„Ghosting“Exklusive Preview des Romans von Sebastian Ingenhoff

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Am 7. Mai erscheint Sebastian Ingenhoffs Roman „Ghosting“ im Ventil Verlag. Das Buch handelt von R&B-Superstar Solana, die auf ihrer Tour mit Symptomen einer aus den Fugen geratenen Welt konfrontiert wird. Nach einem Flugzeugunglück in der Wildnis Grönlands trifft sie auf den fünfzehnjährigen Ausreißer Alfie. Das Filter präsentiert einen exklusiven Auszug aus dem Buch.

Die Musik von Nina Simone ist wie Balsam für Solana. Ihre tiefe Stimme hat etwas Beruhigendes, so wie Yogaübungen oder ein dicker Blunt etwas Beruhigendes haben. Der Motor des Wagens ist leise, man hört ihn kaum. So stört er auch nicht die Musik. Solana summt die Melodie von Don’t smoke in bed leise mit und starrt gedankenversunken aus dem Fenster.
Die Bucht von Tokio wirkt wie eine von technokratischen Göttern errichtete Version des Bosporus. Alles ist vollkommen akkurat angeordnet, die kleinen grünen Inseln wie geometrische Figuren, das Silberweiß der Hängebrücke penibel abgestimmt auf die Farbe der Gebäude auf der anderen Seite.
Abends erstrahlt die Brücke in allen Regenbogenfarben. Die ganze Stadt flimmert und flackert, dass es eine Warnung für Epileptiker bräuchte. Solana findet es immer wieder erstaunlich, wie sich diese Megacities auf bizarre Weise ähneln, auch wenn Istanbul und Tokio natürlich zwei völlig verschiedene Paar Schuhe sind, das eine mit Schmutzspuren und schon etwas ausgetreten, das andere blitzblank poliert und in grellem Design. Don’t look for me / I’ll get ahead / Remember darling / Don’t smoke in bed.

Es gibt nur zwei Personen, die Solana unmittelbar vor der Show ertragen kann, und das sind Ana und Nina Simone. Also hat sie verfügt, dass sie immer gemeinsam mit Ana zur Arena gefahren wird und sie dabei Nina Simone hören, da es beruhigend ist, Ana dabei zu haben und Nina Simone zu hören. Sie liebt die Art, wie Nina singt und die Wörter dabei langzieht, die Vokale dehnt, weil jedes Wort zählt. Wie sie Klavier spielt, die kleinen kunstvollen Pausen zwischen den Tönen. In einem Interview mit einem europäischen Magazin hatte Solana mal über Nina Simone gesprochen. Der Journalist fragte sie, warum sie denn nicht eine Coverversion von Nina Simone mache, da die doch ein modernes Update vertragen könne, und Solana widersprach und sagte, die Songs von Nina könne man mit einem modernen Update nur verhunzen, sie seien so perfekt komponiert und zeitlos, da gebe es nichts zu verbessern, und alle existierenden Coverversionen seien grottenschlecht. Man könne alles problemlos covern, aber nicht Nina Simone. Nicht mal mitsingen würde sie ihre Songs, sondern lediglich summen. Nicht, dass sich Solana für eine schlechte Sängerin hielte. Im Gegenteil, sie bekommt ja auch ständig erzählt, sie sei eine der besten Gesangskünstlerinnen, die es derzeit gibt auf der Welt. Aber sie ist keine Meisterin im dunklen Bereich. Der einzige Mensch, der Ninas Songs halbwegs adäquat singen kann, ist Solanas Mama, die eine ausgesprochen tiefe Stimme hat, die Ninas Songs immer gesungen hatte, ob beim Aufräumen, beim Solana-in-die-Schule- oder Solana-ins-Bett-bringen.

So hatte Solana schon in frühester Kindheit Nina Simones Lieder lieben gelernt, wie sie später die Songs von Aaliyah, Lauryn Hill oder Björk lieben lernte. Ninas Songs seien Balsam für die geschundenen Seelen einer geschundenen Welt, hatte ihre Mama immer gesagt, und das war der zweitbeste Satz, den Solana über Nina Simone kannte. Der Beste kam von Lauryn Hill und ging: So while you are imitating Al Capone, I’ll be Nina Simone, and defecating on your microphone.

