Leseliste 05. November 2017 – andere Medien, andere ThemenKrise durch Roboter, Papst in der Kritik, Platten diggen und linke Heimat

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Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.

Roboter zu Pflugscharen

Glaubt man des Ausführungen von Kevin Drum in seinem ausführlichen Feature für Mother Jones werden wir alle in spätestens 40 Jahren unsere bisher gelernten Arbeiten nicht mehr ausüben, weil sie von Robotern übernommen werden. Dabei geht es nicht nur um den Bus- und Taxifahrer, sondern auch der Chirurg, Journalist und CEO werden durch Maschinen abgelöst. Die Robotisierung scheint nichts mehr stoppen zu können. Und das, so Drum, könnte eine der größten Umwälzungen der Menschheitsgeschichte werden. Bevor wir in einer funkelnden Sci-Fi-Welt ankommen, wird eine Ära der Massenarmut und Massenarbeitslosigkeit anstehen und wie diese Umwälzungen aussehen könnten, werden hier detailliert skizziert.

In one sense, this all sounds great. Let the robots have the damn jobs! No more dragging yourself out of bed at 6 a.m. or spending long days on your feet. We’ll be free to read or write poetry or play video games or whatever we want to do. And a century from now, this is most likely how things will turn out. Humanity will enter a golden age.

You Will Lose Your Job to a Robot—and Sooner Than You Think

Intrigen in Rom

Man kann vom katholischen Glauben und vor allem der katholischen Amtskirche halten was man will: Es gab schon schlimmere Päpste als Franziskus. Dass der Jesuit nach seinem Amtsantritt lieber mit einem schrottigen Fiat durch Rom fuhr statt sich chauffieren zu lassen, ist dabei eher unterhaltsames Beiwerk. Auf der nach oben offenen Richterskala des Konservativen ist er nicht der Ausreißer nach unten, den sich viele Real-Katholiken als neues Oberhaupt gewünscht hätten. Doch selbst die zaghaften Äußerungen und Reformbemühen von Franziskus machen ihn im Vatikan zum Outlaw. Andrew Brown betitelt seinen Longread für den Guardian gar mit „Der Krieg gegen Papst Franziskus“. Und liest man einige der O-Töne, die Brown eingesammelt hat, wird einem erst Angst und Bange und fühlt sich dann in seinen Ressentiments gegenüber dem Kurie-Klüngel bestätigt. Wer offen über zu wenig Umweltschutz spricht und mit der Kommunion für Geschiedene kein Problem hat, wird angefeindet. Ein Jahrhunderte altes System gerät aus dem Gleichgewicht. Die Scheinheiligkeit muss bewahrt werden, koste es, was es wolle.

„Wir können es nicht abwarten, bis er stirbt.“

The war against Pope Francis

Übers Diggen

Einer unserer Lieblings-DJs und Autoren Finn Johannsen legt zur Zeit eindeutig mehr auf, als er schreibt. Was wir bedauern. Wenn er dann doch mal etwas schreibt, dann erscheint es auf seinem Blog und es geht in der Regel um musikalische Herzensangelegenheiten. In seinem Post „Life At The Bottom“ geht er dem Phänomen des Diggens auf den Grund. Denn in Zeiten von Shazam und Discogs ist es als DJ kaum noch möglich, einen wirklich „eigenen“ Sound zu haben. Tracklists von bekannten DJs werden wöchentlich neu geteilt. „ID, please?!“ Spielt DJ Harvey eine Platte in der Panoramabar steigt sie gleich im Preis. Exklusivität im DJ-Business ist heute ergo teurer und zugleich unexklusiver denn je. Wer Finn kennt, weiß aber auch, dass er sich daraus nicht allzu viel macht und er erklärt, wie man als DJ ganz besondere Perlen diggen kann, die weder rar, noch teuer sind. Natürlich mit zahlreichen Klangbeispielen.

So I went the other way and started playing cheap records that everybody else seemed to not know, or had forgotten about. Personally, I am now not digging more than ever, but it feels like it. And I loved the reactions of dancers and fellow DJs who checked Shazam or Discogs only to realize the record that just had everybody screaming was available from plenty of sellers in numerous countries for very little money.

Life At The Bottom

heimat

Foto: Paul David Smith (Widnes Road) Hofbrauhaus HO 1:87 Modellbahn via photopin (license)

Geh nach Hause, Heimat

Den Heimatbegriff nutzt nicht nur die Rechte oder die Mitte, sondern immer wieder auch die Linke. Und tut sich damit nichts Gutes, findet Roger Behrens und nimmt den Begriff der Heimat auseinander, der speziell von der Linkspartei zurzeit wieder als politisches Instrument hoffähig geworden ist und als Ort der Sicherheit, der Zukunft ausgemacht wird. Vielleicht, um Wähler von der Rechten zurück zu holen? Mit erfrischend altlinker Perspektive – Marx und Horkheimer werden unter anderem gegen die Heimat aufgefahren – nimmt Behrens diese Neudeutung auseinander und stellt klar: Es gibt eine Heimat, ja. Aber sie ist global, und sie liegt im Kommenden.

So ist Heimat eben nicht Herkunft, sondern Zukunft. Nämlich die Zukunft einer Welt, die erst noch einzurichten ist, die „gewonnen“ werden muss.

Heimat der Zukunft

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Bibio, The Belbury Circle und Anja Schneider

Buchrezension: Terry Burrows & Daniel Miller – Mute, die Geschichte eines LabelsGrafikdesign von 1978 bis morgen