„Ein Leipzig. Und ihr wart auch alle da.“Die schönsten Bilder zu 10 Jahren Kann Records
13.6.2018 • Sounds – Fotos und Text: Mariann Diedrich2008 erschien die erste EP auf dem Leipziger Label Kann Records. Ein bis dahin ungehörter House-Entwurf, wie er zu der Zeit wohl nur aus Leipzig stammen konnte. Die Betreiber Jan Barich (Map.ache/Manamana), Alex Neuschulz (Sevensol/Manamana/Sevensol & Bender) und Dennis Knoof (Bender/Sevensol &Bender) schaffen seitdem nicht nur eine repräsentative Plattform für ausgezeichnete Musik. Wohl steht das Label auch wie kein zweites für die letzte Dekade der Stadt. Unaufgeregt, dennoch intensiv. Elegant, schöngeistig und dennoch Punk und das Gegenteil von posh. Mariann Diedrich hat diese Geschichte aus erster Reihe mitverfolgt und fotografisch auf Film festgehalten. Für die Jubiläums-Compilation „Family Horror X – Good Times“ ist daraus ein kleiner Bildband entstanden, der nicht nur einen Blick in verrauchte Backstages im Conne Island oder auf dem Nachtdigital zeigt, sondern auch die Menschen, die Kann erst zu dem gemacht haben, was es heute ist. Neben einer für Das Filter kuratierten Auswahl von Fotos teilt Mariann mit uns die Entstehungsgeschichte des Fotobands und ihre persönlichen Erfahrungen, die sie in ihrer Zeit in Leipzig machen konnte. Die Leipziger Sphäre inspirierte nämlich auch ihre kreative Karriere. Als Lux ist sie heute eine international gebuchte und bei Kritikern hoch geschätzte DJ.
Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums von Kann Records haben mich die Labelmacher Alex, Jan und Dennis dazu eingeladen, ein Heftchen mit Fotos zu erstellen, die ich in den vergangenen Jahren in und um Leipzig gemacht habe. Das Booklet ist in Zusammenarbeit mit ihnen und der Grafikerin Maximilane Schmid, einer engen Freundin von mir, entstanden.
Bei meinen Ausflügen zu Partys, Freunden oder zum See war die Kamera fast immer mit dabei, auch wenn es nie Ziel war, etwas mit den Fotos anzustellen. Ich sah die Leute, die Situationen und wollte einfach nur Abzüge dieser Erinnerungen.
Es ging mir deshalb weniger um Kunst oder Anspruch, und ich bezweifle eher, dass sich jemand, der nicht Teil dieser Zeit war, diese kleine Fotosammlung ins Bücherregal legen wird. Auch wenn es ein Zeitdokument ist – es bleibt ein wohl beliebiges Fragment, nur ein kleiner Ausschnitt von dem, was dort um uns herum in den vergangenen Jahren stattgefunden hat. Zudem konnte auch nur ein Bruchteil der Fotos, die ich über all die Jahre gesammelt habe, in so einem kleinen, begrenzten Format verarbeitet werden.
Meine Zeit in Leipzig begann 2008, die Leute um Kann Records, Conne Island, dem früheren IfZ-Kreis und einige der homo elektrik-Leute habe ich ab 2010 kennengelernt. In meinen Anfangsjahren war ich ausnahmslos jedes Wochenende unterwegs. Von dem, was in der Subkultur der Stadt passierte, war ich sowohl schwer fasziniert als auch getriggert, – wollte Teil dessen sein und habe parallel beobachten können, wie stark sich die Club-Szene in diesen Jahren entwickelte – wie sie breitflächiger wurde, aufblühte und natürlich auch, wie sie sich zunehmend professionalisierte.
Gleichzeitig ist die Art, wie Kann als Label agiert, in meiner Wahrnehmung sehr typisch für Leipzig. Die Kann-Posse hat ihren eigenen Rhythmus und lässt sich nicht zu sehr von den Dynamiken vereinnahmen, wie sie außerhalb der Stadtgrenzen diktiert werden. Dabei ging die Bedeutung von Kann mit der Atmosphäre der Leipziger Clubkultur für mein Empfinden ein Stück weit Hand in Hand. Sowohl musikalisch als auch, was das Selbstverständnis der entsprechenden Subkultur betrifft. Der unprätentiöse Deep-House-Sound, wie er exemplarisch für die ersten Kann-Releases war und der das Label nachhaltig charakterisierte, war etwas, das ich vor allem in meinen Anfangsjahren in Leipzig selber auch vom Gefühl vieler Open Airs mit nach Hause genommen hatte. Oder auch von den „Electric Island“-Nächten im Conne Island. Während die reduzierten, technoider geprägten Produktionen auf den Compilations noch leicht an jene Minimal-Ära anschlossen, die damals auch in Leipzig ihre Spuren hinterlassen hatte.
Darüber hinaus habe ich unzählige Partys mit Kann und Label-verwandten Leuten in Leipzig erlebt. Jedem, der sich regelmäßig in der alternativen Clubkultur Leipzigs aufgehalten hatte, wird es ähnlich gegangen sein – ganz unabhängig davon, ob Kann als eine Art musikalischer Konsens agierte oder auch nicht. Darum ging es mitunter gar nicht. Wie diese Leipziger Partys abliefen, war etwas, was DJs wie Manamana und unter anderen auch HW Rhapsody durch ihre Art und Weise, aufzulegen, selbst auch verinnerlicht und wieder nach außen getragen haben. Die Crowd und die Musik schienen sich dahingehend in einem dauernden Feedback zu bewegen:
Anfangs eher alles gemächlich und mit Contenance. Jeder ist arg darum bemüht, nicht zu sehr aufzufallen. Man kennt sich ja schließlich. Die Kreise waren klein. Und ehe man sich versieht, sind wieder alle nass und vergessen sich. Leipzig kam für mich immer eher so charmant unaufgeregt um die Ecke, um sich daraufhin kopfüber in das Bierfass zu stürzen und danach noch mit beeindruckender Treffsicherheit vom DJ-Pult in die Menge zu hüpfen.
Das macht es für mich aus, dass die Leute nicht mit einer extrovertierten Profilierung hausieren gehen, wie man es vielleicht eher von großstädtischen Raves kennt. Und sich dafür andererseits nicht zu ernst nehmen, wenn es darum geht, eine gute Zeit zu haben. Es wurde mitunter schon auch sehr schmerzfrei, ja.