Hängengeblieben 2021Unser großer Jahresrückblick

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Sheesh, Sus, Cringe, Merkel nicht mehr Kanzlerin, Delta, Omikron, Booster, 2G statt 5G, Schwurbler, Leugner, Dullies, Verweigerer – das Jahr 2021 war mal wieder für alle mühsam, ermüdend und die Aussicht und Vorfreude auf das neue Jahr ist in etwa so groß wie auf eine Parodontose-Behandlung. Optimistisch gesprochen. Daher findet Ihr auch nichts vom oben Genannten in unserem großen Jahresrückblick. Man muss auch mal über andere Dinge sprechen. Ganz frei von Pandemie und Co. ist das aber natürlich alles nicht. Zu sehr ist das neue Normal, das normale Normal geworden. Bleibt die Hoffnung, wenn das neue Normal vielleicht mal zum alten Normal wird. Wir danken euch, lieben Leserinnen und Lesern, dennoch von Herzen für eure Treue und Unterstützung, wünschen schöne Feiertage und ein erholsames Restjahr. Wir sehen uns im nächsten Jahr. Bis dahin, bleibt gesund. Eure Autorinnen und Autoren von Das Filter.

Album

Was ist ein Album und was ist keins? Die allerersten Alben der Popgeschichte waren noch Fotoalben-ähnliche Kompilationen mit mehreren Single-Schallplatten, durch die man wie durch ein Bilderalbum durchblättern konnte. Mit der 12"-Langspielplatte änderte sich das bald, und das Format des Albums, das bis heute als die künstlerische Musikproduktionsform schlechthin gilt, entwickelt sich bis heute weiter. Im Zeitalter von kurzen Aufmerksamkeitsspannen, dominierenden funktionsoktroyierenden Playlisten („Musik zum Kaffeekochen“, „Metal für Workout“ etc.) und nicht mehr vorhandenen zeitlichen Limitierungen durch Musikmedien (wie die maximale Spiellänge einer CD von 74 Minuten), spiegeln Musikalben von heute auch eine neue kreative Vielfalt wider. Jede/r macht wie es gefällt und das ist nicht per se schlecht. Alben sind heute gerne mal nur 16 Minuten lang. Andere haben wegen der Vergütungsmodelle auf Streaming-Plattformen plötzlich 38 Tracks, statt wie früher zehn bis zwölf. Adele konnte ihre Marktmacht nutzen, dass ihr Album „30“ nicht auf Spotify geshuffelt wird, um das Narrativ des Albums nicht zu zerstören. Arca brachte auf einen Rutsch gleich vier Alben auf einmal heraus. Beach House veröffentlichen ihr aktuelles, noch nicht zu Ende releastes Album „Once Twice Melody“ in vier Tranchen und referieren hierbei wieder auf die einzelnen Vinyl-Seiten eines klassischen Doppelalbums. Nur halt über einen Zeitraum von fast einem halben Jahr verteilt. Andere sprechen bei der neuen Flut von kurzen Alben wieder von einem Revival der EP. Wie man es dreht, es bleibt am Ende Musik. Oder etwa doch nicht? Es gibt auch beliebte Alben, die nur mit White Noise oder anderen Geräuschen bespielt werden, um beim Einschlafen zu helfen oder Babys ruhig zu stellen. Da gilt es in Zukunft also noch einiges auszuloten.

Ji-Hun Kim

Apple TV+

Ich bin der ohne Netflix-Abo. Das fühlt sich manchmal ganz schön komisch an, wenn ich Empfehlungen immer nur abwinke – mit eben jenem Argument. Ich war mal ein absoluter Serien-Experte, verbrachte Abend und Abend damit, das zu schauen, was ich tagsüber aus dem Netz geladen hatte. Ja, ich war so einer. BitTorrent, mon amour. Bis zur ersten – und letzten – teuren Abmahnung. Irgendwie verlor dann das Interesse an diesen Formaten, fand jedoch ab dem Herbst zurück in das sequenzielle Fernseh-Universum. Apple TV+ hatte ich nach endlosen Gratis-Perioden nie abbestellt. Und dachte dann irgendwann: Schau dir den Trash doch mal wenigstens an! Stellt sich heraus: Es ist gar kein Trash. Hier tummeln sich jede Menge gute Ideen, toll fotografiert und praktisch alle Genres abdeckend. Vom kurzweiligen Ted Lasso (ja, ich bin auch abhängig – die Serie ist das mit Abstand Beste, was diesem Format in den letzten zehn Jahren widerfahren ist), bis zum Weltuntergangs-Szenario mit offenem Ausgang von „Infiltration“. Ich mag die Idee von einem zweiten HBO. Klar, Apple kann sich das leisten. Und auch, wenn die Abo-Zahlen alles andere als vielversprechend sind: Ich hoffe, dass in Cupertino auch in den kommenden Jahren noch sehr viel Geld freigegeben wird für diese Produktionen. Einfach eine gute Alternative zu Netflix, Amazon und Co.

Thaddeus Herrmann

Bewegungsfreiheit

Hängengeblieben 2021 Ein italiennischer Intercity

Foto: Kristoffer Cornils

Monheim. Tegel. Budapest. Dresden. Hamburg. Oder einfach nur ein paar Ringbahnstationen weiter. Vor allem aber: mit der Bahn über Österreich quer durch Italien, mehr als 26 Stunden Zugfahrt, acht Stationen in nur 14 Tagen, von den Bergen runter zur See und dann mit der Fähre ausgerechnet nach Capri. Ich bin in meinem Leben viel gereist, saß als Kind schon mehrmals im Jahr im Flugzeug oder auf dem Rücksitz eines Autos, während die Autobahnschilder fremder Länder an mir vorbeizogen. Ich habe es nie als gegeben hingenommen, dass ich in diesem Teil der Welt geboren wurde und ein Dokument ausgestellt bekommen habe, das mir fast überall Tür und Tor öffnet. Aber in diesem Jahr habe ich aus offensichtlichen Gründen mehr denn je verstanden, was es heißt, reisen zu können. Eine neue Welt zu entdecken, indem ich mich von der gewohnten entferne. Was Bewegungsfreiheit eigentlich bedeutet.

Kristoffer Cornils

Chancenlos

Mario kenne ich schon lange. Bereits vor der Pandemie kreuzte er in meinem Kiez auf, verkaufte erst die Obdachlosenzeitung, dann baute er eines Tages einen kleinen Tisch auf, aus alten Brettern selbst gebaut. Seither verkauft er kleine Blumentöpfe. Einfach so. Gekauft werden die aber so gut wie nie oder nur ganz selten. Aber für Mario ist diese Aktion eine Art der Selbstbestimmung. „Ich will nicht immer nur betteln, ich will etwas tun, wofür ich Anerkennung bekomme“, sagt er. Die ersehnte Anerkennung hat er – seitdem er in Deutschland auf der Straße lebt – nämlich noch nie bekommen und auch bein Blumentopfverkauf eher Kopfschütteln geerntet: von denen, die fast alles haben.

