Review: Apple iPad Pro 12,9" (2021)Happier Than Ever
25.8.2021 • Technik & Wissen – Text & Fotos: Thaddeus HerrmannEin neues iPad Pro von Apple, ein neue kritische Auseinandersetzung mit Apples zweiter Computing-Plattform. Alles super – so das Fazit – und nochmal besser, sagt Thaddeus Herrmann, Und doch braucht es einen Brief an die Verantwortlichen.
Lieber Craig, lieber John, lieber Tim*,
danke für das neue iPad. Nein, nein, ich meine keinen Prototypen eines demnächst erscheinenden Modells. Ich meine das iPad Pro 12,9“, das – ich gebe es zu – nun gar nicht mehr so neu ist. Aber mit iPads und den dazugehörigen Texten lasse ich mir manchmal einfach besonders viel Zeit. Seit fast drei Monaten ist die neue Generation nun auf dem Markt, und genauso lange thront es bei mir auf dem Schreibtisch. Neben meinem MacBook Pro von 2016. Das verloddert zunehmend, spätestens seit dem Vorgänger-iPad von 2020. „Computerliebe“ nannte ich damals meine Review und dieses Urteil, um mein Fazit nach nur wenigen Zeilen mal unverschämt vorwegzunehmen (tl;dr, ihr wisst schon), gilt auch kurz vor Ende des Sommers 2021. „Das hätte der German ja nun auch mal ein paar Wochen schneller in seinem Blog publishen können“, slackt ihr euch jetzt bestimmt, „unsere PR heftet doch gar keine Berichte mehr zu diesem Thema ab!“
Aber wisst ihr was, ihr Cupertino-Hasen? Manchmal braucht es eben ein bisschen länger. Und seit dem vergangenem Jahr bedeutet Zeit ja sowieso nichts mehr. Natürlich dreht sich das technologische Rad immer weiter: Aber mit dem iPad Pro habt ihr euch … wie soll ich sagen … ein echtes Eigentor-Ei gelegt. Das 2021er-Modell hat gegenüber seinem Vorgänger viele neue Features, die nicht minder toll sind – das Tablet aus dem letzten Jahr ist aber halt auch heute noch fantastisch. Ich finde das ja gut. Und Geld verdient ihr ja reichlich.
Eigentlich will ich ja gar nicht mehr über Corona reden, geschweige denn schreiben. Aber als ich im Frühjahr 2020 ins Homeoffice segelte, konnte ich meinen Schreibtisch schon bald nicht mehr sehen. Natürlich hätte ich mich auch mit dem Laptop in die Küche setzen können, aber nach ein paar Wochen Downtime konnte und wollte ich auf der Butterfly-Tastatur nicht mehr tippen. Da kam das iPad Pro gerade recht. In der Kombination mit dem Magic Keyboard musste ich mich nicht mehr um Akku-Laufzeiten kümmern, und alles war irgendwie freundlicher, heller und positiver. Schneller. Genau das brauchte ich in dieser Phase und ich will es bis heute nicht mehr hergeben. Ich habe da noch einige Kritik loszuwerden, die richtet sich vor allem an dich, lieber Craig, aber dazu später. Fakt ist: Seit dem verfickten ersten Lockdown (entschuldigt meine explicit language, aber wir sind a) unter uns und b) weiß ich, dass ihr das genauso seht), brauche ich das MacBook nur noch für exakt einen Job. Wie awesome ist das denn bitte?!
Wisst ihr, Craig, John und Tim, ich bin jetzt 49. Meine Augen sind nicht mehr die besten, und deshalb brauche ich die besten Displays, die ich mir irgendwie leisten kann. Und davon viele. Mit dem iPad Pro – das gilt für das von letzten Jahr und das aktuelle gleichermaßen – kann ich erstmals so gut wie immer auf meinen externen Monitor verzichten. Ich weiß: Das Stichwort Monitor ist heikel bei euch. Denn für bestimmt zwei Jahrzehnte habt ihr ganz, ganz tolle gebaut und verkauft. Aber dann irgendwann keinen Bock mehr drauf gehabt. Im Büro, an dessen Adresse ich mich kaum noch erinnern kann, steht noch das letzte dieser (eurer) Art – das Thunderbolt-Display. Auch wenn die Auflösung aktuell natürlich kaum mehr als akzeptabel ist und es ganz nach Tagesform immer wieder mal beschließt, einfach auszugehen, mag ich diesen „iMac ohne iMac“ wirklich sehr. Für den heimischen Schreibtisch kaufte ich mir irgendwann eines „eurer“ LG-UltraFine-Displays. Das kleine. Und auch wenn alle Blogger, Journos, Podcasterinnen und Apple-Nazis die Teile 2021 immer noch argumentativ kreuzigen: Ich mag den total gerne. Und: Das XDR-whatever-Display, den Companion für den MacPro, kann und will ich mir nicht leisten. Mein MacBook würde daran sowieso zugrunde gehen. Worauf ich hinaus will: Das iPad Pro ist auch 2021 fast* der perfekte Computer. Werfen wir einen Blick auf die Neuigkeiten.
