Leseliste: 14. Juni 2015 - andere Medien, andere ThemenStadtschloss, Joshua Cohen, Giorgio Moroder und Fußballkultur in Katar

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Man kann nicht alle interessanten Texte finden, die die ganze Woche über publiziert werden, geschweige denn lesen. Immer sonntags stellt die Redaktion an dieser Stelle vier bemerkenswerte Artikel vor, die über unsere Displays geflimmert sind und dabei zum Glück abgespeichert wurden.

Stadtschloss

photo credit: Schloßplatz via photopin (license)

##Knallharter Kommunistenhass
In Berlin feierte dieses Wochenende ein Großbauprojekt Richtfest. Nein, nicht das, da war das Richtfest schon vor fünf Jahren. Es geht um das nicht minder kontroverse Stadtschloss, das dort hingebaut wird, wo es schon mal stand und dazwischen der Palast der Republik mit seiner state-of-the-art-Architektur (sechseckiger Saal, verschiebbare Wände, Bühnentechnik). Von „Erichs Lampenladen“ blieben nur die Lampen, die hängen heute in hippen Berliner Restaurants. Was sagt der Palast-Architekt Manfred Prasser eigentlich zum Stadtschloss und dem Entwurf von Franco Stella, der den Zuschlag erhielt? Ein launiges, aber nicht schrulliges Interview, das man nicht nur lesen, sondern sich in Teilen auch anhören kann.

„Ein solches Schloss ist gesellschaftspolitisch und historisch, Entschuldigung, Scheiße.“

Die Deutschen lassen ihren Hass immer an Steinen aus

##The Great American Internet Novel

Pynchon ist gescheitert, Eggers sowieso, jetzt versucht sich Joshua Cohen daran, sich dem Internet literarisch und nachhaltig zu nähern. Es scheint ihm geglückt. Im Gegensatz zu Eggers kann Cohen schreiben, hat die bessere Geschichte und beweist, dass der vermeintliche Niedergang unserer Sprache in der Online-Welt ganz erstaunliche Parallelen aufweist mit dem, was in der Literatur einst als revolutionär galt. Während die Redaktion Cohens „Book Of Numbers“ noch liest, porträtiert die New York Times den Autor.

„Sprache und Algorithmen.“

Nothing to Hide and Nowhere to Hide It

Mit aller Gewalt zur Sportnation

Ob die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar tatsächlich stattfinden wird, ist mittlerweile gar nicht mehr so sicher. Dass die Vorbereitung dafür – der Stadien, Hotels und Infrastruktur umfassende Bauwahnsinn – menschenrechtlich ein riesiges Problem ist, ist hingegen mehr als eindeutig. „Kafala“ nennt sich das System, mit dem ausländische Arbeiter temporär ins eigene Land geholt werden. Tatsächlich hat Katar aber noch ein ganz anderes Problem: Die Fußballkultur fehlt. Christian Spiller und Andrea Böhm haben sich im Wüstenstaat umgesehen und eine starke Multimediareportage mitgebracht.

„»In Amerika und Europa haben die Bewegungen für Bürger- und Arbeiterrechte Jahrzehnte gebraucht, bis sie ihre Ziele durchsetzen konnten«, sagt Al-Muftah, »gebt uns mehr Zeit«. Doch wenn Katar der Welt so triumphierend einen Blitzaufstieg zum Top-Player auf allen Gebieten vorführen kann, warum soll ausgerechnet der Schutz jener, die ihre Knochen dafür hinhalten, Jahrzehnte warten?“

Höher, schneller, Katar

Moroder

##Schrecklich perfekt
Giorgio Moroder hat ein Album rausgebracht, das erste nach 30 Jahren. Es hätte ja was werden können: Eine Etüde über verschiedene Motorenklänge, damit kennt der Mann sich aus. Ein lupenreines Non-Neo-Disco-Album, damit kennt der Mann sich aus. Es ist ein doofes, natürlich gut produziertes, klopfiges Dance-Pop-Funkalbum mit den üblichen zahlreichen Gastauftritten geworden - Britney Spears in einer überflüssigen „Tom´s Diner“-Coverversion, Kelis, Sia, auch Kylie Minogue kann es nicht rausreißen. Nichts für die heimische Wall of Sound des mitgealterten Elektronik-Genießers, eher was für die „Edeldisco“ in Moroders Südtiroler Heimat nach der Skifahrt - lasset den Hugo fließen - oder für die Pimkie-Umkleide. Auch Gomma-Records-Macher und ein Teil des ehemaligen Münchner Disco-Duos „Munk“, Mathias Modica, ist nicht angetan. Doch wie rezensiert man ein Album eines lebendigen Denkmals, ohne dieses von seinem Sockel zu stoßen? Er lässt die Mitbewohnerin zu Worte kommen.

„An den ödesten Stellen des Albums herrscht hochenergetischer Ohrwurmterror: Lala-Gesänge, explosive Breakdowns mit Trommelwirbeln. Musik für Leute, die keine Musik mögen.“

Ist das Musik für eine Autowerbung?

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Jamie xx, Fort Romeau und The Remote Viewer

Kritik der Kalifornischen Ideologie IIUnderstanding Digital Capitalism | Teil 8