Draußen rauscht Tokio vorbei. Solana mag es, dass Ana nicht viel redet vor der Show, weil Ana noch aufgeregter ist. Obwohl sie selbst nicht viel machen muss, außer dafür sorgen, dass alles läuft, wobei sie hauptsächlich dafür sorgt, dass Solana in Ruhe gelassen wird, weil sie Ruhe braucht vor dem Orkan, dem Geschrei, dem Flackern und den Gesichtern. Bei ihren Tänzern und Musikern ist das anders. Die pumpen Outkast oder Wu-Tang Clan in voller Lautstärke, um sich einzupeitschen, springen und tanzen und wirbeln wild durch den Backstage-Bereich, bis sich kein normaler Mensch mehr da rein traut. Solana liebt ihre Crew, aber kurz vor der Show sind Ruhe und Konzentration angesagt, weswegen sie oft erst in letzter Sekunde zu den anderen stößt, was das Tourmanagement manchmal wahnsinnig macht, weil ein Auftritt in einer so großen Arena nun mal sekundengenau getaktet ist und Verspätungen jeglicher Art einfach nicht vorgesehen sind. Aber wenn Solana sagt, dass das so gemacht wird, dann wird das auch so gemacht, und meistens geht ja auch alles gut.

Der weiße SUV wird von den Securities am hinteren Bereich der Arena in die Unterführung gewunken, die zum Backstage-Bereich führt. Man hört schon die Bässe, und wenn man ganz genau hinhört, kann man auch die Stimme ihres Supports Young Moses hören, der gerade auf der Bühne steht.

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„Lass lieber vorm Schlafengehen einen rauchen, dann sind wir morgen auch wiederhergestellt.“

Der Wagen hält neben dem Eingang, an dem zwei stämmige Männer mit Funkgeräten postiert sind. Solana und Ana packen ihren Kram zusammen und steigen aus. Sie nicken den Männern kurz zu, die ehrfürchtig zur Seite treten.
Eigentlich hätten Ana und Solana ordnungsgemäß ihren Zugangsberechtigungsausweis vorzeigen müssen, aber entweder haben die beiden Männer ihre Sprache verloren oder im Eifer der Aufregung einfach vergessen, danach zu fragen. Aber man sieht ja auch, wer da kommt.
Sie werden von der gleichen durchorganisierten Frau mit dem akkuraten Pagenschnitt in Empfang genommen, die sie gestern schon im Hotel begrüßt hatte. Solana hat den Namen vergessen, aber Ana weiß ihn noch, weil sie nie was vergisst, was gut ist, da die Frau die örtliche Ansprechpartnerin ist, die sich um alles kümmert und deren Namen man sich besser merken sollte und die ihnen nun auch den Weg zu Solanas Garderobe weist.
Solana hat sich die Kapuze ihres Hoodies tief ins Gesicht gezogen, da sie es nicht mag, von allen angestarrt zu werden, sobald sie einen Raum betritt. Natürlich wird sie auch hier von allen angestarrt, denn man erkennt sie auch unschwer mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze, weil sie eben Solana ist und nicht Anna Average oder deine Mutter.
Einige unterbrechen ihre Arbeit, manche bleiben andächtig stehen, lächeln unsicher oder verbeugen sich sogar. Einer der Techniker, ein sehr junger Junge mit verwuschelter Frisur, höchstens achtzehn, möchte ein Foto mit Solana machen, wird aber von der Pagenschnittfrau auf Japanisch zurechtgewiesen, was den armen Kerl erröten und beschämt zu Boden gucken lässt.

Solana wirft ein, dass es schon okay sei, ein Foto zu machen, und zieht ihre Kapuze ab, was den Jungen noch mehr erröten lässt, der schüchtern seine Kabel auf den Boden legt, das Handy zückt und sich neben Solana aufstellt, ohne den Arm um sie zu legen, wie man es meistens macht. Dann fixiert er mit der Kamera ihre beiden Gesichter, betätigt den Auslöser, verbeugt sich etwas hektisch und huscht mit seinen Kabeln von dannen. Wie auf Knopfdruck zücken plötzlich aber alle der anwesenden Techniker, Logistiker, Caterer und wer auch immer hier gerade durch die Katakomben wuselt, ihre Handys und machen Fotos von Solana, als sei die Entblößung des Kopfes das offizielle Signal dafür, dass man jetzt Fotos machen dürfe.
Solana bemüht sich, möglichst galant zu lächeln, ehe die Frau mit dem Pagenschnitt wieder etwas auf Japanisch sagt, diesmal in noch resoluterem Ton, was einige, aber nicht alle der Anwesenden dazu bringt, die Handys wegzustecken und ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Dann bringt die Frau sie in die Garderobe und es herrscht endlich Ruhe. Ana und Solana sind allein.