@John – das Display, der Prozessor: kudos!
Ich habe mein MacBook ja schon erwähnt und auch die Tatsache, dass es 2016 aus einer Fabrik geschlüpft ist. Es hat also einen Intel-Prozessor. Ich fand die immer ganz okay, wunderte mich aber natürlich darüber, dass bestimmte Dinge auf iPhone und iPad einfach viel schneller gehen. Dass dein SoC-Team, lieber John, in den vergangenen Jahren dieses Business im positiven Sinne ziemlich auf den Kopf gestellt hat, wurde von Generation zu Generation der A-Prozessoren immer deutlicher. Einen Mac mit eurem eigenen ARM-Chip M1 habe ich bislang noch nicht unter der Finger bekommen. Dass ihr hier auf dem richtigen Weg seid, ist aber mehr als klar. Und dass ihr genau den nun auch in den iPad-Pro-Modellen 2021 verbaut: nur logisch. Der Performance-Zuwachs ist dabei, wenn man – verwöhnt wie ich – nur vom Vorjahres-Tablet wechselt, im Alltag kaum zu spüren. Ich finde das trotzdem alles ziemlich irre. Du merkst vielleicht, wie ich mir meinen über viele Jahre antrainierten Sprachgebrauch eines „Tech-Journalisten“ ganz bewusst wieder abtrainiere. Ich habe da keinen Bock mehr drauf. Das sollen andere hegen und pflegen. Ich will zurück zu einer informierten, aber doch irgendwie naiven Herangehensweise in Bezug auf Technik. Ich vermisse den Wow-Effekt.
„Ich finde das alles ziemlich irre.“
Beim iPhone habe ich den schon seit einigen Jahren nicht mehr so richtig gespürt – da will ich ehrlich sein. Nicht weil mich die Telefone nicht geflasht hätten. Sie waren vielmehr Jahr um Jahr genau das, was ich erwartet hatte. Dass man dieses Prinzip auch auf ein großes Display portieren kann, dem Ganzen eine Laptop-artige Tastatur spendiert und mich so mindestens dreimal am Tag ein Heureka! ausrufen lässt – das macht mich immer noch ein bisschen fassungslos. Nach all den Jahren, in denen ihr (du warst damals noch nicht in der Position) das iPad habt schleifen lassen. Dass ihr heute einen Prozessor baut, der sowohl in ein MacBook passt als auch in ein iPad: Kudos! Das ist irgendwie ja auch ganz witzig. Zum ersten Mal seit dem Marktstart des iPhones und des iPads schreibt ihr auf eure Website, wie viel RAM die Geräte haben. Bei diesem Meeting wäre ich gerne dabei gewesen. Ja, nein, doch, nie im Leben, unbedingt. Das Tablet, auf dem ich diesen Brief schreibe, hat 16 GB RAM. Diese Ausbaustufen habt ihr nur den Modellen mit 1 oder 2 TB SSD spendiert – das wird Gründe haben. Und ab dem Herbst und mit iPadOS 15 können Apps dieses Mehr an RAM dann auch nutzen. Im Moment geht das leider noch nicht. Wie viel Positives das bewirken wird, kann ich im Moment nur schwer einschätzen und nur den alten Klassiker „Viel hilft viel“ einwerfen. Ich bin halt ein Blogger. Die Tatsache zeigt aber auch, dass iOS und iPadOS mit den Jahren so viel Schmodder und Limitierungen unter der Haube angehäuft haben, dass ihr hier ganz genau aufpassen müsst.