Wenn ich Mario treffe, reden wir immer eine Weile: Über sein Leben auf der Straße, die ständige Bettelei, die Unsicherheit, die Ignoranz derer, die an seinen Blumentöpfen einfach vorbei laufen. Die kleinen Töpfe bekommt er von einem Blumenhändler, „der es gut mit mir meint“, sagt er. Und dann schimpft: „Wir Obdachlosen werden halt so mitgeschleppt“. Er erzählt, dass er vor zehn Jahren aus Serbien nach Deutschland kam, in der Hoffnung, hier eine gute Arbeit zu finden und sene Familie in der Heimat unterstützen zu können. „Meine Träume und Hoffnungen sind kaputt gegangen“, sagt er mit Tränen in den Augen. Aber zurückgehen? Auf keinen Fall, das will er nicht. Mario, der in Wirklichkeit anders heißt, spricht die deutsche Sprache eigentlich recht gut. Sein Problem? Er ist krank. „Ich müsste dringend operiert werden, meine Knie sind total kaputt. Aber ich habe keine Krankenversicherung“, erzählt er. Ich informiere ihn über Arztpraxen, die auch Menschen ohne Papiere und Versicherungen behandeln.

Er weiß das alles. „Aber ich will nicht ständig von guten Ratschlägen abhängig sein. Ich habe, als ich nach Deutschland kam, erwartet, dass man mich hier akzeptiert, mir tatsächlich hilft, eine Arbeit zu finden, Geld zu verdienen und nicht nur eine Suppe in der Wärmestube anbietet“. Stattdessen, findet der 36-Jährige, „werden Obdachlose und Arme in dieser Gesellschaft eher wie kleine unmündige Kinder behandelt, denen gesagt wird was sie tun und lassen sollen.“

Ich denke, dass er recht hat: Es gibt zwar – in Berlin zumindest – viele Anlaufstellen und Hilfsprojekte für Menschen wie Mario. Aber sie werden dort nur verwaltet. Also nicht gefragt, was sie sich eigentlich vorstellen, welche Hilfe sie wirklich brauchen und auch wollen. Das heißt: Menschen, die alles haben, bestimmen über die, die nichts haben. Fragt man Sozialarbeiterinnen nach diesem Hilfeprinzip, finden sie das sogar in Ordnung. Die meisten jedenfalls. „Seit vielen vielen Jahren gilt diese Art von Sozialarbeit in Deutschland“. Sagt einer, den ich schon lange kenne. Dazu kommt: Immer noch sind die Obdachlosen in vielen Teilen der Gesellschaft die „Penner“, die Schuld sind an ihrem elenden Leben, die nur betteln und saufen, statt zu arbeiten. Auch Mario kennt diese Sprüche. Und er sagt, das sei Rassismus. Ich gebe ihm recht. Aber dann winkt er ab und lächelt sogar: „Ich lebe und komme zurecht, wenigstens so einigermaßen.“ Er packt seine kleinen Blumentöpfe in eine Kiste und verabschiedet sich. „Machs gut, bis bald mal“.

Monika Herrmann

Hängengeblieben2021-Clubhouse

Foto: Alpha Exploration Co. / Clubhouse

Clubhouse

Hallo?

Hallo?

HA-LLO?

Jan-Peter Wulf

DJs

Hängenbeglieben 2021 DJ Werbung in der Berliner U-Bahn

Foto: Thaddeus Herrmann

Alles falsch verstanden und doch unbewusst ins Schwarze.

Thaddeus Herrmann

Dreimal Schuss/Gegenschuss

Es ist wohl der konventionellste Code der Filmsprache überhaupt: Auf Schuss folgt Gegenschuss, auf den Blick das Angeblickte, auf Subjekt das Objekt. Und doch kann in einem einzigen Blickwechsel von A und B der ganze Film in einem Augenblick zusammenziehen, von Angesicht zu Angesicht. Im Kinojahr 2021 habe ich drei solche Momente erlebt, die wohl nicht zufällig alle am Ende der Filme stehen und die Erzählung in einer Emotion verdichten. In Mia Hansen-Loves „Bergman Island“ ist es der letzte Blick von Vicky Krieps auf Tim Roth, die Versöhnung nach den krisenhaften Szenen einer Ehe, im Leben und im Film im Film, den Vicky Krieps dreht. Übrigens enthält „Bergman Island“ eines der elegantesten Übergänge von einem imaginierten in einen realen Film, die ich je im Kino gesehen habe. In
Ridley Scotts „The Last Duel“ ist es der letzte Blick von Jodie Comer auf ihr Kind, der entgegen dem Kleinfamilienkitsch Hollywoods den ganzen Schmerz aufruft, der ihr im Frankreich des 14. Jahrhunderts von den debilen statt edlen Rittern Matt Damon und Adam Driver angetan wurde. Der letzte Blick ist der von James Bond in den kometenhellen Raketenhimmel, der ihn auslöschen wird. „No Time to Die“ ist die meiste Zeit ein völlig belangloser Streifen, aber das Ende ist wirklich groß: Daniel Craig, wie ein griechischer Gott zur Statue erstarrt, eine anachronistische Apotheose, nicht mehr von dieser Welt. Was bleibt, ist die melodramatische Erinnerung seines Namens durch die Frau, die ihn geliebt hat: „His name was Bond, James Bond.“

Sulgi Lie

Hängengeblieben 2021 Eisbär in Berlin Mitte

Foto: Thaddeus Herrmann

Eisbär

Ich liebe Bären über alles. Niemand kann mir erzählen, dass die irgendwie aggro sind. Und wenn dann ein übergroßer Eisbär auf der Brücke ums Eck steht, feiere ich das hart.

Thaddeus Herrmann

Fahrradkette

Hätte, hätte. Der Kreis der Verantwortlichen im Juli ernst oder überhaupt zur Kenntnis genommen, was das RKI für den Winter angekündigt hat. Man früher erkannt, die Impfquote reicht nicht. Sich die letzte Friedenspartei im Bundestag kurz vor der Wahl nicht taktisch und personell selbst geschadet. Die Spitzenkandidatin der Grünen nicht geglaubt, auch ein Buch schreiben zu müssen. Aber auch Laschet nicht gelacht … 2021 ist für mich in politischer Hinsicht das Jahr des Hashtags #wouldhavewouldhavebicyclechain

Jan-Peter Wulf

Gabby Petito

Es war der 11. September 2021, ein emotional vorbelastetes Datum, als die 22-jährige Gabby Petito von ihrer Mutter als vermisst gemeldet wurde. Gemeinsam mit ihrem Freund, Brian Laundrie, mit dem sie im Haus seiner Eltern in Florida wohnte, hatte sie sich auf einen mehrmonatigen Roadtrip in ihrem dafür umgebauten weißen Van durch die Nationalparks der USA begeben. Brian kehrte bereits am 1. September zurück – ohne Gabby, dafür aber mit ihrem Van. Beide hatten sich am 2. Juni vom Haus ihrer Eltern in New York auf den Weg nach Kansas gemacht, das sie sich als erstes szenisch beeindruckende Ziel ausgesucht hatten, welches auf Instagram und auf ihrem YouTube-Kanal festgehalten – nein: inszeniert – wurde. Die Liste der atemberaubenden Orte ist lang: Colorado Springs, Great Sand Dunes, Zion, Bryce Canyon, Canyonlands, Mystic Hot Springs und Monarch in Moda, wo Gabby am 25. August das letzte Foto von sich postete. Nur fünf Tage später erhielt Gabbys Mutter eine SMS: „Kein Service in Yosemite“, von der sie glaubte, dass sie nicht von Gabby stammte. Das Paar hatte geplant, den Yellowstone- Nationalpark in Wyoming zu besuchen, was später zur Annahme führte, dass jemand die SMS von ihrem Handy geschrieben hatte, um Zeit zu gewinnen, und dabei die Parks verwechselt hatte.