»Ich bin so scheißmüde«, seufzt Ana und hält sich die Hand vor die Stirn.
»Ich auch. Ich brauch was zu rauchen«, sagt Solana.
»Ich glaub, Rauchen wär nicht so die geilste Idee. Aber ich hab was von Moe gekriegt. Nur ein paar Krümel, doch der meinte, das sei megastark.«
»Rollst du uns einen?«
»Du musst gleich auf die Bühne. Lass lieber vorm Schlafengehen einen rauchen, dann sind wir morgen auch wiederhergestellt.«
»Komm schon. Nur zweimal ziehen, versprochen. Rest rauchen wir später«, widerspricht Solana.

Die Garderobe ist fast so groß wie eine Hotelsuite. Es gibt eine gemütliche Sitzecke. Eine lange Kleiderstange. Mehrere Spiegel mit unterschiedlich starker Beleuchtung. Einen Getränkekühlschrank. Einen Cateringtisch, der mit heißem Wasser, allerlei Teesorten, Nüssen, Früchten, rohem Fisch, Tapas und kleinen Salaten drapiert ist.

So wie sie es in ihrem Rider stehen hat, der im internationalen Popstarvergleich jedoch nicht übermäßig exzentrisch daherkommt. Man muss sich klarmachen, dass es Künstler gibt, die sich Smarties nach Farben sortieren lassen. So etwas macht Solana nicht. Mehr als ein paar kleine Häppchen kann sie kurz vor der Show ohnehin nicht mehr essen.

Kurz vor der Show kann Solana nicht mal mehr Pizza essen. Vor der Show will sie einfach nur ihre Ruhe. Das ist der wichtigste Punkt in ihrem Rider. Die Künstlerin bitte nicht in der Garderobe stören steht dick oben geschrieben, noch vor Verpflegung, Transport, Produktionsablauf und dem ganzen anderen Pipapo. Es gibt auch keinen Grund, die Künstlerin in der Garderobe zu stören. Ihre Visagistin trifft sie im Hotel kurz vor der Abfahrt. Sound checkt die Crew. Orga macht das Tourmanagement. Umziehen kann sie sich alleine.

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Nicht mal ihr Tourmanager Steve darf sie in der Garderobe stören. In die Garderobe darf nur Ana und sonst niemand. Solanas Bühnenoutfits hängen fein säuberlich in der korrekten Reihenfolge an der Kleiderstange. Anfangs trägt sie ein weißes Tuch über dem Kopf, dazu eine lange Perlenkette, den halboffenen Blouson mit Skorpionmuster zur weit geschnittenen, auf den Schuhen liegenden, aber nicht an den Beinen flatternden Hose.

„Irgendwann wird es eh keine Männlein oder Weiblein mehr geben, sondern nur noch Arschlöcher.“

Nach dem Opener I started walking zieht sie das Tuch ab und zeigt den kreischenden Fans ihr Gesicht. Im weiteren Verlauf der Show wird sie den Blouson gegen eine elegante Anzugjacke austauschen und zu einer gleichfarbigen Hose wechseln mit einem Schnitt, der auch Marlene Dietrich gutgestanden hätte. Die Anzugjacke wie auch die Hose stammen von ihrem Lieblingsdesigner Alexander von Traunstein und wurden eigens für sie kreiert. Im Gegenzug musste sie Alexander versprechen, nächste Woche bei einem Fotoshooting in Island dabei zu sein. Alexander ist Österreicher und kommt aus Wien. Seine Shootings und Modeschauen sind berühmt-berüchtigt.
Angeblich sei er schon mehrfach von seinen Models verklagt worden, weil er sie hatte bluten lassen oder zu Tieren verarbeitet oder so ähnlich, hatte Solana gehört, das aber nie so recht glauben können. Zu ihr war er immer charmant und zuvorkommend.