Über die Displays von iPads habe ich mich zum letzten Mal 2012 beschwert. Damals kam das erste iPad mini auf den Markt, und der Screen war halt … naja … scheiße. (À propos 2012: Wie lange mache ich das hier eigentlich schon?!) Ich bin kein Freund der Grabenkämpfe. LCD vs. OLED: nicht mein Battlefield. Aber ich erwähnte ja schon eingangs, dass ich die besten Displays sehr wohl wertschätzen kann. Bei den 12,9“-Modellen des iPad Pro gibt es 2021 Mini-LEDs. Was das ist? Bei einem „normalen“ Display, um es wirklich ganz einfach zu erklären, hängt hinter dem Display eine Glühbirne, die es erleuchtet. Bei Mini-LED ist es eine ganze Gang von Glühbirnen. Das Ergebnis: ein deutlich hellerer Bildschirm, der auch mit Kontrast und vor allem dunkleren Inhalten gut umgehen kann. Im Alltag am Schreibtisch ist der Unterschied noch nicht so eklatant. Geht mensch dann aber in die stabile Seitenlage zum Feierabend, entwickelt die neue Technik ihre wahre Stärke. Es gibt ja die Geschichte von deutschen Sky-Kund*innen, die beim Streaming von „Game Of Thrones“ regelmäßig im Strahl kotzten. Weil schwarz halt nicht wirklich schwarz war und alles in einer Art von Pixel-Suppe verschwamm. Oder verschwimmt. Ein Mini-LED-Display adressiert zwar nicht die Kodierung von Streaming, macht das Schauen von Serien und Filmen aber nochmal immersiver. Mit einer maximalen Helligkeit von 1.600 Nits ist das dann schon ziemlich fantastisch. All das hat mit Dolby Vision und HDR zu tun – womit ich mich wirklich nicht gut auskenne. Das tiefere Schwarz überzeugt jedoch sogar mich – mit meinen schlechten Augen. Warum nun Mini-LED der große Wurf ist und nicht OLED – wie bei den aktuellen iPhones –, kann ich nur raten. Es ist auf einer Bildschirmgröße von 12,9“ wahrscheinlich einfach zu teuer. Und Margen sind bei Apple – du wirst mir zustimmen, John – ja immer noch das Wichtigste.
Beeindruckend ist auch die neue Front-Kamera mit der Ultraweitwinkel-Funktion. Copyright Corona, muss mensch da wohl sagen. Wie ein butterweicher Schwenk folgt die Kamera nun meinem immer noch von Videokonferenzen irritierten Gesicht, damit es im Bild bleibt, wenn ich wieder mal hektisch, genervt oder gelangweilt hin und her schwanke auf meinem Stuhl, die Cam eigentlich ausschalten will, um zumindest visuell meine Ruhe zu haben. Da ist es natürlich blöd, dass diese Kamera immer noch im oberen Rand des vertikal ausgerichteten Tablets angebracht ist. In Szene kann ich mich immer noch nicht setzen. Aber das haben mittlerweile auch alle verstanden. Der Thaddi ist da. Guckt aber woanders hin. Vergraben unter meinen Kopfhörern, bin ich sowieso viel mehr damit beschäftigt, dem Gespräch zu folgen, als dabei auch noch gut auszusehen.
@Craig – Salut!
Lieber Craig, deinen Job als Software-Chef bei Apple möchte ich ja auch nicht machen. Könnte ich auch gar nicht, weil außer 10 “Hallo“, 20 “Goto 10“, 30 “Run“ habe ich nie etwas „programmiert“. Und doch stelle ich mir deinen Job als äußerst schwierig vor. Es ist ja das alte Dilemma. Da ist der Mac, historisch gewachsen, durch Höhen und Tiefen geschlittert, von Motorola- über IBM- zu Intel-Chips, von Plastikbombern hin zu eleganten Unibody-Alugehäusen. Und das iPad, ein hochgejazztes iPhone, das mit dem Jahren immer mehr Eigenleben entwickelt hat und nun zu einer eigenen Plattform geworden ist. Natürlich knabbern beide Kategorien gegenseitig am Marktanteil. Und deine Aufgabe ist es, die unterschiedlichen Geräte so gut es geht, einander anzunähern und gleichzeitig auf Abstand zu halten, damit eure Kundinnen im Zweifel beides kaufen. One for the couch, one for the desk. Aber diese Distinktion habt ihr euch ja selbst kaputtgemacht. Eine Wahl hattet ihr dabei nicht. Und jetzt wird die selbst gewählte Entscheidung für zwei* Plattformen immer schwieriger zu argumentieren. Weil erstens praktisch kein Unterschied mehr besteht zwischen den Hardware-Ausformungen des MacBook und des iPad und zweitens die Software-Plattformen immer mehr zusammenwachsen. Also beschneidet ihr das iPad und seine Möglichkeiten mehr oder weniger bewusst und rabiat.