Im August 2021 galten in den USA 20.559 Menschen als vermisst. Warum also erregte gerade dieser Fall soviel Aufsehen? True Crime, Covid-Lagerkoller und Plot-Twists an allen Ecken und Enden, am wichtigsten jedoch das Schlagwort aus den Sozialwissenschaften: Missing-White-Woman-Syndrom, also den medialen Fokus auf hübsche, weiße Frauen, die überdurchschnittlich viel Berichterstattung erfahren. Noch brisanter wurde der Fall, als Brian sich nach Rückkehr einen Anwalt suchte, anstatt sich zu Gabbys Verbleiben zu äußern und dann kurzerhand mit der ganzen Familie zum Campingtrip aufmachte. Zwar kehrten alle zurück, doch machte sich Brian am 14. September nochmals zum Wandern auf und wurde kurze Zeit später ebenfalls von seinen Eltern als vermisst gemeldet. Da er nur eine „Person of interest“ war, konnte er sich nach wie vor frei bewegen. Fünf Tage später wurde Gabbys Leiche vom FBI nahe eines Campingplatzes in Teton County, Wyoming, gefunden. Die Obduktion ergab, dass sie getötet wurde: wie der Coroner aus Teton County später mitteilte durch Strangulation.

Schnell wurde der Fall von Internet-Hobbydetektiven aufgegriffen: Sichtungen ihres Autos oder der öffentlichen Streitereien, die das Bild, welches sie auf Social Media verkörperten, zu verzerren begann. So hatte ein Mann gesehen, wie Brian Gabby ins Gesicht geschlagen haben soll und daraufhin die Polizei gerufen. Videos von Bodycams zeigen die Polizeikontrolle, bei der es den Anschein machte, als hätte sie Brian geschlagen. In einer späteren Version gibt sie jedoch zu, dass Brian ihr Gesicht gepackt habe. Brian, der auf dem Rückweg nach Florida am 1. September Gabbys Bankkarte benutzt hatte, wurde offiziell für Bankbetrug angeklagt und nun dort gesucht, wo er laut seiner Eltern wandern gegangen war: Carlton Reserve in Florida. Wochenlang durchkämmte das FBI das Reservat und blieb erfolglos. Als es schließlich Ende Oktober wieder für die Öffentlichkeit geöffnet wurde, bot seine Familie Hilfe bei der Suche an und fand seinen Rucksack und leibliche Überreste in einem zuvor überschwemmten Gebiet nahe dem Eingang. Aufgrund von Wasser und Hitze war die Verwesung bereits weit vorangeschritten. Brian, so stellte ein Anthropologe fest, hatte sich bereits kurz nach seinem Verschwinden mit einem Kopfschuss selbst getötet. Die Verschwörungstheorien um den ungewöhnlichen Fall sind denkbar abgefahren, doch konnte der Fall eine Debatte über häusliche Gewalt anstoßen und andere Vermisstenfälle aufklären – und dabei das Missing-White-Woman-Syndrom etwas aufbrechen. Gabbys Familie hat zudem eine Initiative gestartet, die Hilfsmittel zur Suche vermisster Personen bereitstellt.

Julia Kausch

Hard Kombucha

Kombucha machen ist ja in, und angeblich ist Hard Seltzer ja der neue In-Drink. Seltsam nur, dass dieses Wasser mit bisschen Geschmack und Alkohol überall in den Regalen steht wie Blei. Ob es daran liegt, dass es oft eher scheiße schmeckt? Und das alte Europa noch nie so auf Lightprodukte abgegangen ist wie die USA, wo es tatsächlich verkauft wird? Oder die Kund*innen gar nicht verstehen, was da vor ihnen steht? Wir empfehlen: Hard Kombucha, also Kombucha mit Prozenten. Den kann man sogar selbst herstellen im Gegensatz zu Hard Seltzer, indem z.B. Champagnerhefe für die zweite Gärung verwendet wird. Schmeckt echt viel besser.

Jan-Peter Wulf

Gorillas

Sklaven-Lieferdienste wie Gorillas sind die neue Speerspitze der Start-up-Ausbeutung. Bekanntestes Beispiel ist Gorillas, die nicht nur in Lockdown-Zeiten suggerieren, in einer Großstadt wie Berlin zu feudal sein zu dürfen, um eine einzelne Chipstüte liefern zu lassen, obwohl es Spätis und Supermärkte im Umkreis zuhauf gibt – wenn man denn seinen Arsch hochkriegte. Und sich dann wundern, dass der Einzelhandel überall schließt. In dem Lager am Lausitzer Platz in einer ehemaligen Sparkassenfiliale ging es dieses Jahr ziemlich rund. Erst wurde der Laden von den Mitarbeitenden bestreikt, Zoff mit den Anrainern gab es ebenfalls. Ein Transparent mit „Norillas“ prangte aus einem Fenster über dem Eingang. Und nun ist der Laden auch schon wieder zu. Der Grund: Bettwanzen im Lebensmittellager. Das Gesundheitsamt schob den Riegel vor. Was für eine Ironie für das Image der cleanen, leanen Plattformökonomie. Igitt.

Ji-Hun Kim

Hausmusik

Unser musikalisches Highlight waren dieses Jahr keine Konzerte, Festivals oder Club-Wochenenden. Es waren Hausmusikabende. Nein, ich habe mich nicht verschrieben. Ich mein keine House-Musik, der ich ja seit vielen Jahren durchaus leidenschaftlich fröne, sondern Liederabende daheim im kleinen Kreis mit Klavier, Gitarre und Gesang. Hauptsächlich haben wir Songs gecovert, nichts war uns dabei zu peinlich. Weezer, Oasis, Queen, Rio Reiser, Radiohead, Elton John und George Michael, aber auch Christina Aguilera und Backstreet Boys waren dabei. Selbst zu singen kann viel Spaß machen, schenkt Seelenfrieden und selbst dabei Instrumente zu spielen fühlt sich nochmal eine Spur schöner und wahrhaftiger an, als auf YouTube Karaoke-Backingtracks zu diggen. Dass erst eine Pandemie kommen muss, um diese rudimentärste Form der Musik wieder zu entdecken, ohne groß auf digitale Technik, Streaming und Internet zu setzen – ein großer mentaler Gewinn. Gut, die Akkorde und Texte haben wir natürlich gegoogelt. Aber das sei uns verziehen.

Ji-Hun Kim

Home Office

Was man nicht alles so für kreative, aber auch kompliziert gelagerte Geschichten aus dem Bekannten- und Freundeskreis hört, wenn es um das Arbeiten von zu Hause aus geht: Installation eines Minibüros mit zwei Bildschirmen unter der Treppe, Radiobeiträge unter der Bettdecke einsprechen (fast perfekter Studiosound!) oder auch in der Abstellkammer, im Bett an Videogesprächen teilnehmen (Hauptsache die Bettdecke raschelt nicht). Alles in allem schleichende Übergänge zwischen Arbeits-, Betreuungs- und Freizeitmodus, die für viele zur Zerreißprobe wurden. Je nach Timbre lässt sich bei Calls perfekt vortäuschen, dass man gerade konzentriert auf die Präsentation starrt und nicht wirklich die Socken zusammenlegt oder in den Kochtöpfen rührt (Hauptsache das Mikro ist off, Bildschirm sowieso) – kabellosem Headset sei Dank. Arbeitende als Allroundmaschine, ohne Schicht und Feierabend. Übrigens: Das Home Office ist das Innenministerium in Großbritannien, dieses verdammte Denglisch!

