Für immer tba.Die Geschichte der STAUB-Party, erzählt von ihren Machern

staub lead 2

Foto: Benedikt Bentler

Partyveranstalter sind jene Menschen, die im Kontext des Feierns zwar eine wichtige Rolle spielen, aber nie genau auszumachen sind. Sie stehen nicht wie DJs am Pult, wie Barkeeper hinter der Bar oder wie Türsteher vorm Club. Was sind das für Personen? Was treibt sie an? Und wie etabliert man sich in der Club-Hauptstadt Berlin, in der es mindestens so viele Partymacher wie Kuratoren gibt?

Seit vier Jahren findet jeden Monat die STAUB-Party im Berliner Club about://blank statt. Und wer tagsüber Techno will, kommt an ihr nicht vorbei, denn 130 BPM im Sonnenschein sind und waren Berlin immer weitestgehend fremd. Aber abseits der unüblichen Uhrzeit von 10-22 Uhr, mangelt es STAUB nicht an Alleinstellungsmerkmalen. Bis heute bleibt das Lineup stets unangekündigt – tba, Details vor Ort. Ohne großes Vertrauen zwischen Veranstaltern, Künstlern und Publikum ist das heute kaum noch möglich und daher auch ziemlich selten geworden. Zum vierten Geburtstag erschien die zweite Compilation zur Serie via I/Y, die Idee wird konsequent fortgeführt: vier Tracks, alle produziert von Unkown Artist. Redakteur Benedikt Bentler hat die drei Veranstalter Ines, Jan und Irakli, der gleichzeitig eine Hälfte vom Label und Künstlerduo I/Y darstellt, zum Gespräch im Backstage getroffen und sich die Geschichte von STAUB erzählen lassen.

Update, 22. Februar 2018

STAUB ist wieder ein Jahr älter. Zur üblichen Geburstagssause bringt das Kollektiv und Label auch zum fünften Jahr des Bestehens wieder ein eigenes Release, namenlos und auf I/Y, wie eh und je, Staub 003. Obendrauf gibt’s einen Podcast, bei den Kollegen von der Groove.

Kapitel 1: Sonnenallee, Ziegrastr.

Alles fing in der Ziegrastr. 15 an, einem temporären Club namens Raum, nicht zu verwechseln mit dem Raum 18, den um 2010 die Nr. 11 in gleicher Straße beherbergte. Ziemlich genau dort, wo heute wieder ein kleiner Laden namens Schrippe Hawaii dem provisorischen Clubbetrieb samt seiner Vor- und Nachteile alle Ehre macht. Ins Leben gerufen wurde Raum durch Julian Ronnefeldt, einem der Macher des Loophole in der Boddinstr. und Jan-Frederik Henschen, einem der heutigen Veranstalter der STAUB-Party im Blank. Ein halbes Jahr, von Januar bis August, lang war die 700m² große Fabriketage ein Partyspielplatz. Irakli Kiziria wurde anfangs als DJ gebucht, dann schließlich selbst zum Veranstalter.

Jan Iriakli Ines Staub

Die Macher der STAUB-Partyreihe: Jan, Irakli und Ines.

Jan: Wir haben das ganze Ding mit 8.000 Euro gestartet. Das Geld war im Prinzip nach Überweisung der Kaution und ersten Miete weg. Eigentlich waren wir nach der ersten Party schon pleite, hatten aber trotzdem noch Unmengen an Getränken und haben damit weitergemacht (lacht). Hinter diesem Objekt war eine Schrebergartensiedlung, die schon geräumt wurde für den Zubringer der neuen Stadtautobahn. Wir haben die Hütten ab- und in der Halle wieder aufgebaut. Wir haben Sachen von der Straße genutzt, aus der Bärenquell-Brauerei haben wir Glassteine rausgekloppt. In Ordnung war einzig das Soundsystem: die alte Anlage aus dem Rechenzentrum von Kirsch Audio. Die hatten wir 2nd-Hand gekauft. Die Nachbarschaft war auch schwierig: Schrauberbuden, ein türkischer Festsaal, dessen Publikum sich ziemlich mit unserem gestochen hat. Ist eben schwierig, wenn die Partycrew erstmal durch 'ne Hochzeitsgesellschaft muss, die gerade mit der Billo-Stretchlimo vorgefahren ist. Es wurde sich auch einfach nicht ordentlich gekümmert. Insofern war es nur eine Frage der Zeit, bis es wieder vorbei sein sollte.

