Trainspotting 3Berlinale 2017: „Railway Sleepers“ oder wie das Filmfestival auch sein kann
18.2.2017 • Film – Text: Christian BlumbergSompot Chidgasornpongses erster Langfilm zeigt Beobachtungen aus thailändischen Zügen. Bei der Berlinale erwies sich Railway Sleepers als Wohltat: für (Film)Nerds wie für Schlaflose.
Es waren echte Auskenner im Publikum, einige trugen bunte Pullover mit den Emblemen internationaler Eisenbahngesellschaften. Sie kamen in die Akademie der Künste im Hansaviertel, wo sie wiederum anderen Nerds allerdings zahlenmäßig unterlegen waren. Denen nämlich, die sich spät am Abend einen Film anschauen, in welchem ein Regisseur 100 Minuten in Zugwagons herum und aus ihnen hinaus filmt.
Sompot Chidgasornpongse hat diesen Film gemacht, er heißt Railway Sleepers und ist ein sehr schöner Essay über die Gesellschaft Thailands, der sich allein über Beobachtungen in Zügen und gefilmte Fahrten ergibt. Ergeben kann sich dabei allerdings auch etwas ganz anderes, denn es gehört zum Programm eines so wenig gestalteten und handlunsgfreien Films, dass man im Kinosessel selbst zur auktorialen Instanz wird. Man kann in Railway Sleepers ein politisches Porträt entdecken oder in Gedanken eine Asienreise planen. Man kann Überlegungen über transitorische Filmaufnahmen anstellen oder über die Parallelen zwischen ratternden Zügen und ratternden Filmstreifen. Oder man zählt die ins Bild laufenden Straßenhunde an den durchfahrenen Bahnhöfen.
Dies alles ist unentschieden, da das eigene Kinosehen hier Bestandteil der Filmerfahrung wird. Chidgasornpongse leistet dabei filmische Hilfestellung. Seine oft subjektive Kamera fängt angenehm unprätentiöse Bilder ein, neben vorbeirauschenden Landschaften zeigen sie vor allem Menschen. Menschen, die in Zügen sitzen, aus dem Fenster starren, Handel treiben und immer wieder: Menschen, die im Zug schlafen.
Nun bedeutet ein Festival wie die Berlinale für ihre engagierteren Besucher auch ein über die Tage gefährlich anwachsendes Schlafdefizit. Gerade der Gattung des essayistischen Films droht mit zunehmender Festivaldauer deshalb die Gefahr unsachgemäßer Nutzung. So duplizierten sich am Hanseatenweg die Ereignisse: Schlafende im Publikum schliefen vor Schlafenden auf der Leinwand. Ein auf seltsame Weise anrührendes Bild, ermöglicht auch von der Staatsministerin für Kultur und Medien: Wie friedlich und gut die Welt doch sein kann.