Matti Hummelsiep

Hüte

Ich hörte kürzlich eine Folge des „Electronically Yours“-Podcasts von Martyn Ware (The Human League, Heaven 17). Dieser Podcast ist eigentlich fantastisch, spricht der Held doch mit anderen Held*innen der elektronischen Musik. Leider findet er sich selbst dabei oft einfach zu cool und vergisst, dass solche Hörstücke ja auch gut klingen sollten. Egal. Die Episode mit Ivan Doroschuk (Men Without Hats) erinnerte mich an früher. Was habe ich diese Band und ihre zwei Alben „Rhythm Of Youth“ und „Folk Of The 80’s (Part III)“ damals geliebt. Tue ich noch heute. Ich erinnere mich, wie unsere Klasse in den 80ern zu einem Schüleraustausch nach Lyon fuhr. Mit dem Nachtzug gen Schweiz und dann tagsüber weiter in Richtung Rhône-Tal. Die Schweizer Landschaft am Tag aus dem Zugfenster … wir alle hörten die Band im Walkman. „The Safety Dance“ kann ich heute nicht mehr ertragen, das ist vielleicht keine Überraschung. Die anderen Tracks? Still Killer. Mehr hören. Jeden Tag. Die unprätentiöse Energie der Band hatte ich fast vergessen.

Thaddeus Herrmann

ICC

Was für ein Comeback dieses Jahr: Gefühlt ganz Berlin strömte in die Ausstellung „The Sun Machine Is Coming Down” im stillgelegten Internationalen Congress Centrum (ICC). Das vielfältige Programm der Berliner Festspiele dort war beeindruckend und sehenswert, aber das eigentliche Highlight war vermutlich für die meisten, die spektakuläre Architektur von Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte zu erkunden. Verglichen mit anderen großen Bauprojekten wie dem Humboldt-Forum zeigt das ICC innen wie außen tatsächlich visionäre Gestaltung, unfassbare Detailverliebtheit (von den Treppengeländern bis zur jeden einzelnen Telefunken-Lampe in den Sälen) und gleichzeitig liebevolle Verspieltheit (der gepunktete Teppichboden oder die Zigaretten-Ascher an den Damentoiletten-Spiegeln).
Die Zukunft des Hauses bleibt ungewiss, der Betrieb ist eigentlich zu teuer und der eigentliche Nutzen des Baus – Kongresse – wird nun vom sehr viel variableren City Cube erfüllt. Doch die sehr erfolgreiche Ausstellung stellt völlig zurecht die Frage, wie mit dem imposanten (und mittlerweile denkmalgeschützten) Bau künftig verfahren werden soll.

Susann Massute

Longlisten

Es gibt Longread, und es gibt Longlisten. Also nicht lange Listen, die gibt es auch, doch hier sind lange journalistische Hörstücke gemeint. Ich kriege kaum genug davon, ich habe dieses „wir haben noch eine Minute, bitte um eine kurze Antwort“ im Radio immer schon als unangenehm, irgendwie aufscheuchend empfunden. Podcasts sind in dem Sinne das im Verhältnis zum Radio, was z.B. Blogs im Gegensatz zur Zeitung sind – Räume weit und frei machende Formate. Ob Jung & Naiv, Die Neuen Zwanziger oder Einmischen – solche Formate jenseits der sechzig Minuten finde ich großartig, weil sie dem zu Sagenden den Platz für seine Differenzierung geben. Selbst zwischenzeitliche Längen sind ein Erlebnis, die kennt man ja gar nicht aus dem Radio.

Jan-Peter Wulf

Machtverfall

Das interessanteste deutschsprachige politische Buch des Jahres, finde ich. Robin Alexander, ein eher konservativer Journalist, den man für seine klare Sprache, Floskellosigkeit und gut nachvollziehbare Einordnung schätzt, schreibt über den Wechsel von Merkel über Kramp-Karrenbauer zu Laschet, über Treffen an Tankstellen, nachts bei Schäuble und verkorkste Impfstoff-Lieferungen. Alexander schreibt so, als habe er überall dabei gesessen, als in den Hinterzimmern Entscheidungen fielen, tat er aber natürlich nicht. Er sagte mal, er sitze im Lüftungsschacht, tatsächlich verfügt er über sehr gute Kontakte. Was dieses Buch sehr dicht dran erscheinen lässt, ohne die Distanz zu verlieren.

Jan-Peter Wulf

Nanni Moretti

Eines Morgens lag ich viel zu früh wach und schaute mir einen Film an, den ich mochte, aber auch nicht unbedingt herausragend fand. Als der Abspann anlief, ertönte Arvo Pärts „Miserere“, und ich fing an zu heulen wie ein Schlosshund. Einfach so. Pärts Musik ist in vielen der späteren Filme Nanni Morettis ständig zu hören, und das ist nicht das einzige, was sie ausmacht. Was genau das allerdings ist, das habe ich für mich selbst genauso wenig herausgefunden, wie den Grund für meine frühmorgendliche Rührung an diesem Tag. Ich weiß nur, dass ich in diesem Jahr sehr gerne und sehr tief in diesen neurotische Kopf und der allzu menschlichen Welt darum eingetaucht bin. Die Faust geballt habe, als Moretti in Santiago, Italia nicht mehr an sich halten kann und „NON SONO IMPARZIALE“ schreit, als ihm genau das vorgeworfen wird. Den Fahrtwind gespürt habe, wenn Moretti mit der Vespa in Caro Diario durch römische Vorstädte gebraust ist. Mich an die eigene geleistete Trauerarbeit erinnert habe, als ich ihn in Caos Calmo auf einer Bank vor einer Schule herumsitzen sah und eine Ahnung davon hatte, wie und warum das wohl sein muss. Morettis Filme wirkten insbesondere in diesem Jahr wie ein Versprechen, das im Minutentakt erneuert wurde: Irgendwie lohnt es sich doch, dieses Leben – so schwer es auch ist. Das ist, glaube ich, das Beste, was ich von Kunst im Allgemeinen sagen kann.

