Graphic Novel: Die Vögel – fliegen hoch!Über Arne Zanks Comic-Roadmovie
4.8.2021 • Kultur – Text: Ji-Hun KimDer Schlagzeuger der Band Tocotronic hat im letzten Jahr seine zeichnerischen Talente wieder entdeckt.
Die Band Tocotronic war für meine musikalische Sozialisation von großer Bedeutung. Dutzende Male habe ich sie in den Neunzigern live gesehen. Natürlich trugen auch wir braune Cordhosen und blaue Trainingsjacken, und die Motivation eine eigene Band zu gründen, wurde durch Tocotronic noch mehr angefacht. So viel braucht es vielleicht gar nicht, außer ein paar Instrumente und vor allem gute Songideen. Schlagzeuger Arne Zank war damals schon der heimliche Held der Band. In den ersten Alben gab es immer ein paar „Arne-Songs“, die er selber sang und auch bei den Konzerten fing er in der Regel solo an und gab, bevor die Band gemeinsam spielte, ein paar seiner Songs zum Besten. „Arne!!“ riefen wir ihm zu. Ich erinnere auch, wie eine Schulfreundin ihm mal einen Fanbrief schrieb und er tatsächlich aus Hamburg antwortete. Es war ein langer und netter Brief, wir lasen ihn voller Ehrfurcht und Freude, und auch hier gab es paar kleine Skizzen und Kritzeleien, denn Zank studierte in Hamburg Illustration, was er zwar nie abschloss, denn immerhin wurde er Rockstar. Heute gibt es so etwas wohl auch nicht mehr. Das mit dem Fanbrief beantworten, meine ich. Zuletzt sah ich ihn an den Tischtennisplatten am Weichselplatz vorbei spazieren und fragte mich noch, was er wohl gerade so treibt. Das weiß ich nun.
Im vergangenen Jahr, als die Welt der Musik auf Mute stand, widmete sich Arne Zank wieder intensiver seinen zeichnerischen Arbeiten. Er veröffentlichte Webtoons (inspiriert durch K-Drama-Serien) und daraus ist nun seine Graphic Novel „Die Vögel – fliegen hoch!“ entstanden, die beim Ventil Verlag veröffentlicht wurde. Bei diesem Thema dachte ich natürlich auch an das Enten-Cover von „Es ist egal, aber“. Aber man muss und sollte solche Arbeiten auch nicht immer in den Kontext von den jeweiligen Bands stellen. Auch wenn das in unseren synapsigen Schubladen oft nicht leicht fällt. „Die Vögel – fliegen hoch!“ ist eine rasante Geschichte eines Verbrecher-Duos, das zwischen Roadmovie und Actionthriller dengelt. Es gibt wüste Schießereien, dramatische Verfolgungsjagden und vermeintlich putzige Protagonisten im Mittelpunkt, die mit allen Wassern gewaschen sind. Richtige Gangster eben mit hohem Identifikationspotential. Arne Zanks Geschichte besticht aber auch durch seinen Humor. Dieser ist kauzig, aber nie dadjokig. Es ist Punk und zugleich ziemlich meta, was auch daran liegt, dass Arne Zank immer wieder selber in der Geschichte auftaucht. Hat er nun promoviert oder nicht? Was ist Fiktion oder doch autobiografisch? „Die Vögel – fliegen hoch!“ ist eine tolle und sympathische Graphic Novel. Sie atmet den mittlerweile fast verlorenen, resilienten Geist des Hamburger Punk, ist strukturell anti-professionell, verweigerisch und voller witziger Details. Bleibt zu hoffen, dass er trotz wieder losgehender Konzerte und Tourneen weiter dabei bleibt. Auf eine mögliche Fortsetzung freue ich mich auf jeden Fall. Da der Autor auch Trickfilm lernte, wäre das vielleicht die nächste Evolutionsstufe? Wie gerne würde ich das im Kino sehen.