Weißt du, Craig, ich habe es mittlerweile fast aufgegeben, die „Dateien“-App zu durchschauen. Die arbeitet – anders kann ich es nicht sagen – proaktiv gegen mich, und das finde ich scheiße. Vom Multitasking- und Window-Management-Gedöns mal ganz abgesehen. Für den Herbst – und iPadOS 15 – verspreche ich mir da nur wenige Verbesserungen. Es hilft also auch nicht wirklich, dass der USB-C-Anschluss jetzt in Geschwindigkeiten von Thunderbolt 4 unterwegs ist und Displays mit 6K-Auflösung unterstützt. Weil das Betriebssystem ja externe Monitore immer noch nicht als zweites Display unterstützt, von wenigen Apps mal abgesehen. Das ist doch doof. Ich bin mir sicher, dass du das genauso siehst, Craig, aber in diesem Kladderadatsch ist es bestimmt schwer, zu navigieren. Wollt ihr euch da vielleicht mal zusammenraufen? Ein paar Grundsatzentscheidungen treffen? Den Stressern endlich ein MacBook mit Touchscreen hinstellen und dem #TeamiPad Zugang zu einem echten File-Browser geben? Wäre das eine Option? Soll ich das anders – packender – formulieren und dir schicken? Ich kann auch Englisch! Ich würde mich ja gerne mir dir auch mal über andere Dinge austauschen. Aber ich fürchte, musikalisch kommen wir nicht zusammen. Vielleicht schreibe ich dir bald nochmal, in Sachen CSAM, aber da warte ich lieber erst nochmal deine und eure wirkliche Reaktion ab.
@Tim – Keep on doing
Eigentlich habe ich dir gar nichts mitzuteilen, Tim. Außer vielleicht, dass das iPad Pro einfach einen Tick zu teuer ist. Du bist doch ein alter operations guy, du weißt doch, was der Plunder kostet. Wenn ich mal zusammenzähle … ach nein, das mache ich dieses Jahr mal nicht, ich spare (sic!) mir den üblichen Dreh meiner Texte. Ich will auch gar nicht ausschließen, dass die Halbleiter-Krise die Preise nochmal nach oben getrieben hat. Aber du bist doch eben der operations guy. Wenn du deine alten Kumpel in China anrufst, ist für alle Mitbewerber dort doch erstmal besetzt. Naja. Vielleicht gehen wir irgendwann ja mal wieder in die Philharmonie. Neulich hat es ja leider nicht geklappt. Vielleicht bist du auch einfach kein Fan von Billie Eilish. Sprich doch mal mit Craig darüber. Denn ihr neues Album ist wirklich gut.
@Team
Ich stolpere immer wieder durch die digitale Transformation. Warum ich das iPad Pro dem MacBook mittlerweile vorziehe, habe ich versucht zu erklären. Ob ich dabei wirklich ehrlich mit mir bin, weiß ich bis heute nicht. Software, ja. Aber das Tablet mit dem Magic Keyboard (übrigens sehr schön in Weiß), ist mindestens so schwer wie ein Laptop – und würde ich die Tage vor dem Saturn mein Impfzertifikat schwenken und in die Apple-Ecke hochfahren: Ich bekäme ein MacBook mit gleicher Ausstattung für weniger Euros. TickAber wir wollen ja auch für die Zukunft planen. Und so gut es eben geht Zeug kaufen, an dem der Zahn der (Update)-Zeit nicht so krass schnell zu nagen beginnt. Ich bin ein derart privilegiertes Arschloch, dass es mir manchmal – nein, regelmäßig – unangenehm ist. Aber wisst ihr: Ich komme zurecht. Und wenn es irgendwann mal eine Lösung für mein letztes ungelöstes Problem mit iPadOS gibt, dann trage ich mein MacBook zu denen, die dringend einen Computer brauchen. „Ist zwar nicht mehr sonderlich schnell, aber Facebook und Word (Pages lass ich dann mal raus) funzen“. Das findet ihr wahrscheinlich eher so semi-geil. Weil der Mac ja wichtig ist. Ich brauche ihn praktisch aber nicht mehr. Denkt darüber doch mal im nächsten Team-Meeting nach. Und trefft die richtigen Entscheidungen.
Euer Thaddi