Doch Alexander hatte nie bestritten, dass er seinen Modellen einiges zumute. Dafür seien sie eben Teil einer Alexander-von-Traunstein-Show. Was er genau macht, nächste Woche in Island, das weiß Solana nicht genau. Langweilig wird es sicher nicht. Die Outfits ihrer Tänzerinnen und Tänzer sind ebenfalls von Alexander von Traunstein gestaltet. Sie sind Unisex gekleidet, tragen elegante Shirts und lange silberne Halsketten zu schwarzen, taillierten Hosen, die in Stiefeln stecken. Was wunderbar zur Choreografie passt, die von der New Yorker Ballroom-Szene aus den späten Achtzigern inspiriert ist, als man nicht immer genau wusste, ob gerade Männlein oder Weiblein tanzt.

Ninja meinte mal: »Irgendwann wird es eh keine Männlein oder Weiblein mehr geben, sondern nur noch Arschlöcher.« Das kam aus irgendeinem Film und machte auch irgendwie Sinn, fand Solana. Ninja wurde als Kind selbst oft für einen Jungen gehalten, weil sie ihre dunklen Locken immer kurz getragen hatte und für ein Mädchen ziemlich viele Jungsinteressen hat, wie zum Beispiel Kampfsport. Ninja kann besser Jiu-Jitsu als der gesamte Wu-Tang Clan. Die könnte den ganzen Clan verkloppen, da kann RZA noch so viele Kung Fu-Filme drehen. Ninja kann auch andere Kampfsportarten, aber Jiu-Jitsu ist die Königsdisziplin, sagt Ninja immer, die ihren Spitznamen ja nicht von ungefähr hat. Manchmal wird Ninja von den Jungs gehänselt, wegen ihres burschikosen Auftretens, aber dann stellt sie sich den Jungs kurz vor, auf ihre Ninja-Art, und dann wird sie nicht mehr von den Jungs gehänselt.

So hat jede aus der alten Brooklyn-Crew ihre Superkräfte. Ana kann bessere Blunts rollen als der gesamte Wu-Tang Clan. Solana mag Blunts viel lieber als Joints, weil ein Blunt einfach mehr Stil hat. Wobei so ein Blunt ziemlich stark sein kann, und die Blunts, die Ana dreht, sind ziemlich stark. Wenn also das Zeug, das Ana von Moe gekriegt hat, ohnehin stark ist, dann sollte man besser aufpassen. Aber Solana braucht jetzt dringend einen Zug von einem richtig guten Blunt, weil es in ihrem Kopf gerade zugeht wie in einer Nervenheilanstalt. Sie ist völlig fertig, total übernächtigt, emotional überfordert, muss gleich auf die Bühne und jetzt ... vibriert auch noch ihr Handy.

Ty: baby, ich vermiss dich

»Fuck«, seufzt Solana, und schleudert das Telefon auf die Ledercouch.
»Ty?«, fragt Ana, und leckt das braune Papier vorsichtig an, ehe sie es sorgfältig zusammenrollt, darauf achtend, dass nichts zerbröselt oder rausfällt. Solana nickt. »Das hat gerade noch gefehlt, dass der Trottel sich jetzt meldet.«
»Dann schreib ihm das.«
»Was?«
»Dass er ein Trottel ist.«
»Weiß er doch. Hab ich ihm geschrieben. Hab ich ihm auch gesagt. Hilft ja nichts. Geht hier rein, da raus.«
Solana deutet erst auf das eine, dann das andere Ohr.
»Und wieso meldet er sich dann noch? Und ausgerechnet jetzt?«
»Keine Ahnung. Weil er halt ein Trottel ist.«
»Ist der nicht gerade selbst auf Tour?«
»Was weiß ich. Interessiert mich auch nicht. Kein Bock, zu antworten.«
»Dann ghoste ihn halt«, grinst Ana und hält ihr den fertigen Blunt entgegen.
»Typen gehen eh hier rein, da raus.«