Irakli: Der Sound war auch viel zu laut. Ständig hat sich das Estrel-Hotel beschwert, die Polizei kam ein paar Mal. Ich habe dort zum ersten Mal in der Zeit gespielt, als ich auch anfing mit Jacob als I/Y aufzulegen und zu produzieren. Als ich die Location gesehen hatte, dachte ich nur: Geil! Lass uns hier eine Party veranstalten. Das war dann erstmal eine Party mit 100 Freunden. Fünf Partys haben wir dann dort gemacht, die Visuals kamen von 29th november.

Ines: Bei der zweiten Party war ich dann da und habe mich sofort in die Atmosphäre verliebt. Es fühlte sich nach Underground an, aber trotzdem stylisch. Zur gleichen Zeit hatte ich beim Blank bereits einen Fuß in der Tür durch die Partyreihe „Contour.“

Irakli: Die Leute von „Contour“ kamen vorbei und fanden das super.

Als der provisorische Raum geschlossen wurde, war man sich schnell einig, im Blank sollte es weitergehen – die Einladung lag ja bereits vor, ermöglicht durch Ines Manseder, fortan fester Teil des Teams. Die erste Party hieß dort noch „Dust“, „In Dust Wie Trust“, war der Slogan.

Kapitel 2: Aus Afterhour wird Daytime-Party

Das Konzept sollte an die Partys im Raum anknüpfen: Kein finanzieller Stress, keine großen Namen. Die Einnahmen wurden nach Abzug der Kosten für den Club unter den DJs aufgeteilt. Aufgrund persönlicher Differenzen zwischen Gruppenrand und Blank musste dann allerdings ein neuer Name her. Kurzerhand hat man den alten eingedeutscht.

Dust 2013 Flyer

Dust, 2013.

Staub 2015 Flyer

STAUB, 2015

Irakli: Obwohl ich mit STAUB am Anfang meine Probleme hatte, wegen der Giegling Staub-Serie. Dann dachten wir aber: Es ist eine Afterhour, tagsüber und mit Freunden. Als dann die erste Platte bei uns rauskam, lag das letzte Giegling-Staub-Release fünf Jahre zurück. Wir wollten mit dem Design dann auch in eine ganz andere Richtung gehen, um Verwechslung zu vermeiden. Außerdem gab es in den 90ern ein Technolabel das Staub hieß. Von daher…
Im ersten Jahr gab es vier Partys, die haben uns nur Termine im Winter gegeben. Im Sommer wollen ja alle im Garten weitermachen – und wir waren ja noch ziemlich klein.

Ines: Aber es war die erste reine Tagesparty, die wirklich funktioniert hat. Es gibt in Berlin so viele nicht enden wollende Partys. Bei uns ist einfach Schluss.

Jan: Am Anfang waren die Veranstalter der anschließenden Partys ganz happy, zweihundert Gäste zu übernehmen. Aber mittlerweile wird kurz zugemacht. Gerade im Winter ist der Club ja quasi voll, wenn dreiviertel der Leute bleiben.

Irakli: Es gab so ein paar Entscheidungen im Laufe der Jahre. Das Blank hat zum Beispiel mal angeboten, jeden zweiten Monat 24 Stunden zu machen. Aber nein. Das Konzept soll so bleiben. Wir machen dieses Jahr zwei Specials über 22 Stunden: zum Geburtstag und dann nochmal im Sommer. Wirtschaftlich gesehen ist es natürlich sinnvoll, Tag und Nacht zu machen. Aber das sind völlig andere Dimensionen, in die wir gar nicht wollen.

Mit der Idee einer Afterhour fing es zwar an, trotzdem kommt ein Großteil der STAUB-Gäste direkt vom Frühstückstisch. Pausenlos harter Techno mit hohen Geschwindigkeiten ist kein leichter Umgang für das Gros der Durchgefeierten. So hat sich ein Publikum etabliert, das zwar anfänglich von den Gästen der vorherigen Nacht lebt, sich im Laufe des Tages aber vollständig austauscht. Die Leute erscheinen für STAUB – ganz ohne dabei auf bestimmte DJs zu setzen.

