ist es die vielleicht wichtigste Techno/Electro-Platte aus dem Hause Warp Records, nein der Welt. Auch wenn andere Hardliner mich dafür steinigen würden. Stinson schafft ihr keinen originären Klangentwurf wie seine Labelmates Aphex Twin, Plaid oder Boards of Canada. Die Platte ist vielmehr ein rauhes, zutiefst emotionales und sehnsüchtiges Manifest über das, was elektronische Musik mit Bassdrum in der Lage sein kann. Mit Geschichte, Abstand, maschiniger Kaltheit und viel Wissen über Liebe.