Plattenkritik: Cuthead - Total SelloutStones-Throw-Sound aus Dresden
10.10.2014 • Sounds – Text: Benedikt BentlerCuthead ist viel mehr MPC-Beatmaker als House-Produzent. Darüber legen die alten zwischen 2006 und 2010 veröffentlichten Stücke Zeugnis ab. Die besten befinden sich auf „Total Sellout“, erstmalig auf Vinyl und nicht nur mehr digital. Damals waren eben andere Dinge wichtig und Vinyl war eh nicht Open-Air-kompatibel.
Cuthead ist der Exot bei Uncanny Valley. Das kreative Dresdner Label besticht nicht nur durch musikalisch erstklassige Releases, sondern hat sich auch durch aufwendiges Artwork und eigene Videos (und Bastelbögen im Cover) einen Namen gemacht. Ein Haufen kreativer Multitalente. Auf der ersten Platte des Labels war Robert Arnold alias Cuthead mit feinstem House vertreten - in Gesellschaft von Thomas Fröhlich, Jacob Korn und Break SL. Ein bisschen dreckig, was immer noch Merkmal fast aller Künstler des Labels ist, aber schon damals mit unverkennbaren Jazz-Einflüssen. Ursprünglich kommt Cuthead allerdings aus dem HipHop, und dahin kehrt er immer mehr wieder zurück. Auf Uncanny Valley bringt ihm das eine musikalische Sonderrolle ein. Doch war das Verhältnis zwischen House und HipHop auf den letzten Releases noch halbwegs ausgeglichen, ist das gerade erschienene Total Sellout absolut von Letzterem dominiert: Es enthält ausschließlich alte Tracks, die zwischen 2006 und 2010 entstanden sind, als Cuthead noch als Teil der Crew Kunst:stoff Breakz Open Airs in und um Dresden organisierte.
Cuthead geht an seine HipHop-Instrumentals zunächst vor allem so heran: immer Platten hören, immer Samples suchen, auch bei Filmen wird sich bedient. So beginnt der erste Track mit „We've met before, haven't we?“ "I don't think so." Der Dialog aus David Lynch's Lost Highway, als Fred auf den Mystery Man trifft. Am Anfang des zweiten Tracks „The Poncho" wird dann gleich noch aus Für eine Handvoll Dollar zitiert. Filmische Klassiker, die ebenso klassische Beats einleiten: klare Snare, Breakbeats der alten Schule. Garniert wird der Einstieg mit dem von Pierre Giesel eingespielten Saxophon. Auch zerschnibbelte Vocals in Dilla-Manier lassen gar nicht lang auf sich warten. Die Stones-Throw-Crew muss Robert Arnold auf jeden Fall stark geprägt haben. Die Art und Weise, mit der (vor allem Jazz-)Samples und Beats aufgesetzt und verschmolzen werden, - dazu die typischen MPC-Cuts - erinnert schon stark an die Clique um Dilla, MF Doom und Madlib. Man könnte meinen, es handele sich um reines Beatmaking und strictly HipHop der alten Schule, doch das ist mitnichten der Fall. Ein Break, und wo gerade sich gerade noch Snare und HiHat abwechselten, wird plötzlich einem Wobble Platz gemacht. Oder einem typischen Dubstep-Synthie-Sound. Nur für ein paar Sekunden, ohne jeden Drift in Richtung Geschmacklosigkeit, der bekanntlich schneller passiert, als man Drop buchstabieren kann.
Mit „Rock my Soul“ nimmt die Platte sogar mal richtig Fahrt auf - mit geraden Drums, Vinylgeknister und Saxophon geradeaus in Richtung House. Der Track ist von 2010, erste Uncanny Valley-Anwandlungen, die damals auch via Kunst:stoff Breakz ihren Weg zum Release fanden. Zusammen mit „All Night Long“ gegen Ende der gut einstündigen Platte verbleibt dieser Track aber nur als kurzes Dancefloor-Intermezzo im ansonsten wohl arrangierten HipHop, der den Dubstep auch nicht mehr als anreißt („No Logic“). Was bleibt, ist vor allem eine volle Stunde jazziges MPC-Gefrickel, das dank der kurzen Aufbrecher niemals langweilig wird. Der letzte Track „Drei Chinesen mitm Kontrabass“(sic!) liefert gleich das Review-Fazit mit: „Ein Mords-Oschi von LP.“
„Total Sellout“ erscheint via Uncanny Valley auf Vinyl, CD und Kassette, wohl vor allem auf Wunsch der Fans hin, die sich ein nicht digitales Release der alten Titel gewünscht haben. MP3 war ja schön und gut für die Studenten- und Open-Air-Zeit. Doch man wird erwachsen, da möchte die heimische Plattensammlung mit den Tracks der früheren Jahre gefüllt werden. Schön, wenn so ein Wunsch erfüllt werden kann.