Solana schmeißt sich auf die Couch, schlüpft aus den Schuhen, streckt die Beine aus und steckt sich den Blunt in den Mund. Sie zündet ihn an und nimmt einen tiefen Zug. Sie muss gleich husten.
»Alter, was ist das denn für ein Teufelskraut?«
Solana zieht ein zweites Mal und muss noch mehr husten. Sie hustet sich fast die Lunge aus dem Hals, bis sie keine Luft mehr bekommt. »Scheiße, brennt das in den Lungen.«
»Ok, Sweetie, wir haben gesagt zweimal ziehen. Gib rüber, den Lolli«, sagt Ana.
»Ist ja gut«, hustet Solana weiter und reicht ihr den Blunt. Ana ist so einiges gewohnt, da sie, wie schon gesagt, den Kiffer-Nobelpreis gewinnen würde, wenn es einen gäbe, aber selbst sie muss jetzt kräftig husten.
»Shit, ist das krass.«
»Ich dachte, die Japaner kiffen nicht, hast du gesagt. Aber wenn die immer so Zeug rauchen, dann fetten Respekt. Das kommt bestimmt aus Fukushima oder so«, keucht Solana, immer noch schnappatmend. Ana feuchtet zwei Finger mit der Zunge an und macht den Zigarillo aus, ohne sich zu verbrennen. »Rest rauchen wir echt erst vorm Schlafengehen, das ist ja der Monstershit. Du solltest dich langsam umziehen, Süße«, sagt Ana.
»Jaja. Lass mich noch paar Minuten chillen.«
Ana schaut auf ihr Handy. »So viel Zeit ist echt nicht mehr. Wir haben superlange gebraucht. Hab das Gefühl, der hat uns einmal durch die halte Stadt gefahren.«
»Jaja.«
»Nix ›Jaja‹, aufstehen jetzt«, sagt Ana, die nun versucht, ihre Freundin mit beiden Händen und voller Kraft von der Couch zu ziehen. Solana kann sich dem Griff aber entwinden, woraufhin Ana in Scherenposition mit nach vorne gestreckten Armen und nach hinten gebeugtem Po für ein paar Sekunden stehen bleibt, ehe die Schwerkraft siegt und sie voll auf ihren Hintern plumpst.
»Aua.«
Solana kriegt den totalen Lachanfall.
»Haha, das sah so geil aus.«
»Aua, das tat echt weh. Ich glaub, ich hab mir den Arsch gebrochen.«

Ana wirft sich mit vollem Gewicht auf Solana und versucht sie, von der Couch zu bugsieren, aber ohne Erfolg, was Solana nur noch mehr lachen lässt, woraufhin Ana anfängt, sie an der Seite zu kitzeln. Solana gibt auf und lässt sich von der Couch fallen.

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»Du bist so scheiße«, lacht sie.
»Du bist selber voll scheiße. Zieh dich endlich an«, grinst Ana.
»Und wenn du schon stehst, dann schmeiß mal was zu futtern rüber.«
Solana versucht, vom Boden aufzustehen, doch ihre Beine fühlen sich an wie ein platter Fahrradreifen.
»Ich kann nicht aufstehen. Ich krieg das überhaupt nicht mehr hin.«
Sie windet sich auf dem Boden hin und her.
»Das ist überhaupt nicht lustig. Du musst dich umziehen, und ... ich hab voll Bock auf Cheetos jetzt.«
»Haha, Cheetos wären so megageil. Wie geil wären Cheetos jetzt bitte?«, lacht Solana.
»Cheetos wären jetzt so das Megageilste, aber haben wir überhaupt nicht aufm Rider stehen, Fuck. Warum eigentlich? Welcher Hirni hat eigentlich den Rider gemacht? Du? Ich meine, wie geil Cheetos jetzt wären.«
»Ich geb dir gleich Hirni, aber warte, gib Handy, ich check mal«, sagt Solana und rudert mit dem rechten Arm in der Luft herum, dabei immer noch auf dem Boden liegend. Sie verfehlt aber das Handy, das Ana ihr entgegenwirft, um ein paar Zentimeter, so dass es ihr ins Gesicht klatscht. Wieder kriegen sie sich beide überhaupt nicht mehr ein. »Aua, Scheiße, das gibt voll Beule.«
Solana öffnet den Chat mit Ty und drückt auf Antworten.

