Reportage: Aus eigener KraftMediation bei Gericht – ein Erfolgsmodell

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photo credit: Beinecke Library via photopin cc

Immer mehr Verfahren bei Gericht werden bei Kaffee und Kuchen beigelegt. Die Richter selbst initiieren diese Mediationen, bei denen die gegnerischen Parteien oftmals zum ersten Mal seit Jahren wieder offen miteinander reden. Monika Herrmann hat sich das erfolgreiche Konzept von Ulrich Wimmer erklären lassen, Richter am Berliner Kammergericht und selbst einer der sogenannten „Güterichter“.

Sabine und Rolf Reichert (Namen von der Redaktion geändert) sind Geschwister. Zwillinge. Beide wurden vor kurzem 38 Jahre alt. „Früher waren wir unzertrennlich“, sagt Sabine und dann, dass sie seit drei Jahren nur noch über ihre Anwälte miteinander kommunizieren. Was ist passiert? „Unsere Mutter hat in ihrem Testament das Haus meinem Bruder vererbt. Mir blieb damals nur der so genannte Pflichtteil“. Warum die Mutter so entschieden hat, kann Sabine nur vermuten: „Ich war halt eine ziemlich widerspenstige Tochter, mein Bruder dagegen eher pflegeleicht“.

Die 38-Jährige nahm sich nach der Testamentseröffnung einen Anwalt und der kämpft seitdem gegen den letzten Willen der Verstorbenen. Auch der Bruder und sein Anwalt kämpfen mit harten Bandagen um das Erbe. Viel, sehr viel Geld haben die Geschwister inzwischen in diesen Rechtsstreit gesteckt. Bisher ohne Erfolg. Aber aufgeben? „Auf keinen Fall“, sagt Sabine. Obwohl sie zugibt, irgendwie auch am Ende ihrer Kraft zu sein.

Kein Einzelfall: Wenn die Eltern gestorben sind und das Erbe aufgeteilt werden muss, geraten die Kinder in Streit. Dann ziehen sie vor Gericht, immer wieder, oft jahrelang, weil sie nicht das bekommen, was ihnen die Verstorbenen angeblich mal versprochen haben: das Haus, die Firma, das Vermögen. Aber es geht auch um alte Kommoden oder das Kaffeeservice von Mama. Folge: Viele Richter sind genervt von solchen Auseinandersetzungen. Und empfehlen immer öfter, den Streit aus dem Gerichtssaal heraus zu nehmen und in einen eher gemütlich eingerichteten Raum zu verlegen. Mit Hilfe von Mediation sollen die Streithähne jetzt versuchen, ihren Konflikt zu lösen und friedlich zu beenden.

Mediation wird natürlich nicht nur bei Gericht, sondern in sehr vielen Bereichen angewendet. Immer dann, wenn der Streit eskaliert, wenn Menschen so zerstritten sind, dass sie allein aus ihren Konflikten nicht mehr heraus finden. Mit Hilfe von Profis kann dann eine Wende herbeigeführt werden. Bei Gericht heißen diese Profis Güterichter. Sie sind auch Mediatoren und leiten solche Verfahren außerhalb des Gerichtssaals. Ulrich Wimmer ist so einer. „Ich verlasse den Gerichtssaal und rede stattdessen mit den Streitparteien in einem separaten Raum bei Kaffee und Keksen.“ Was Wimmer, der am Berliner Kammergericht tätig ist, dann oft erfährt, ist unglaublich: „Die Leute gehen aufeinander zu. Sie reden nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder miteinander. Auch über ihre Verzweiflung, ihre Ängste und die Sehnsucht, endlich diesen Streit abzuschließen.“

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Erst im vergangenen Jahr ist für Berlin die gerichtliche Mediation auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt worden. Das sogenannte Güterichter-Modell wird seitdem immer öfter angewandt. Im Jahr 2013 konnten auf diese Weise rund 650 Streitfälle in Güte beigelegt werden.