Kristoffer Cornils

Hängengeblieben 2021 Only Fans Logo

OnlyFans

Als mit Beginn der Pandemie viele Stellen gestrichen wurden und sich die Leute in ihren Häusern sitzend das Sauerteigbrot aus dem eigenen Ofen perfektionierten, fünf Sprachen lernten oder dank YouTube-Homeworkouts von überdrehten Trainer*innen fit blieben, fand auch der 2016 gegründete Onlinedienst OnlyFans seinen Aufschwung. Die Plattform bringt “creator and fans” auf „revolutonäre“ Weise zusammen und Nutzer*inneninklusion großschreibt. Konkret bietet OnlyFans eine Plattform, über welche Follower Creator direkt für ihren Content bezahlen können. Wieviel und wie häufig wird von den Urheber*innen entschieden, denen OnlyFans schlappe 80 % des Gewinns auszahlt: Als bezahlte Posts, mit Abos oder direkt als Tip während der Livesession, in den metaphorischen G-String gesteckt. Zu sagen, dass OnlyFans nicht nur pornografischen Content bietet, würde der in den 90er Jahren ironisch postulierte Aussage ähneln, man kaufe den Playboy nur wegen der journalistisch hochwertigen Artikel. Dabei hat OnlyFans nicht nur Sex Work als sonst eher körpernahe Arbeit ins 21. Jahrhundert geholt, sondern sich für unzählige Menschen als einzige Option erwiesen, sich während der Pandemie über Wasser zu halten. Und für andere eine interaktivere Art und Weise geschaffen, expliziten Content zu konsumieren. Der Aufschrei war also denkbar groß und die Meme-Flut kaum aufzuhalten, als OnlyFans Ende August verkündete, dass pornografischer Content verbannt werden würde, also der Content, der die rund 150.000.000 Nutzer*innen erst ins virtuelle Haus geholt haben dürfte. Die Entscheidung wurde vom Unternehmen als Schritt in eine nachhaltige Zukunft erklärt. Hintergrund war in Wirklichkeit die aktualisierten Richtlinien der Kreditkartenunternehmen wie Visa und MasterCard in Bezug auf pornografischen Content, was die Nutzung auf Seiten wie PornHub und OnlyFans erschwerte. Pandemie ohne Pornos? Schnell hat auch OnlyFans eingesehen, dass das zu grausam wäre und nahm die angekündigte Änderung zurück. Mit der Sperrung hätte OnlyFans nicht nur Millionen von Nutzer*innen die Lebensgrundlage entzogen, dem Unternehmen hätte wohl das gleiche Schicksal gedroht, wie Tumblr nach Abschaffung von pornografischem Content auf der Seit. Wir sagen danke, dass Omikron nicht ohne OnlyFans durchlebt werden muss!

Julia Kausch

oskar

Oskar

Ich weiß nicht, wie viele Sichtkontakte ich mit dieser Hund-vermisst-Anzeige hatte, bis ich ihr dann wirklich mal Aufmerksamkeit geschenkt habe. Es hat jedenfalls lange gedauert, nämlich bis mir gewahr wurde, wie hartnäckig/liebevoll die Besitzer dieses putzigen Jack-Russell-Terriers sind, dass sie in gefühlt der ganzen Stadt die Plakate aufgehängt haben. Zwischenzeitlich soll das Tier mehrfach gesichtet worden sein, was der Familie (deren Vater ich flüchtig kenne, wie ich erst aus der Zeitung erfuhr) wohl neuen Mut gegeben hat. Ich hoffe, es geht gut aus. Vor einigen Jahren habe ich jemanden am Tag, nachdem sein Hund gestohlen worden war, interviewt. Rund ein Jahr später hat er ihn wiederbekommen, nach einer Suche in halb Europa.

Jan-Peter Wulf

PS5 HG2021

PS5

Es ist wie ein kneipenphilosophisches Rätsel. Gibt es ein Ding, das es eigentlich nicht gibt? Die PS5 ist so ein Rätsel. Eigentlich seit über einem Jahr erhältlich, erscheint die Konsole mittlerweile wie ein Treppenwitz – oder Bielefeld. Gibt’s ja gar nicht oder etwa doch? Ich habe sämtliche Bemühungen, early adopter zu sein, wie viele andere auch ins Grab gelegt. Dabei treibt die globale Suche nach dem Device abstruse Blüten. Wie gefakte Game-Stop-Seiten, die mir Facebook-Algorithmen hochspülen, bei denen die PS5 kurz vor Weihnachten plötzlich doch erhältlich sein soll, wo indes nur Menschen geprellt werden. Das ist schon hochgradig kriminell. Da sind leere Kartons auf Ebay schon fast witzig, die für rund 1000 Euro verkauft werden. Der weltweite Chipmangel und Engpässe in Lieferketten zeigen, wie fragil die Weltwirtschaft funktioniert. Dass Sony irgendwie aus der Nummer trotzdem rauskommt, ohne völlig das Gesicht zu verlieren, verwundert dann trotzdem. Gibt ja auch andere Dinge zu tun, vielleicht bin ich auch mittlerweile zu alt für solche „Warten auf Godot“-Spielchen, fürs Spielen selbst fühle ich mich allerdings nie zu alt.

Ji-Hun Kim

QR HG2021

QR Codes

Hätte mir vor paar Jahren jemand gesagt, dass QR-Codes ein großes Revival feiern würden, hätte ich wohl entgegnet: Ja, geh mal weiter AOL-Aktien kaufen. Heute ist mein QR-Code in Form des digitalen Impfzertifikats wichtiger als eine Gästeliste im Berghain. Check-In hier, Papiere scannen dort, Login bei der Bank. QR-Codes erweisen sich als offenbar praktisch, wenn man keine großen Marketing-Ideen dahinter vermutet. Die schwarz-weißen Pixel sind mittlerweile sogar ein beliebtes Tattoo-Motiv. Scan-Codes sind das neue Arschgeweih. Das ist popkulturell in der Tat ziemlich stabil.

Ji-Hun Kim

Raus

Hängengeblieben 2021 Charite Campus Berlin Steglitz

Foto: Thaddeus Herrmann

Im Sommer verbrachte ich zwei wunderbare Sonntage mit dem Kollegen Christian Blumberg. Ich hoffe, ich verrate nicht zuviel, wenn ich hier erzähle, dass er ein ausgewiesener Experte für ungewöhnliche Ausflüge ist: einfach zu irgendeiner Endstation fahren und dann loslaufen. So trafen wir uns mal in Berlin-Rudow, mal im Brandenburgischen Teltow, um die Peripherie zu erkunden. Ganz so, wie er es musikalisch in seiner Kolumne tut. Berliner*innen – das muss hier gesagt werden – sind tendenziell eher faul und empfinden einen Kiez-Wechsel fast schon als Weltreise. Als gebürtiger Berliner kenne ich mich mit diesem Phänomen ganz gut aus, auch wenn ich schon auf der Fahrt mit der U7 gen Rudow sofort an meine Teenager-Jahre denken musste, daran, wie wir uns „hier draußen“ am Wochenende oft und ausschweifend auf Partys rumgetrieben und die lange Heimfahrt nicht gescheut hatten.

Am Bahnhof Rudow gibt es eine Döner-Bude und sonst ... nichts. Dabei ist die Nachbarschaft heute eigentlich zentraler denn je: nahe dran am Katastrophen-Flughafen BER. Und genau in diese Richtung machten wir uns auf. Durch ein Wohngebiet mit unfassbaren architektonischen Einfamilienhäuser-No-Gos entlang einer schlecht gepflasterten Straße, die die Gartenzwerge wahrscheinlich jede Nacht vollpinkeln. „Idyll“ auf fünf eingezäunten Quadratmetern. Schon bald erreichten wir die Stadtgrenze. Wo früher die Mauer war, breitet sich heute der Blick auf Brandenburg. Ein wunderbarer Tag – mit Picknick auf einem ehemaligen Müllberg und klarer Sicht auf die Landebahn des Flughafens – und auf die alten Neubauviertel Westberlins.

