Plattenkritik: Bonnie 'Prince' Billy - Singer’s Grave A Sea Of TonguesEs muss nicht immer Spektakel sein
30.9.2014 • Sounds – Text: Ji-Hun KimWill Oldhams neue Platte ist eigentlich gar keine neue. Klingt verwirrend, ist es zunächst auch. Das Ergebnis ist dennoch ein schönes Präludium für einen langen Herbst
So manchmal ist es nicht leicht, sich in Köpfe von Musikern hineinzuversetzen. Der amerikanische Singer-Songwriter Bonnie „Prince“ Billy ist diesbezüglich wohl sogar ein ganz spezieller Fall. Gerade ist sein neues Album „Singer’s Grave A Sea Of Tongues“ erschienen und seit vielen Jahren ist es erstmalig eine Platte, für die Will Oldham, der bereits mit seinem Projekt Palace Brothers das amerikanische Songwriting gerettet hat, so etwas wie Promo hat machen lassen. Im vergangenen Jahr veröffentlichte er bspw. ein selbstbetiteltes Album im Eigenvertrieb, das wegen der medialen Komplettverweigerung fast untergegangen ist und noch stutziger wird man, wenn man erkennt, dass „Singer’s Grave A Sea Of Tongues“ gar kein neues Album im herkömmlichen Sinne ist.
Eigentlich ist es eine Neuaufnahme des 2011er Album „Wolfroy Goes To Town“. Bonnie „Prince“ Billy covert sich also mehr oder weniger selbst. Sind dem Großmeister die Ideen ausgegangen? Ist es ein Statement gegenüber den zahlreichen 90er-Neuauflagen-Indie-Revivals, die momentan einen so hartnäckig verfolgen wie verzweifelte Wespen im Frühherbst? Auch nach mehrmaligem Hören weiß man es nicht so recht. Neun der elf Songs gibt es hier also im neuen Gewand. Und jetzt vorwurfsvoll von einem lauwarmen Aufguss zu sprechen, wäre nicht fair. Im Vergleich zu „Wolfroy Goes To Town“ klingt das hier alles opulenter, klarer, weniger Kellerloch, im positiven Sinne mehr bonbonfarbenes Nashville früherer Hochzeiten. Will Oldhams Stimme hat noch immer eines der tollsten Timbres der Welt und statt des einsamen Eremiten meint man hier einen großen, arrivierten Americana-Star im Ohr zu haben. Ein für Will Oldhams Verhältnisse recht mainstreamiger Entwurf ist das Album geworden. Es ist vielleicht nicht seine größte Platte, aber darum geht es auch nicht mehr. Bonnie „Prince“ Billy erweitert permanent sein Repertoire, er ist angekommen in der Beletage der zeitgenössischen Songwriter. Das hört man und nun warten wir darauf, dass er Mitstreiter für eine Neuauflage der „Traveling Wilburys“ findet. Vielleicht mit Kurt Wagner und Matt Elliott? Das wäre doch mal was.
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