Kapitel 3: Die Mär der großen Namen

Denn treu geblieben ist die Party nicht nur der Uhrzeit, sondern auch der ausbleibenden Ankündigung eines Lineups. Am Anfang war das vor allem der Tatsache geschuldet, dass kleine Budgets eh keine großen Namen zuließen. An den Decks standen hauptsächlich Freunde und Freunde von Freunden. Das ist inzwischen zwar nicht mehr unbedingt so, trotzdem kennt das Lineup bis heute nur drei Buchstaben: tba – to be announced, aber erst vor Ort.

Ines: Uns ist nicht der DJ oder Promoter wichtiger. Jeder, der hier was zu tun hat und auch jeder Gast, trägt hier mit seinem Glücklich oder eben Unglücklichsein zur Party bei. Ich glaube für die Gäste ist der Überraschungseffekt auch etwas Schönes.

Irakli: Es gab auch wirklich gewichtige Lineups, aber beim nächsten Mal dann wieder Leute, die fast niemand kennt. Es spielen auch immer Freunde und Newcomer. Wir haben ja nach wie vor keine großen Gagen. Wenn man alles groß und offiziell macht, hat das für uns erstmal Nachteile. Da sind wir nach wie vor Underground. Es gab einige DJs, die haben selbst gefragt ob sie spielen können. Wir sprechen von Mittelklasse-DJs, die normalerweise nicht für unter 700 Euro spielen würden. Wir zahlen aber nicht so viel. Dann kommt schon mal eine Absage. Dann erklärst du denen: Schau mal, es kommen rund 500 Leute. Das kommt zirka rein, das ist die Miete, so viel müssten wir ans Finanzamt zahlen. Wir haben auf drei Floors zehn bis elf DJs. Wenn wir allen 250 Euro zahlen würden, dann steht am Ende ein Minusbetrag. Nicht selten sagt ein DJ dann nämlich doch zu. Trotzdem müssen wir uns jetzt nach jeder Party irgendwie hinsetzen und Abrechnungen machen. Sonst kommt das Finanzamt um die Ecke.

Jan: Was sich nicht gerade nach Underground anfühlt (lacht).

Irakli: Es ist immer Definitionssache. Für manche sind eben fünf Punks im Keller der Underground. Die Zeiten haben sich verändert. Vor 20 Jahren hatte keiner für so etwas einen Buchhalter.

Kapitel 4: Aus Party wird Platte

Was die Bekannheit angeht, dürfte STAUB das Label „Underground“ mittlerweile hinter sich gelassen haben. Immerhin werden unter gleichem Namen inzwischen auch Platten veröffentlicht. Die STAUB 002 erschien dieses Jahr, pünktlich zum vierten Geburtstag beim Label I/Y, das von Veranstalter Irakli zusammen mit seiner musikalischen zweiten Hälfte Jacob gemacht wird. Wer darauf vertreten ist? Unkown Artists. Das tba-Konzept wird auf Vinyl fortgesetzt, auch auf Nachbohren hin wird nichts verraten.

Irakli: Vielleicht schreiben wir die Namen in fünf Jahren bei Discogs rein (lacht). Aber ich finde es super, wenn die Leute von Namen befreit sind. Ist ein Track von Aphex Twin, finden ihn alle super. Ist er von XY, sagen die Menschen: Was ist denn das für ein Scheiß? Ich übertreibe da jetzt ein bisschen, aber Leute tendieren zu Schubladen. Bei der letzten Platte gab es zum Beispiel diesen Typen, der noch nie etwas veröffentlicht hat. Er spielt eigentlich nur als Live-Act mit Modular-Synthesizer. Der hat uns irgendwann mal einen Link geschickt. Wir kriegen so viele Links zu Sets, aber das war er von Anfang bis Ende – live. Ich fand das super, habe das den anderen geschickt und wir haben ihn eingeladen. Ich habe ihn dann gefragt, ob er nicht was rausschneiden und als Track produzieren will.
Die Künstler dürfen ihre Namen natürlich selbst kundtun, wenn sie denn möchten. Fast alle haben ihren Track gepostet, manche haben was dazu geschrieben, manche nicht. Genau so handhaben wir das auch mit dem Lineup. Die DJs selbst dürfen es in ihren Kalender schreiben, wenn sie wollen.

Ines: Namen widersprechen unserer Idee, deshalb nennen wir sie nicht. Aber wir zwingen zu nichts.

Die nächste STAUB findet übrigens morgen von 11-22 Uhr statt.

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