Und in Teltow? Wanderten wir den Mauerweg entlang, zurück nach Berlin. Eine tolle Strecke, auf der ich endlich das Gebäude entdeckte, nachdem ich schon so lange geforscht hatte: eine alte Forschungseinrichtung der FU, längst außer Betrieb und ordentlich verfallen, das der sympathische Producer Youandewan mal zum Cover seiner LP erkoren hatte. Wir nahmen einen Drink in Downtown Steglitz und fuhren nach Hause. Ich danke Christian sehr dafür, dass er mir diese Ecken meiner Stadt gezeigt hat.

Thaddeus Herrmann

Science Fiction

SciFi HG 2021

2021 bescherte zwei großen Klassikern der Science Fiction (erneute) Präsenz auf großen Leinwänden und heimischen Bildschirmen. Isaac Asimovs Reihe „Foundation” begann 1942 und beeinflusste wesentlich Frank Herberts „Dune” (1965). Ich habe beide Reihen nicht gelesen, so viel vorweg – aber gern im Kino bzw. auf AppleTV angeschaut. Ästhetisch sind Film und Serie eh ein Genuss und erzählerisch ist es spannend, Jahrtausende umfassende Epen ins bewegte Bild zu pressen. In sehr unterschiedlicher Art und Weise behandeln „Dune” und „Foundation” philosophische Überlegungen über den Untergang der Zivilisation und den gesellschaftlichen Umgang mit Technologie und Religion.

Hätte man den beiden Autoren, Asimov und Herbert, Mitte des letzten Jahrhunderts gesteckt, dass ihre Werke 2021 (in der damals noch vielversprechenden Zukunft des neuen Jahrtausends) so relevant sein würden, sie hätten es vermutlich kaum glauben können. Denn Science Fiction war in den letzten Jahren zumindest in der Mainstream-Popkultur seltener präsent und Zukunftserzählungen waren kaum verheißungsvoll, sondern eher dystopisch.

Einen großen, zeitgenössischen Autor gibt es übrigens noch, dessen Werk nun auch für die Streaming-Dienste aufbereitet wird: Die Trisolaris-Reihe des chinesischen Schriftstellers Cixin Liu wird derzeit für Netflix verfilmt, ebenso ein Jahrhunderte umfassendes Epos. Die Wartezeit bis zu diesem Erscheinen kann man sich übrigens mit dem diesjährig gestarteten Cixin Liu-Graphic-Novel-Projekt aus dem Splitter Verlag vertreiben. Im ersten von 16 Bänden illustriert Stefano Raffaele Lius Kurzgeschichte „Die wandernde Erde” – auch wieder so eine dystopische Erzählung über den Weltenuntergang, aber erzählerisch passt das eben gut ins Jahr 2021.

Susann Massute

Seinfeld

Wer sich in Corona-Zeiten im Kinosaal neben seinen Popcorn futternden, Jumbo-Cola trinkenden Mitmenschen unwohl fühlt, dem bleibt nur die Möglichkeit, daheim auf dem Sofa mit Netflix, Disney und Amazon zu chillen. Wenn die Streaming-Giganten ausgerechnet in dieser Situation dann aber nur wenig wirklich Überzeugendes zustande bringen, steht man plötzlich vor dem Nichts. Doch gegen Ende des Jahres wendete sich das Blatt. Im Oktober brachte Netflix nämlich alle 180 Folgen der legendären „show about nothing“ der 90er-Jahre-Sitcom Seinfeld in UHD auf den heimischen Bildschirm. Zwar fielen einige Gags dem neuen 16:9-Format zum Opfer, für mich bedeutete die Sendung, von der ich vorher nur wenige Folgen kannte, jedoch über mehrere Wochen eine willkommene Abwechslung vom trostlosen Pandemie-Trott. Auch wenn im Jahr 2021 eine Show über vier infantile Weiße nur noch wenig zeitgemäß erscheint, so ist Seinfeld dennoch erstaunlich gut gealtert. Dies liegt an der vermutlich vor allem auf Head-Writer Larry David zurückzuführenden, ständigen Hinterfragung der Charaktere – vor allem natürlich seines Alter-Egos George Constanza (Jason Alexander). Gepaart mit vielen formalen Experimenten und der häufig schonungslosen Offenlegung des Antisemitismus innerhalb der US-amerikanischen Gesellschaft übertrifft Seinfeld aufgrund des brillanten Castings und der Spielfreude des Ensembles teilweise sogar Larry Davids geniales Folgeprojekt Curb your Enthusiasm – und ließ mich trotz Pandemie-Überdruss immer wieder lachend in den Schlaf fallen.

Tim Schenkl

Sich ehrlich machen

Hat man diese Floskel vor dem Wahlkampf 2021 auch schon genutzt? Mir ist sie zuvor zum Glück bis dahin nicht untergekommen und ich hoffe, sie verschwindet ganz schnell wieder auf dem Müllhaufen der Sprachgeschichte. Mehr dazu unter #Sprache.

Jan-Peter Wulf

Sprache

Als Journalist, Autor, Copywriter und Lektor ist Sprache meine Party. Und ich bin seit geraumer Zeit mit einigen Aspekten davon nicht mehr zufrieden. Es begann mit einem wording-shift im englischsprachigen Musikjournalismus. Ich mach das ja schon das eine oder andere Jahr. Und habe gelernt, dass es das Beste ist, einen eigenen Duktus zu finden, Dinge so zu erklären und zu beschreiben, wie es zu mir passt: ganz persönlich, ohne Angst vor Intimität, der Preisgabe persönlicher Details oder querer Metaphern. Im anglo-amerikanischen Musikjournalismus gilt das heute nichts mehr. Plötzlich sind alle Musiker*innen auf einer „journey“. Wohin? Keine Ahnung. Die ja doch recht ereignislose elektronische (Tanz-)musik hat sich mit einer neuen Art des vollkommen überflüssigen Storytellings merkwürdig und unangemessen hochstilisiert. Dabei machen doch alle nur Tunes, oder etwa nicht? Did I miss a meeting? Plötzlich, nein: stetig schleichend müssen sich Producer*innen mehr und mehr erklären und eine mehr oder weniger bedeutungsvolle Geschichte um ihre Bassdrums erfinden. Sie oder ihre PR-Agenturen. Und die sind noch schlimmer. Mit Track-Premieren, Sneak Peaks, „exklusivem“ Irgendwas … das ist alles so furchtbar prekär und planlos. Ich merke jedoch – und hier kommt der Dreh weg vom Musik-Journalismus, und wenn ich in irgendeiner Promo-Mail nochmal ein „!“ hinter einem sinnlosen Satz lese – ich stehe auf Kriegsfuß mit dem im Agentur-Deutsch genannten „CTA“ –, bestelle ich den einfach ab. Scheiß auf die Musik, die Labels und leider auch auf die Künstler*innen.

Worauf ich eigentlich raus wollte: Auch die deutsche Sprache gefällt mir nicht mehr besonders. Die Gesprächskultur verblasst. Ich schiebe das auf den Fußball. Denn auch, wenn ich diesen Zirkus nicht beachte: Manchmal kommt man auf einen O-Ton nicht drum herum. Sager wie „Äh … ja!“ oder – viel schlimmer – „Nochmal!“ machen mich fertig. Ganz zu schweigen von „Ein Stück weit“. Ich mag das nicht mehr haben. Was ist nur mit uns passiert. Können wir nicht einfach ehrlich miteinander umgehen? Haben wir alle unsere Kinderstube vergessen? Ich will diesen Quatsch nicht mehr hören. Nicht morgens im DLF und auch nicht im Zoom zum 2. Frühstück.