Solana: baby, vermissen cheetos

Sie drückt auf Senden, rollt sich dann auf den Bauch und hämmert mit der Faust auf den Teppichboden, während ihr vor Lachen die Tränen in die Augen laufen. Sie kann einfach nicht aufhören. Es ist unmöglich.
»Was hast du gemacht?«, kreischt Ana, die sich ihrerseits von der Couch rollt und zu Solana robbt. Sie schnappt sich das Handy, schaut auf das Display und fängt auch an loszuprusten. »Das kannst du nicht bringen. Der arme Kerl, der bringt sich doch um, der ist eh so sensibel.«
»Ach was, der soll sich nicht so anstellen. Der hat eh schon wieder drei andere gehabt. Jetzt kommt der an und meint, der könnte ein bisschen flennen und alles gut wie immer. Am Arsch kann der mich.«
»Du kannst manchmal voll der Machoarsch sein, weißt du das eigentlich?«, sagt Ana grinsend, aber in doch etwas ernsthafterem Ton jetzt.
»Machoarsch? Fick dich. Ich geb dir gleich Macho auf deinen Arsch«, antwortet Solana und boxt ihre Freundin in die Seite.
»Ist ja gut, ich hab dich ja trotzdem lieb, du blöde Kuh.«
Ana fängt den nächsten Schlag ab und nimmt Solanas Hand in die ihre. Sie drückt ihr einen Kuss auf die Stirn. »Aber du musst dich jetzt trotzdem anziehen, weil sonst ist alles zu spät und dann gibt es weder Cheetos noch Konzert.«
»Aber wir brauchen doch unbedingt Cheetos«, quengelt Solana, die aber langsam auch wieder etwas klarer im Kopf wird.
»Fuck, hab ich dem gerade echt geschrieben, er soll uns Cheetos bringen?«
»Hast du. Du hast es voll vergeigt«, sagt Ana mit gespielt traurigem Blick und streichelt Solana durch ihr dunkles, langes Haar.
»Oh Mann ...«
Sie nimmt das Handy und öffnet erneut den Chat mit Ty. Er hat noch nicht geantwortet.

Solana: Sorry. War ein blöder Witz. Sind bisschen bekifft

»Du musst jetzt echt aufstehen und dich anziehen«, sagt Ana.
»Ich kann aber nicht aufstehen und mich anziehen. Kannst du nicht paar Chinesen rufen und die ziehen mich an?«, jammert Solana.
»Ich geb dir gleich Chinesen, du scheißversnobter Latino-Macho. Du stehst jetzt auf, weil – ich als deine persönliche Assistentin befehle es dir!«
»Du befiehlst mir überhaupt nichts. Ich befehle dir jetzt erst mal, mir so ein Fischdings von da vorne in den Mund zu stecken. Weil – du bist meine Assistentin und du musst mir dienen, bis dass der Tod uns scheidet.«
Solana öffnet kokett ihren Mund, immer noch auf dem Rücken liegend und alle viere von sich gestreckt.
»Ich steck dir gleich MEIN Fischdings in den Mund, wenn du nicht sofort aufstehst.«
»Oh Baby, gib mir dein Fischdings«, haucht Solana lasziv und räkelt sich auf dem Teppich. Ana steigt gleich drauf ein.
»Uuuuh, oh Gott, warte, ich besorg es dir. Ich will es dir geben. Sorry, aber ich glaub, ich halte es nicht mehr aus, es kommt mir ... es kommt dir gleich voll ins Gesicht«, stöhnt sie mit gespielter Lüsternheit, schleicht sich zum Cateringtisch, grabscht eine der dünnen Sashimi-Scheiben vom Teller, nimmt Solanas Gesicht ins Visier und landet den totalen Volltreffer. Der rohe Fisch bleibt auf Solanas Stirn pappen. Die muss wieder voll lachen, springt jetzt aber mit gerade noch für unmöglich gehaltener Energie auf und jagt Ana im Kreis durch die Garderobe.
»Bitch, ich mach dich so alle, du bist so dermaßen tot, du kannst dich morgen krankschreiben lassen ...«

Sebastian Ingenhoff hat für Zeitschriften wie Intro, Spex, Groove und das Missy Magazin geschrieben. Zudem ist er Mitbetreiber des Kölner Labels baumusik. „Ghosting“ erscheint am 7. Mai im Ventil Verlag.

Alma GoldUnser Mix der Woche

Juan Wauters, Paul Frick, GrauzoneWochenend-Walkman – 07. Mai 2021