Review: Valco VMK 20Finnischer Humor mit sattem Klang
8.12.2021 • Technik & Wissen – Text: Ji-Hun KimEin Leben ohne gute Kopfhörer ist heute kaum vorstellbar. Die eigene Audioblase im unfreundlichen Alltag mit sich rumzutragen, hat viele Vorzüge. Die finnische Marke Valco macht mit ihrem neuen Produkt VMK 20 vieles anders und spuckt Konventionen dreist ins Gesicht. Plumpes Marketing-Blabla oder wirklich gute Headphones? Wir haben den Aki Kaurismäki unter den Headphones ausprobiert.
Wie wir alle wissen, kauft man bei Technik nicht nur Technik, sondern immer auch eine Marke. Glossy, clean, souverän – gerade im Bereich Consumer Electronics geben Brands wie Apple, Samsung oder wer auch immer seit vielen Jahren mehr oder weniger vor, wie man ein Produkt zu platzieren und zu vermarkten hat. Dabei wird mit Superlativen selten gespart, und noch häufiger wird die Welt mit jedem Elektroteil zu einer glatteren und besseren. Was würdet ihr machen, wenn ihr eine Technikmarke gründen würdet? Cooles Grafikdesign natürlich, ein/e eloquente CEO, die jede TED-Bühne zum Beben bringt, und immer schön smart und seriös bleiben. Weil: Technikprodukte wollen natürlich verlässlich und vertrauenserweckend sein. Oft aber nehmen sich alle dabei aber ein bisschen zu ernst. Investor*innen wollen ihr Geld auch sicher verwahrt wissen.
Mittlerweile ist daraus eine Hülse geworden. Zu viele Ukulelen-Produktvideos mit fancy Animationen haben wir schon gesehen, zu viele Stock-im-Hintern-Präsentationen, die einfach nur langweilig sind. Zu viel Bombast und Blockbuster-Ästhetik für einfache Alltagsgegenstände. Die Realwelt ist zu einer South-Park-Parodie verkommen.
Die Firma Valco aus Finnland macht genau hier vieles anders. Ist das noch eine Brand? Oder schon eine Anti-Brand? Das neuste Produkt aus dem Hause Valco ist der Kopfhörer VMK 20. Ein Bluetooth-Over-Ear mit aktivem Noise-Cancelling (ANC). Ein Markt, der mit Marken wie Bose, Sony, Apple und vielen anderen seit Jahren schon gut bespielt wird. Aber Valco macht hier etwas, das ich so noch nicht gesehen habe. Die Firma hat Humor. Absurden Humor, dreckigen Humor – und irgendwie wirklich witzig. Aber inwiefern passt das zu einem Produkt wie Kopfhörern?
Es gibt Klischees und es gibt Klischees. Finnland gilt zum einen als Land, das sehr verschlossen und schwermütig ist. Leute verziehen keine Miene, sind wortkarg und resilient. Aber Finnland steht auch für kauzigen Humor. Man denke an Filme von Kaurismäki, oder „Heavy Trip“ von Juuso Laatio und Jukka Vidgren – einer der besten Heavy-Metal-Filme aller Zeiten. Oder an die Comic-Gore-Band Lordi, die beim ESC 2006 für Furore sorgten. Ohnehin scheint Metal in der Popkultur eine größere Rolle zu spielen als in vielen anderen Ländern. Und nicht immer ist hier alles todernst gemeint.
Valco spielt genau in diese Schnittstelle rein. „Chef der Marke“ ist der fiktive CEO Raimo Valconen. Ein teigiger, versoffener und furchtbar unseriöser Vertretertyp in einer klapprigen Schrottkarre, dem man nichtmal sein Aquarium für eine Stunde zum Aufpassen geben würde. Und auch wenn Marketing am Ende immer nur Marketing bleibt, sind die Videos, die zum Produktstart der Kopfhörer in Deutschland gelauncht wurden, derart krude, dass einem die Worte wegbleiben. Oder auch, dass Raimo Corona-Hilfen beantragt, um damit Party zu feiern. Leider aber so viele Auflagen erhält, dass er doch seine Kopfhörer verkaufen muss. Und noch seltsamer, dass das eben keine Satire ist, sondern Werbung für ein Technikprodukt. Valco brüstet sich damit, dass mit den Einnahmen ein Todesstern finanziert werden soll, uneheliche Kinder ausgehalten und der Rest in Bier versoffen wird. Oft ist das Pennäler-Humor. Ob die Warnung, dass die Bedienungsanleitung nicht als Klopapier benutzt werden soll, weil das die Haut am Hintern schädigt oder die Bedienungsanleitung generell. Zum Thema Kundenservice heißt es hier: „Wir haben nicht viele Freunde und möchten deine Freunde sein. Vor allem, wenn du irgendwo am See oder an der Küste eine schöne Villa hast, wohin wir kommen können um nackt Bier zu trinken.“ In meinem Leben habe ich keine Bedienungsanleitung durchgelesen. Hier konnte ich nicht anders. Die Menü-Taste heißt Madafakin-Knopf, die rote LED leuchtet „wie ein Pavianhintern“. Irgendwie erfrischend.
