Video: Techno aus PapierEin beeindruckendes Zeitdokument von 1930

In den frühen 1930er-Jahren gelang dem russischen Trickfilmzeichner Nikolai Voinov etwas Außergewöhnliches: Er verwandelte exakt zugeschnittene Papierstücke in elektronische Musik, in Soundtracks zu den Filmen, an denen er arbeitete.

Wenn man sich überlegt, dass sich rudimentäre Tracks heute auf dem iPhone zusammenschustern lassen, gerät die lange Geschichte der elektronischen Musik im Allgemeinen und der technischen Entwicklungen im Besonderen immer wieder in Vergessenheit. Dabei führten erst jahrzehntelange Experimente zu dem Status Quo, von wir heute noch alle profitieren. Auf der Zeitreise in die Vergangenheit begegnen uns immer wieder die obskuresten Ideen, Prinzipien und Instrumente.

Ende der 1920er-Jahre begann Nikolai Voinov seine Karriere als Trickfilmzeichner in Moskau. Dabei arbeitete er zunächst unter anderem für Arseny Mikhailovich Avraamov, einem zeitgenössischen Komponisten, der von traditionellen Instrumenten nicht viel hielt. Dieser hatte bereits an rudimentärer Synthese geforscht – und dafür keine Oszillatoren verwendet. Vielmehr zeichnete er Formen, die von fotoelektrischen Sensoren in Klang verwandelt wurde. Voinov forschte in den 30ern weiter an diesem Prinzip – und schnitt Papier exakt zu, klebte diese Streifen an den eigentlich Film und nutze für die Übersetzung in Sound ebenfalls fotoelektrische Sensoren. Ein kurzes Film-Fragment wurde nun liebevoll in 4K restauriert. Was bedeutet, dass es nun erstmals in mehr oder weniger angemessener Qualität zu sehen ist. Packend und skurril zugleich. Für die technische Umsetzung nutze er eine eigene Entwicklung: das Nivotone. Der Legende nach wurde es während der deutschen Belagerung von Stalingrad vernichtet. Das Prinzip Zeichnung=Sound hingegen lebte weiter und wurde u.a. von der Komponisten Daphne Oram in den 50er-Jahren mit ihren Oramics verfeinert.

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