„Tom's Diner“ in der GeisterbahnWas von einer MP3 übrig bleibt
18.2.2015 • Technik & Wissen – Text: Ji-Hun KimThe Ghost in the MP3 macht das Unhörbare hörbar. Von wegen es würde nur komprimiert, was kein Mensch hört.
Die meisten von uns hören im Alltag Musik als MP3 oder anderen komprimierten Formaten. Vinyl-Boom hin oder her. Ob am Computer, mit dem Smartphone, als Stream, YouTube-Clip oder Download. Wie viele wissen, werden bei der Komprimierung einer Audiodatei (von z.B WAV auf MP3) mithilfe eines Algorithmus jene Frequenzen „herausgeschnitten“, die für das menschliche Ohr vermeintlich nicht hörbar sind. Ein ganz ähnliches Prinzip verwendet auch der Bildstandard JPG, nur eben mit Farben und Bildinformationen. Die Vorteile liegen auf der Hand. Als MP3 benötigt der Song viel weniger Speicherplatz, kann einfacher und schneller über Netzwerke geteilt werden, den Rest kennt man als den „Untergang der Musikindustrie“ Anfang dieses Jahrtausends, was sich wiederum ja auch nicht bewahrheitet hat. Anyway.
The Ghost in the MP3 ist ein Projekt von Ryan Maguire, Doktorand für Komposition und Computerwissenschaften am „Virginia Center for Computer Music“ der „University of Virginia“. Er komprimierte den Popsong „Tom's Diner“ von Suzanne Vega und machte aber nur jene Artefakte hörbar, die eigentlich herausgefiltert werden sollten. Quasi der Abfall der Musikkomprimierung. Das Gleiche gilt für das Video, hier handelt es sich um die Überreste einer MP4-Komprimierung. Die Wahl des Lieds war unterdessen nicht zufällig. Man sagt, dass im Fraunhofer Institut, dort wo seinerzeit die MP3 im Team des Forschers Karlheinz Brandenburg erfunden wurde, der Song (bzw. die Acapella-Version) als Referenztrack genutzt wurde. Tontechniker sprechen bei dem Hit aus 1987 auch von der „Mutter der MP3“.
Wie man feststellen wird, kann das menschliche Ohr sehr wohl was hören. Es klingt wie eine geisterhafte Coverversion. Man kann sowohl Songstruktur wie auch Stimme erkennen. Klingt nach Ambient, vor ein paar Jahren hätte man vielleicht noch Witch House dazu gesagt. Es stellt sich mal wieder heraus, dass Komprimierung auch immer Kompromiss bedeutet. Dass Musik hören heutzutage schwierig geworden ist, liegt nicht nur an dem Format. Audiowandler spielen hier genauso eine Rolle wie Abspielgeräte oder veränderte Ansprüche an das Mastering.
Eine ausführliche Dokumentation und Erläuterung zu der Arbeit von Ryan Maguire findet ihr bei:
The Ghost in the MP3