Thaddeus Herrmann

Tape-Kultur mit „Jubilee“ von Japanese Breakfast

Ich liebe meinen Walkman nicht nur deshalb, weil er mir während der frühjährlichen Zwangsspaziergänge selbst dann die Treue hielt, als sich über mein lädiertes altes Smartphone längst keine Musik mehr abspielen ließ. Sondern auch, weil er mir erlaubt, mich mit eben dieser ausgiebig zu beschäftigen, ausgiebiger zumindest als ich das sonst in der nie enden wollenden Promo-Flut tue, wenn ich ein Album nach dem nächsten in den Player einreihe und danach sofort wieder vergessen habe. „Jubilee“ von Japanese Breakfast war ein Launeneinkauf – hatte sowieso ein paar Platten im Cart, die Vorab-Single gefiel mir und so eine Kassette kostet ja nicht zuviel, noch zumindest. Und weil ich sowieso zwischen harschem Black Metal, noch harscherem Harsh Noise und jeder Menge Leier-Ambient zu wenig richtiges Songwriting im Kassettenfach habe, nahm ich das Tape nach seiner Ankunft gerne zu meinen sommerlichen Zwangsspaziergängen mit. Es ist mir darüber ans Herz gewachsen oder hat sich besser gesagt in dieses hineingebohrt. Eine Erklärung dafür habe ich nicht unbedingt. Michelle Zauner macht soliden Indie-Rock mit hier mal ein paar Synthie-Einlagen, dort mal ein paar sehr funkigen Riffs. Gut gemacht und bisweilen in der Komposition sowie im Arrangement ungewöhnlich („Be Sweet“ hat den wunderbarsten Nicht-Refrain der letzten Jahre), im Großen und Ganzen aber nichts Besonderes. Eigentlich. Denn mit jedem Durchlauf wurde dieses Album zu einem guten Begleiter, einem guten Freund. Und ich weiß nicht, wann ich das zuletzt erlebt habe: Dass ich mich in eine Platte, die ich eigentlich gar nicht unbedingt überragend finde, hereingelebt habe. Ich muss meinem Walkman dafür danken, keine Frage. Und habe mir zwischenzeitlich übrigens auch die LP gekauft, die mit Download-Code daherkam. Endlich 21. Jahrhundert! Schön, dass „Jubilee“ darin stattfindet.

Kristoffer Cornils. Im Sommer hatte Ji-Hun Kim das Album ebenfalls gefeiert.

Texas

Hängengeblieben 2021  Port Aransas Texas

Foto: Julia Kausch, Port Aransas, TX, 4. Juli 2021

Es ist Sommer, 4th of July, und die Golf Carts auf den Straßen in Port Aransas am Golf von Texas sind bis unter die Zähne mit oxymoronischen Flaggen bewaffnet: USA, Texas, Confederate, Mexiko, Fuck Biden, Trump 2020 und mein persönlicher Favorit: No Shoes Nation. Das mit White Claws angetriebene Wochenende musste angegangen werden, wie Weihnachten mit der Familie: Unter keinen Umständen dürften die Gespräche folgende Themen auch nur tangieren: Religion, Politik und… Abtreibung. Im Mai hatte der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, ein neues Gesetz unterschrieben, das Abtreibungen ab dem 1. September bereits nach sechs Wochen verbieten würde. Zur Erinnerung: Der Zyklus einer Frau dauert meist 28 Tage, ein Zeitraum, der für viele auch länger oder kürzer ausfallen kann. Viele Frauen bemerken also erst nach besagten sechs Wochen, dass sie schwanger sind, sodass ein Abbruch für sie nicht mehr in Frage kommt – auch nicht, wenn sie Folge einer Vergewaltigung ist.

Wir kommen alle etwas betrunken und knusprig gebraten vom zugeparkten Strand zurück, schalten den Fernseher an und hören die neusten Updates zum Abtreibungsgesetz. Schnell umschalten, wie vorher geübt. Das Programm ist hochwertig, und statt Nachrichten gucken wir nun den Hot Dog Eating Contest: Coney Island, zehn Minuten, so viele Hot Dogs wie möglich reinschieben, mit oder ohne Sauce – damit es besser runterflutscht auch gerne in Wasser getunkt. Joey Chestnut nimmt lieber orangene Gatorade, was super zu klappen scheint: Er gewinnt mit schlappen 76 Hot Dogs, 26 mehr als der Runner-Up. Zwar müssen wir beim Zusehen ständig würgen, aber zumindest gibt es keine Unstimmigkeiten. Dass Human Rights Watch von Menschenrechtsverletzungen spricht und die American Civil Liberties Union (ACLU) das Gesetz verfassungswidrig nennt, sollte dem Independence Day nicht im Wege stehen – nur eben der Unabhängigkeit texanischer Frauen. Und anstatt den Staat mit der strafrechtlichen Verfolgung zu beauftragen, haben sich die Gesetzgeber (wenig überraschend Männer) eine Art Kopfgeldjägerverfolung überlegt, unter der Bürger*innen mit der gegenseitigen Anklage betraut werden und, wenn sie gewinnen, 10.000 US-Dollar Schadensersatz erhalten. Das Gesetz landete bereits von dem Supreme Court, der es zunächst als rechtens beurteilte, den Fall jedoch weiter behandelt. Ein Arzt aus San Antonio hat das Gesetz bereits absichtlich gebrochen und wurde von zwei Personen verklagt, die damit die Legalität testen wollten, um zu zeigen, dass das Gesetz verfassungswidrig ist. S.B. 8 rückschrittlich zu nennen, wäre untertrieben: Bereits 1973 wurde Frauen in den USA das Recht zugesprochen, einen Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche zu vollziehen, wobei die US-Bundesstaaten den Zeitraum jedoch seit einem Urteil in Mississippi selbst festlegen können.

Seit September müssen Frauen also (oft zu) teure Reisen in andere Staaten auf sich nehmen, um eine legale Abtreibung durchführen zu können. Interessanterweise schreiben sich gerade Staaten mit tendenziell unzureichender Kinderhilfe den Slogan „“Pro Life“ auf die Fahne, denn Pro Life scheinen einige nur solange zu sein, bis die Kinder geboren werden. Gäbe es nicht Mittel und Wege, Abtreibungsprävention zu betreiben, beispielsweise durch an Männer gerichtete Verhütungskampagnen? Denn, seien wir mal ehrlich, mit Joey Chestnut dürfte der Zenit der menschlichen Existenz doch schon erreicht sein.