Es geht um zivilrechtliche Auseinandersetzungen, um Erbschaftsstreit, um Familiensachen wie Scheidung oder den Streit ums Sorgerecht. Aber auch Nachbarn treffen sich zur Mediation, die seit Jahren im Streit und irgendwie nervlich am Ende sind. Es geht um Abwasserrohre, die von Nachbarn gemeinsam genutzt werden, um die Höhe von Zäunen oder um die gemeinsame Nutzung der Auffahrt für die Autos. Eigentlich unglaublich, aber solche Streitigkeiten dauern oft viele Jahre. Immer wieder gibt es Termine bei Gericht und die Anwälte verdienen nicht schlecht an solchen Prozessen. „Bei einer Mediation geht das alles viel schneller und einfacher“, erklärt Wimmer. Ein Grund: Der runde Tisch ermutigt zum Reden, so dass der Konflikt dann oft mit der Versöhnung endet.

Ulrich Wimmer erzählt von einer Familie, die sich sehr schnell einig wurde und dann gemeinsam Eisessen ging. „Es ist manchmal sehr anrührend zu beobachten, dass es zwischen den Streitenden auch viel Gemeinsames gibt“, hat Wimmer erfahren. Beeindruckt sei er immer wieder, dass die Leute als Streitende in das Gerichtsgebäude kamen und nach einer Mediation ihren Frieden miteinander schließen konnten. Einmal habe er das Gespräch in ein Altenheim verlegt, weil die Mutter der streitenden Kinder nicht in der Lage war, ins Gericht zu kommen. Es ging um ein Haus, das Erbe der Mutter. Nach dem Mediationsgespräch einigte man sich: „Das Haus sollte verkauft werden und der Erlös unter den Erben aufgeteilt werden. Die Geschwister und auch die alte Mutter haben ihren Frieden geschlossen.“

Wenn es zur Einigung kommt, gibt es ein so genanntes Vergleichsprotokoll, das den Vorgang abschließt. Ein amtliches Schreiben, das gilt.

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Doch es gibt auch feste Regeln, die genau festlegen wie so ein Güterichter-Verfahren ablaufen muss. Absolute Vertraulichkeit gehört dazu und die Freiwilligkeit der Parteien, sich auf die friedliche Lösung ihres Streits einzulassen. Die Parteien wissen, dass beim Nicht-Gelingen jederzeit der ganz normale Prozess im Gerichtssaal fortgesetzt werden kann. Zu den Regeln gehört auch, dass die Parteien bereit sind, sich respektvoll anzuhören.
Wenn sich dann Eltern und Kinder, Eheleute oder Geschäftspartner noch mal so richtig die Meinung sagen, sei das auch in Ordnung, sagt Wimmer. Als Mediator begleitet er solche Begegnungen der Streitenden. Er greift nur ein, wenn die Auseinandersetzung aus dem Ruder gerät. „Wenn es zur Einigung kommt, haben das allein die Streitenden selbst geschafft“. Auch die Anwälte der gegnerischen Parteien sitzen mit am Tisch. Ihre schwarzen Roben haben sie und der Güterichter draußen vor der Tür gelassen. Alles soll so normal wie möglich sein. Mitunter muss Wimmer die Anwälte zur Zurückhaltung ermahnen, weil ihnen so viel eigenständiges Verhalten ihrer Mandanten fremd ist. Vor kurzem war das so: „Ich hatte die Anwälte in einen Nebenraum gebeten und sie – erfolglos – um Zurückhaltung gebeten. Es klopfte dann an der Tür und die Streitparteien kamen herein. Strahlend. Sie hätten sich soeben geeinigt, sagten sie.“ Eine eigenständige Beilegung des Streits, ganz ohne Gericht und Juristen, war passiert.

Auch wenn Mediationen bei Gericht scheitern, sieht Wimmer das dennoch positiv. „Entscheidend ist der Mut und die Kraft der Streitenden, mal eine ganz andere Möglichkeit der Konfliktlösung zu probieren“, sagt er. Sie würden sich dabei wechselseitig Signale der Friedfertigkeit übermitteln.

Mediation bei Gericht – in Berlin heißt das: Zwei Drittel der Verfahren enden positiv.

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