Einmal Bond, (nicht) immer BondDokumentation: „Becoming Bond“ erzählt die Geschichte des Geheimagenten-Darstellers George Lazenby
14.11.2017 • Film – Text: Hendrik KettlerEs hätte der Beginn einer großen Karriere werden können und blieb doch ein einmaliges und zweifelhaftes Vergnügen. 1969 spielte George Lazenby den Doppelnull-Agenten James Bond. Sean Connery wollte nicht mehr, die Rolle musste für die Produktion „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ neu besetzt werden und Lazenby – ein Mann ohne jegliche Schauspiel-Erfahrung – bekam den Job. Aus dem Nichts ins Rampenlicht und wieder zurück ins Nichts. Wer ist dieser George Lazenby überhaupt? Josh Greenbaum hat einen Dokumentarfilm über den Australier gemacht.
Welcher Bond-Darsteller ist der beste? Diese Frage führt bei Fans des berühmtesten Agenten der Filmgeschichte zu langen Diskussionen. Das Sean-Connery-Lager schwört auf die kühle, virile Ausstrahlung des Schotten und das Flair der swingenden Sechziger Jahre, das den frühen Bond-Filmen ihre ganz besondere Atmosphäre verleiht. Die Anhänger des im Mai 2017 verstorbenen Roger Moore wiederum ziehen meist die Bonds der Siebziger vor, die sich nicht so ganz ernst nehmen (wie zum Beispiel im Finale von Leben und sterben lassen deutlich wird, in welchem der „aufgeblasene“ Bösewicht durch eine Pressluftpatrone sein Ende findet). Die eher mäßigen Bonds der Achtziger und Neunziger mit Timothy Dalton und Pierce Brosnan in den Hauptrollen führen in der Diskussion eher ein Schattendasein; erst seit der stoische Daniel Craig 2006 das Zepter übernahm, hat die Serie in den Augen vieler Fans zu alter Größe zurückgefunden.
Einer tanzt allerdings aus der Reihe der Bond-Mimen, und das nicht nur durch die Tatsache, dass er lediglich ein einziges Mal zum Einsatz kam: George Lazenby, der 1969 in Im Geheimdienst Ihrer Majestät den Briten mit der Lizenz zum Töten verkörperte. Das Dokumentarspiel Becoming Bond erzählt die Geschichte des wohl ungewöhnlichsten aller Bond-Darsteller, der eher zufällig an die Rolle des Doppelnull-Agenten kam. Geboren 1939 in der australischen Provinz, zeichnete sich für den jungen George der spätere Glanz einer Schauspielkarriere lange nicht ab: Ohne Schulabschluss arbeitet er zunächst als Automechaniker, später dann als Autoverkäufer. Die Liebe führt ihn in den Sechzigerjahren schließlich nach London, wo er für Fotoaufnahmen entdeckt wird und erste Kontakte mit der Kamera hat. Nach erfolgreichen Engagements als Dressman kommt er über einen Mitbewohner in Kontakt mit einer Casting-Agentin, die ihm vorschlägt, für die Rolle des James Bond vorzusprechen. Da Sean Connery Ende der Sechziger die Dienstwaffe an den Nagel hängen will (1967 hatte er in Man lebt nur zweimal seinen fünften und – vorläufig – letzten Einsatz), sieht sich Bond-Produzent Cubby Broccoli gezwungen, nach einer neuen Besetzung für die Rolle zu suchen. Lazenby nutzt seine Chance, wobei ihm augenscheinlich das Redetalent des geübten Autoverkäufers zugute kommt: Ohne jegliche Schauspielerfahrung, aber mit großem Selbstvertrauen (und ein paar dreisten Lügen) macht er das Unmögliche möglich und bekommt tatsächlich die Rolle, für die damals reihenweise etablierte Schauspieler vorsprachen.