Julia Kausch

The Melodic Blue

Dass HipHop im Spotify-Zeitalter vor allem Single-Business ist und Alben mit einer schier endlosen Anzahl von „Album Tracks“ überladen werden, um, die Lethargie der Konsumierenden antizipierend, möglichst viele einzelne Streams zu generieren, ist kein neues Phänomen. Wurde 2021 jedoch durch Drakes „Certified Lover Boy“ und Kanye Wests „Donda“ noch einmal eindrucksvoll unterstrichen – zwei nicht enden wollende Platten voller Langweile mit insgesamt 21 bzw. 27 Titeln. Mr. West schob einige Wochen nach dem Release sogar noch eine Deluxe-Version hinterher, auf der sich ganze 31 Songs befanden. Eines der wenigen Highlights auf „Donda“ war der verse von Baby Keem auf „Praise God“, in dem dieser nicht nur durch stimmliche Virtuosität auf sich aufmerksam machte, sondern mit der Zeile „I turned a heavy heart [in]to two million dolllars“ auch den HipHop-typischen Flex nicht vermissen ließ. Seine Muskeln zeigte Baby Keem auch auf der ersten Single „durag activity“ seines Debütalbums „The Melodic Blue“, indem er einen der größten Stars des Genres – Travis Scott – als Feature-Gast präsentierte. Dies wurde nur noch durch die zweite Single „family ties“ übertroffen, auf der er sich mit seinem lange untergetauchten Cousin Kendrick Lamar die lines um die Ohren schlug. Doch für mich war „The Melodic Blue“ nicht allein wegen der Feature-Gäste, zu denen auch noch der neue It-Boy Don Toliver zählte, das Album des Jahres: Baby Keem führt HipHop in ein neues Zeitalter, indem er klassische Rap-Skills mit neuen Flows à la Migos oder Playboi Cart paart und dabei vor Ausflügen in andere Genres keinen Halt macht. Kein Track zum Skippen. Instant Classic!

Tim Schenkl

Tischtennis

TT2 HG2021

Photo by Jeff Finley on Unsplash

Wenn es einen urbanen, Social-Distancing-freundlichen Sport gab in diesem Jahr, dann war es definitiv Tischtennis. An allen Platten der Stadt war etwas los und in Berlin schossen etliche neue aus dem Boden. Ende 2020 begann ich unter der strengen Führung unseres Filter-Chefredakteurs die Kunst der schnellen, zufriedenstellend klingenden Bälle (ping pong) zu erlernen. Sahen meine Versuche anfangs echt zum Verzweifeln aus, so war es nach wenigen Monaten Training und einer mittlerweile auswendig gelernten Karte über die besten Platten im Kiez schon erheblich besser geworden – und ich konnte anderen Anfänger:innen zumindest zeigen, wie man einen Schläger richtig hält. Das Sahnehäubchen für das neue Hobby waren dann im Sommer die Olympischen Sommerspiele. Sportgroßereignisse vertreiben ja bekanntermaßen Pandemiedüsternis, auch wenn sie mitunter einen üblen Beigeschmack haben wie die Fußball-Europameisterschaft. Jedenfalls ließ sich dank ordentlicher Mediathek-Aufbereitung nahezu jedes Tischtennis-Spiel gut anschauen und so konnte man die chinesische Überlegenheit von Ma Long & Co. bewundern und mit dem verbissenen Dimitrij Ovtcharov mitfiebern, der wirklich spektakulär spannende Matches im Einzel sowie der Mannschaft ablieferte.

Susann Massute

Vergessen

Neulich sah ich die Sitcom „Fresh off the boat“ und in einer Folge tauchte DMX auf. Ich freute mich noch, ihn wieder erkannt zu haben und brauchte Tage, um festzustellen. Moment, ist der nicht erst gestorben? Ich weiß nicht, wie es euch geht. Aber ich bilde mir ein, dass Tode von Prominenten mir noch vor der Pandemie näher gingen. Irgendwie fühle ich mich abgestumpft und verdränge das alles. Dabei ist doch das Vergessen der eigentliche Tod von Menschen auf dieser Welt. Auch Persönlichkeiten wie SOPHIE, Chick Corea, Biz Markie, Wolf-Dieter Poschmann, Paul Johnson und bell hooks weilen nicht mehr auf der Erde und die Liste kann endlos weiter geführt werden. Vor kurzem gedachte ich einem befreundeten Künstler und Designer, von dessen Tod vor über zwei Jahren ich erst jetzt erfuhr. Auch weil Facebook es offenbar nicht für nötig hielt, diese Nachricht in meinen Stream zu überführen. Wer filtert eigentlich die Filterblasen für uns? Oder ist das eine Folge des Social Distancing, dass Freund:innen auf einer Party oder in der Kneipe einem diese Geschichten eben nicht mehr erzählen können, um dann gemeinsam auf verstorbene Seelen anzustoßen und ihnen Seelenfrieden zu wünschen?

Ji-Hun Kim

Hängengeblieben 2021 Vogel im Tiergarten

Foto: Thaddeus Herrmann

Weg bin ich!

Ich werde mit zunehmendem Alter und andauernder Pandemie immer weirder. Und das macht mir immer weniger aus. Egal was auf dem Schedule steht: Morgens mache ich einen langen Spaziergang. Damit der schön wird, muss ich mich ganz schön anstrengen. Einmal quer durch Berlin-Mitte, an der russischen Botschaft vorbei, wo sich jeden Morgen eine lange Schlange bildet, warum auch immer. Und irgendwann bin ich dann im Park, im Tiergarten. Mit einer solchen Routine wird der große Park schnell sehr vertraut. Die immer gleichen Menschen begegnen einem. Da ist der ältere Mann in seinem motorisierten Rolli und dem freundlichen Boxer an der langen Leine. Das schwule Pärchen mit ihren zwei wundervoll britisch-aussehenden Locken-Hunden (hi!, love you!) usw. Je früher ich es in den Park schaffe, desto friedlicher ist es. Und stiller. Also sage ich den Tieren Hallo. Jedem einzelnen. Guten Morgen, wie geht’s!? Den Eichhörnchen, den Enten und auch den imposanten Vögeln. Die sich natürlich nie fotografieren lassen. Warum auch. Ihre Skepsis mir als Mensch gegenüber ist und bleibt groß. Das hat bestimmt einen guten Grund. Ich werde den niemals akzeptieren, aber so sei es nunmal. Wieder nicht richtig vor die Linse bekommen. Sah aber toll aus. Eh klar.

Thaddeus Herrmann

Zonk

Das lineare Fernsehen befindet sich in einer absurden Zeitschleife. Ob das die Resignation der hiesigen Sender gegenüber der Marktmacht von Amazon, Apple, Disney und Netflix ist, oder vielleicht doch willkommenes Retro-Phänomen. Alter Wein in alten Schläuchen, verzweifelt olle Kamellen, Verjüngungsresilienz – das wissen wir nicht. Es gab dieses Jahr einige krude Comebacks. Allen voran „Wetten, dass..?“ mit Thomas Gottschalk, das nach wenigen Minuten Fremdscham eigentlich schon deutlich machte, wieso die Sendung sich damals schon mehr als totgelaufen hat. Aber auch „TV Total“ auf Pro 7 ist wieder da, allerdings mit Sebastian Puffpaff statt Stefan Raab und selbst der vergessene Jörg Draeger kam im Herbst nach 18 Jahren Sendepause mit der Show „Geh aufs Ganze“ zurück auf die Flachbildschirme. Damit feierte auch der gute, alte Zonk ein Revival. Der wohl hässlichste Trostpreis der TV-Geschichte. Ein Trostpreis ist aber immer noch besser als gar kein Trost. in diesem Sinne:

Ji-Hun Kim

Frequenzfilter 18. Dezember 2021 – andere Medien, andere ThemenHuawei, Sternschnuppen, Punk

Hannes TeichmannUnser Mix der Woche