Aber es soll ja nicht nur um seltsame Gestalten und ruppige Ansprachen gehen, sondern um den Kopfhörer. Der VMK 20 ist auf dem ersten Blick nichts Besonderes. Einfaches Design, ein solides Case und Standard-Zubehör, nahezu langweilig mutet das Gerät an. Die UVP mit 170 Euro siedelt sich bewusst im unteren bis mittleren Preissegment an. Hier ist nichts schrill, glamourös oder bunt. Aber, und hier wird es interessant: Der Kopfhörer überzeugt mit einem sehr guten Klang. Kopf hinter dem Sound ist Jasse Kesti – den gibt es wirklich. Er leitet die Kesthouse Mastering Studios und hat mit vielen Bands des Landes zusammen gearbeitet. Im Bereich Lautsprecher und Kopfhörer ist in den vergangenen Jahren viel passiert. Das Thema DSP ist immer wichtiger geworden. Aber Sound ist und bleibt eine Geschmacksfrage, und hier beweist Valco erstaunlich viel Stilsicherheit. Denn es sind gerade die heuer fast vergessenen Mitten, die hier harmonisch aufs Trommelfell schallen. Der Sound ist weder überzogen bassig, noch ausgefranst effekthascherisch spatial. Ein bisschen wie der Marshall-Amp JCM 800, hier gibt es auch nicht viele Gimmicks. Aber einmal eingestöpselt, weiß man, was man bekommt und hat lange viel Freude dran. Knackig, druckvoll, direkt, gut abgehangen und dennoch ungeschminkt. Klar, dass Metal und Rock hier besonders gut klingen, aber auch andere Genres bilden die Headphones gut, dynamisch und spaßvoll ab. Hier gibt es eine Klangqualität, die sich mit weitaus teureren Geräten definitiv messen kann. Ebenfalls überzeugt die Akkuleistung. Auf dem Papier stehen bis zu 45 Stunden und im Rahmen der Tests musste der Kopfhörer nicht einmal an die Steckdose. Das ist in der Tat alltagstauglich.
Der Valco VMK 20 ist ein überraschend guter Kopfhörer, der durch Musikalität besticht und unprätentiös daherkommt. Abzüge gibt es allerdings im Noise-Cancelling. Es ist am Ende eine philosophische Frage: Weil: Braucht es überhaupt ANC, wenn man in einer normalen Umgebung Musik hört? Eigentlich nicht. In der lauten U-Bahn merkt man indes, dass die Valco nicht so souverän isolieren wie die (zugegebenermaßen weitaus teurere) Konkurrenz von Bose oder Sony. Vielleicht ist die Zielgruppe aber auch gar nicht der karrieregeile Business-Mensch, der permanent im Flieger sitzt und dort Meditations- und Motivations-Podcasts hört, um abzuschalten. Musik hören ist ja ein aktiver Prozess. Und weniger soll es dabei darum gehen, wie still die Umgebung gemutet werden kann. Für all jene, die ein Herz für Underdogs haben, Sinn für Humor, was Branding anbetrifft und eher den Fokus auf Solidität und stabilen Klang setzen, könnte das eine interessante Alternative sein. Ist ja auch fad, immer nur Apple oder anderen Weltunternehmen das Geld zuzuschieben. Wieso nicht in den Bau eines Todessterns investieren und dabei viel Spaß mit guter Musik haben. Letzteres kommt ja in Zeiten von unzähligen, unhörbaren Laber-Podcasts oft zu kurz.