Quentin Tarantino und Paul Schrader begraben das Kino„What I knew as cinema is dead.“

Welcome to NY

Foto: Wild Bunch

Quo vadis, Kino? Innerhalb von nur wenigen Tagen erklären mit Quentin Tarantino und Paul Schrader gleich zwei Regie-Legenden das Format Film, wie wir es kennen, für tot. Zugleich erkunden mit Abel Ferrara und Jonathan Glazer zwei Regisseure neue Formen der Distribution.

Was ist passiert? Zuerst war es der amerikanische Regisseur und Drehbuchautor von Taxi Driver, Paul Schrader, der in einem Post auf seiner Facebook-Seite etwas deprimiert feststellte, dass die Zeit, in der Kinofilme noch etwas bedeuteten, anscheinend endgültig vorbei sei. Den Anlass für Schraders kulturpessimistische Aussage lieferte Run, Beyoncés und Jay-Zs Musikclip, der wenige Tage nach seiner Veröffentlichung via Youtube schon mehrere Millionen Klicks generiert hatte. In dem knapp vier Minuten dauernden Internetfilmchen machen die beiden Musiker zu ihren eigenen Songs mal wieder auf Bonnie und Clyde und werden dabei unter anderem von den Schauspielern Don Cheadle, Sean Penn, Blake Lively und Jake Gyllenhaal unterstützt.
Was dem cinephilen Schrader, der von sich behauptet, sein Leben lang daran geglaubt zu haben, dass Kinofilme von wirklicher Bedeutung seien, dabei übel aufstößt: Run suggeriert, ein Trailer für einen zukünftig erscheinenden Kinofilm zu sein, doch es handelt sich in Wirklichkeit nur um ein ordinäres Musikvideo und somit ein Promo-Tool für die Musikkarriere des Ehepaars Carter. Einen Kinofilm mit dem Titel Run, in dem Beyoncé und Jay-Z die Hauptrollen spielen, wird es niemals geben, was in Anbetracht der schauspielerischen Darbietung von Mr. Carter vielleicht auch ganz gut ist. Schrader stellt sich nun nicht völlig zu unrecht die Frage: Warum noch Filme machen, wenn in den schnelllebigen Zeiten des Internets ein auf Celebrities und Sensationen setzender Trailer mehr Aufmerksamkeit bekommt als jeder bedeutende Film?

Jay-Z // Part II (On the Run) ft. Beyoncé from The Wall Group on Vimeo.

Directed by Melina Matsoukas
Photography Direction by Dave Devlin and Paul Laufer
Styled by Rob & Mariel

„We have the biggest cinema theater in the world, it’s called the internet.”

Vincent Maraval, Wild Bunch

Darauf angesprochen, dass sein Film bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes als einziges Werk überhaupt als analoge 35-Milimeter-Kopie und nicht in digitaler Form gezeigt wird, redete sich der Regisseur Quentin Tarantino im Rahmen einer Pressekonferenz anlässlich des zwanzigjährigen Jubiläums von Pulp Fiction in Rage. Der Krieg sei verloren und das, was er Kino nenne, tot. Vielleicht werde sich eine spätere Generation noch mal auf den analogen Film zurückbesinnen. Doch was heutzutage in den Kinosälen stattfinde, sei aufgrund seiner Medialität bestenfalls noch gemeinschaftliches Fernsehen und daher für ihn kaum noch von Interesse.
Doch selbst diese von Tarantino so zurückgewiesene Gemeinschaftlichkeit scheint dem zeitgenössischen Film immer mehr abhanden zu kommen, wie Abel Ferraras Werk Welcome To New York mit Gérard Depardieu in der Hauptrolle als Dominique Strauss-Kahn zeigt. Diese exzessive One-Man-Show Depardieus wurde lediglich in einem, wie man hört, lieblos organisierten Market Screening in Cannes einer doch sehr begrenzten Öffentlichkeit vorgestellt, um gleichzeitig als Video-on-Demand-Angebot in Frankreich online gestellt zu werden. Im Presseheft des Films begründet Depardieu diesen Schritt damit, dass er und Ferrara den Film einer möglichst große Anzahl an Zuschauern möglichst schnell und komfortabel präsentieren wollten. Vincent Maraval von der Verleihfirma „Wild Bunch“ wird mit den Worten zitiert: „We have the biggest cinema theater in the world, it’s called the internet.”

UNDER THE SKIN

Jonathan Glazers Film Under The Skin, in dem Scarlett Johansson ein Alien verkörpert, das Kontakt zur Menschheit sucht, soll in Deutschland nicht ein ähnliches Schicksal erleiden wie Welcome To New York in Frankreich. Dafür setzen sich einige Netzpublizisten auf der Facebook-Seite Under the Skin im dt. Kino, jetzt ein. Sie versuchen, den deutschen Vertrieb Senator davon zu überzeugen, Glazers Film entgegen anderweitiger Pläne in Deutschland doch ins Kino zu bringen und ihm einen reinen Heimkinostart zu ersparen. Der bereits im Internet abrufbare Trailer und die früheren Filme des Regisseurs Sexy Beast und Birth lassen dabei durchaus darauf hoffen, dass es sich auch bei Glazers neuem Film um ein Werk handelt, dem ein Platz auf der großen Kinoleinwand gebührt.

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