Vom Nobody zum Filmschauspieler
So weit, so gut; die groben Züge dieser Geschichte kennen die meisten Bond-Enthusiasten bereits. Was Becoming Bond insbesondere für Fans der Reihe interessant macht, ist die von Lazenby sehr persönlich erzählte Variante der Story, die ihn vom Nobody zum Filmschauspieler machte. Nun darf man sich zu Recht fragen, was an seiner Erzählung wahr und was erfunden ist: Da das alles ja nun schon einige Jahrzehnte zurück liegt, nimmt sich Lazenby vermutlich das Recht, an der einen oder anderen Stelle das Stilmittel der Übertreibung einzusetzen. Wohl auch im Hinblick auf seine amourösen Abenteuer. So berichtet er von seinem etwas unbeholfenen ersten Mal mit einer Frau aus der Nachbarschaft genauso wie über die große Liebe seines Lebens, derentwegen er sich als junger Mann nach London aufmacht. Die Interviewszenen zeigen einen unaufgeregten George Lazenby, der detailfreudig die Geschehnisse vor, während und nach den Dreharbeiten zu On Her Majesty´s Secret Service wiedergibt. Diese wechseln sich mit Spielszenen ab, die seine Erzählung mit Leben füllen. Hier wird er von verschiedenen Schauspielern dargestellt, über deren Ähnlichkeit mit Lazenby man sicherlich streiten kann; dem Erzählfluss des Films tut das allerdings keinen Abbruch.
Ihre Stärken hat die Dokumentation in den Momenten, in denen alte Aufnahmen von TV-Shows und Fernsehinterviews gezeigt werden. Diese ergänzen Lazenbys Aussagen und bringen ein authentisches Moment in seine Darstellungen. Gerade hier beleuchtet Becoming Bond die Umstände, die Lazenbys Auftritt als James Bond zu einem einmaligen Gastspiel werden ließen. Sein Eigensinn, seine Weigerung im Sinne der Produzenten zu „funktionieren“, eine Abneigung gegen die Rolle und sicher auch ein sehr ausgeprägtes Ego führten dazu, dass sein Vertrag nicht erneuert wurde. So kam Im Geheimdienst Ihrer Majestät 1969 als sechster offizieller Bond-Film in die Kinos. Sein Einspielergebnis konnte insgesamt allerdings nicht an die bisherigen finanziellen Erfolge der Reihe anknüpfen, was wohl letztlich für die Produzenten auch ein Argument war, dem „Experiment“ Lazenby keine zweite Chance zu geben. 1971 setzte dann Sean Connery für Diamantenfieber noch ein sechstes Mal sein Bond-Toupet auf, ab 1973 übernahm Roger Moore die Rolle für sieben weitere Filme. Lazenby tauchte nach seinem Bond-Ausflug noch in einigen kleineren Produktionen auf, unter anderem in einer fürs Fernsehen produzierten, mehrteiligen Emmanuelle-Reihe.
##Viele Sex-Eskapaden, wenig Seelenleben
Die Geschichte von Becoming Bond lebt von der sehr persönlichen Note, die ihr Erzähler einbringt. Leider legt der Film zeitweise etwas zu viel Wert auf Lazenbys sexuelle Eskapaden, wohingegen die Einblicke in sein Seelenleben zu kurz kommen. Eine verpasste große Liebe, der Verlust eines Sohnes und zwei gescheiterte Ehen (seine zweite Frau war übrigens die ehemalige Tennisspielerin Pam Shriver) sind Teile einer Lebensgeschichte, die der Film weitgehend außen vor lässt. Zur Verteidigung muss man Regisseur und Autor Josh Greenbaum wohl zugutehalten, dass 92 Minuten Laufzeit auch nicht genug Raum für jedes Detail aus Lazenbys Vita bieten. Wie bereits festgestellt, ist Becoming Bond aber zumindest für Bond-Fans durchaus sehenswert. Und von denen gibt es ja nicht so wenige. Der Film hatte seine Deutschlandpremiere auf dem Unabhängigen FilmFest in Osnabrück. Eine deutsche DVD-Veröffentlichung steht noch aus.
Becoming Bond
USA 2017
Regie & Buch: Josh Greenbaum
Darsteller: George Lazenby, Josh Lawson, Jason Maybaum, Kelly Lester
Laufzeit: 92 Minuten