Leseliste 05. August 2018 – andere Medien, andere ThemenStatus Quo Journalismus, Krisendienst, Playlists in Restaurants und Berliner Weiße ohne Schuss

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Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.

Status Quo Journalismus

Der US-Medienwissenschaftler Jay Rosen ist derzeit Fellow an der Robert Bosch Akademie in Berlin, verbringt also recht viel Zeit in Deutschland. Er beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen Journalismus bzw. Medien, Öffentlichkeit und Politik. Die ZEIT hat mit dem klugen Mann gesprochen: über Amazon-Chef Jeff Bezos und seine Washington Post, über die Schwierigkeiten im Umgang mit Trump und die Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede zum rechtspopulistischen Agenda Setting hierzulande. Journalismus braucht ein neues Narrativ. Die perfekte Lösung hat Rosen allerdings auch nicht parat.

„Der Aufstieg des Rechtspopulismus stellt das Selbstverständnis auch deutscher Journalisten vor Probleme hinsichtlich dessen, was ich "pressthink" nenne, das Denken der Presse über sich selbst. Die Probleme, die die AfD dem Selbstverständnis der Journalisten bereitet, lassen sich nicht durch handwerkliche Regeln lösen.“

"Journalisten werden die Öffentlichkeit selbst verteidigen müssen"

Krisendienst

Seit April gibt es in Berlin Marzahn-Hellerdorf das Kriseninterventionsteam des Jugendamts. Anja Hartfiel arbeitet hier als Sozialarbeiterin und betreut teils besonders schwierige Fälle. In ihrem Bezirk leben 37 % Alleinerziehende. 40 % beziehen Hartz IV. Karl Grünberg begleitet für den Tagesspiegel die Arbeit von Hartfiel und ihren Kollegen. Eine aufreibende Tätigkeit, immer unterbesetzt, mit zu wenig finanziellen Mitteln und leider auch seltenen Erfolgsgeschichten.

„Anja Hartfiel und ihre Kollegen sind die schnelle Einsatztruppe. Sie gehören zum Kriseninterventionsteam, das im April dieses Jahres gegründet wurde. Immer wenn es eine Meldung gibt, wenn der Verdacht besteht, dass das Wohl des Kindes gefährdet ist, sind sie es, die hinfahren, sich alles ansehen. Manchmal stehen sie im Dreck. Manchmal sind die Kinder gesund und munter. Manchmal mit blauen Flecken übersät. Manchmal wünschten sie sich, dass es nur blaue Flecken wären.“

Unterwegs mit dem Krisendienst des Jugendamts

Musik im Restaurant

Immer wenn Ryuichi Sakamoto in sein liebstes japanisches Restaurant ging, schmeckte ihm zwar das Essen – die Musik, die im Hintergrund dudelte, hingegen gar nicht. Also sagte der legendäre Musiker zum legendären Chefkoch: Ich mache Ihnen mal eine Playlist. Daraus entspinnt sich eine wundervolle Geschichte, die Ben Ratliff für die NYTimes aufgeschrieben hat – nachdem er sich mit Sakamoto unterhielt und selbst im Restaurant aß. Welche Rolle spielt Musik überhaupt in Restaurants? Wer stellt sie zusammen und wieviel Kuration steckt dahinter? Kann man es allen Gästen recht machen, und was ist die passende Strategie? Bewusst unauffällig und zusammengewürfelt mainstreamig? Oder das genaue Gegenteil? Es muss halt passen. Und wie das geht, hängt von vielen Faktoren ab. BGM (background music) ist eben nicht gleich BGM.

„At least the Brazilian pop was so bad. I know Brazilian music. I have worked with Brazilians many times. This was so bad. I couldn’t stay, one afternoon. So I left.“

Annoyed by Restaurant Playlists, a Master Musician Made His Own

weisse mit schuss

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Aufstieg, Niedergang, Wiedergeburt: Berliner Weiße

Als „Champagner des Nordens“ sollen die Truppen Napoleons respektvoll bezeichnet haben, was in Berlin seinerzeit gebraut und getrunken wurde: die Berliner Weiße. Fermentierung mit wilden Hefen, Haltbarmachung durch Milchsäure, was bei Lagerung zu funky Geschmäckern führt – ein ziemlicher Hipster, dieses Getränk. Zu Spitzenzeiten wurde es in bis zu 700 kleinen Braustätten Berlins, heute würde man sie microbreweries nennen, hergestellt. Und der Durst darauf war groß: Getrunken wurde es aus sehr großen Krügen. Doch irgendwann war die Weiße out, Pils und vor allem bayerisches Helles übernahmen die Geschmackshoheit, in Berlin schlossen die kleinen Weißbier-Stuben und eröffneten die großen Wirtshäuser. Das, was man heute als Berliner Weiße vorgesetzt bekommt, ist Fake, mit Sirup zum Biermischgetränk verhunzt. Erste kleine Brauereien haben sich dem Original wieder angenommen – eine Graswurzel-Renaissance. Ob jedoch je wieder aus vollen Krügen Nordschampus getrunken wird?

„Nimmt man an, es habe 50.000 Männer im bierfreudigen Alter gegeben, dann kam eine Weißbierkneipe auf 70 Zecher. Und die nahmen Riesenmengen zu sich – jedenfalls sprechen die damals üblichen Berliner-Weiße-Gläser dafür: Sie waren zylindrisch, fassten mehr als zwei Liter und konnten nur unter Zuhilfenahme beider Hände gehoben werden.“

Bier-Culturkampf – Als das Bairische die Berliner Weiße verdrängte

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