Odyssee zum WurmlochInterstellar, Christopher Nolans Fast-Meisterwerk

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Alle Fotos: Warner Bros. Entertainment / Paramount Pictures

Mit seinem neuen Film Interstellar kehrt Christopher Nolan dem Superhelden-Kino den Rücken und sucht nach neuen Lebensräumen für die Menschheit.

Ask the Dust

Wenn Nick (Ben Affleck) und Amy (Rosamund Pike) sich in David Finchers Gone Girl zum ersten Mal küssen, tun sie dies in einer Wolke aus Zuckerstaub, die aus der geöffneten Hintertür einer Bäckerei herüber weht. Fincher glasiert diesen in der filmischen Vergangenheit liegenden Moment regelrecht und verstärkt somit den Kontrast zur tristen Gegenwart seiner Protagonisten. Auch Christopher Nolan bedient sich in seinem neuen Film Interstellar des Motivs der Staubwolke. Jedoch nicht im Rahmen einer Liebes-Metaphorik: Bei ihm wird der Staub zum Symbol für das unmittelbar bevorstehende Ende menschlichen Lebens auf dem Planeten Erde.

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Die Welt braucht Farmer!

Der Witwer Cooper (Matthew McConaughey) lebt mit seinen beiden Kindern Murph (Mackenzie Foy) und Tom (Timothée Chalamat) sowie seinem von John Lithgow gespielten Schwiegervater Donald auf einer Farm im Süden der USA. Früher arbeitete der Ingenieur als Weltraumpilot für die NASA, heute wird er als Farmer gebraucht. Denn die Welt wird so stark von Staubstürmen und anderen Naturphänomenen heimgesucht, dass sich bereits jetzt nur noch Mais anbauen lässt und die Menschheit zukünftig entweder zu verhungern oder zu ersticken droht.
Während Tom seine ungewisse Zukunft auf der väterlichen Farm zu sehen scheint, teilt Coopers Tochter Murph die Begeisterung des Vaters für die Raumfahrt und die Astrophysik. Sie ist es auch, die ihren Vater mit dem Weltraumforscher Professor Brand (Michael Caine) zusammenbringt. Der arbeitet an einer geheimen NASA-Mission, deren Ziel es ist, in anderen Galaxien neue Lebensräume für die Menschheit zu erschließen. Der Professor hat den Plan, seine eigene Tochter (Anne Hathaway) und Cooper auf eine interstellare Reise durch ein Wurmloch in der Nähe des Saturns zu schicken, um die sich dahinter befindlichen Planeten auf ihre Bewohnbarkeit zu überprüfen. Dies stellt Cooper vor die Frage, ob er bereit ist, zum Wohle der Allgemeinheit seine Familienmitglieder zurückzulassen, die aufgrund des relativen Verhältnisses der unterschiedlichen Zeitsysteme bei seiner Rückkehr bereits sehr alt oder gar verstorben sein dürften.

cooper

Bigger than Life

Mit Interstellar hat Christopher Nolan, und das will schon etwas heißen, seinen wohl bildgewaltigsten Film abgeliefert. Die Kamera führte dabei erstmalig nicht Wally Pfister, der ins Regiefach gewechselt ist, sondern Hoyte Van Hoytema (Her, Let the Right One in). Gedreht wurde auf regulären 35mm- und 65mm-IMAX-Filmkameras. Das hat zur Folge, dass bei den Vorführungen in den IMAX-Filmpalästen das Bild auf der Leinwand innerhalb des Films in der Größe variiert, da die IMAX-Bilder oben und unten deutlich mehr Bildinformationen aufweisen. Für die regulären Kinovorführungen wurde das Bildformat jedoch vereinheitlicht. Eine weitere Besonderheit ist die Release-Politik Nolans, der sich gemeinsam mit Quentin Tarantino, Paul Thomas Anderson und Martin Scorsese vehement für den Erhalt des Analog-Films einsetzt. Amerikanischen Kinobetreibern bot der Regisseur nämlich an, Interstellar schon zwei Tage vor dem offiziellen Kinostart als analoge Filmkopie zeigen zu dürfen.

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Foto: Melinda Sue Gordon

Hans Zimmer bleibt immer Hans Zimmer

Doch der Film wird nicht nur allein wegen seiner großartigen Kameraarbeit zum Erlebnis. Mit Interstellar entfernt Nolan sich von seinem bisherigen Werk und tritt in einen Dialog mit Regisseuren wie Kubrick, Malick und Tarkowski. Dabei verlässt er immer wieder die ausgetretenen Pfade der klassischen Blockbuster-Narration und findet in diesen stillen Momenten Erhabenheit und grenzenlose Schönheit. Ein Schüler tritt in den Dialog mit seinen Meistern: Das heißt aber nicht, dass es sich bei Interstellar zwangsläufig auch um Christoper Nolans Meisterwerk handelt. Zu zerrissen und heterogen erscheinen teilweise die einzelnen Versatzstücke. Auch dem Drehbuch merkt man manchmal allzu sehr an, dass es ursprünglich für Steven Spielberg konzipiert wurde, und Hans Zimmer bleibt eben auch immer Hans Zimmer. Doch auch den Filmen von Kubrick, Malick und Tarkowski muss man einige Eigenheiten, Sentimentalitäten und Naivitäten verzeihen, um sie richtig genießen zu können, und auch da hat sich dies eigentlich immer gelohnt.

Interstellar
USA 2014
Regie: Christopher Nolan
Darsteller: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Wes Bentley, Jessica Chastain, Mackenzie Foy, Casey Affleck
Kamera: Hoyte Van Hoytema
Musik: Hans Zimmer
Laufzeit: 169 Minuten
Warner Brothers, Paramount Pictures

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