Leseliste 18. November 2018 – andere Medien, andere ThemenMusikjournalismus, Gritty, Gamification und Kreuzfahrten

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Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.

Spex Cover

Musikjournalismus

Welche Zukunft oder Berechtigung hat heute noch Musikjournalismus? 2018 wurden bekanntlich die Printmagazine Intro, Groove und Spex eingestellt. Dabei wird gerne lamentiert, dass es keinen richtigen Bedarf mehr an Musikjournalismus gäbe. Aber Journalismus ist ja auch nicht gleich Journalismus. Die Bravo ist nicht die Wire und umgekehrt. Thomas Venker, früherer Intro-Chef, betreibt mit Linus Volkmann seit einigen Jahren das Online-Magazin Kaput. In seinem Text „The Long Goodbye / Hello Again – Quo vadis Musikjournalismus“ versucht er die Gemengelage zu verstehen und zu analysieren. Es ist kompliziert, aber auch nicht verloren. Vor allem wird es Zeit, die Köpfe und Ansprüche neu zu sortieren.

Nein, ich bin mir sicher: es ist nicht so, dass es keinen Bedarf mehr an engagiertem Musikjournalismus gibt. Ein solcher Musikjournalismus muss sich nur im ersten Schritt von der Idee befreien, dass er stets mit allen gleichzeitig kommunizieren will, und sich (zunächst zumindest) auf eine kleinere, greifbarere Community konzentrieren. Eine, mit der er sich gemeinsam einem Wertekanon verpflichtet fühlt, der eben auch andere Bindungen mit sich bringt als nur die nächste Titelgeschichte zu einem der ewig durchgewunkenen Dinosaurier der Popkultur, da nur diese noch als Kaufanreiz auf dem Cover funktionieren? Gerade jetzt, angesichts der massiven sozialen und politischen Verschiebungen rund um die Welt, gibt es ein großes Bedürfnis nach einem popkulturell definierten Ort, an dem man Kultur als das liest und im Dialog verhandelt, was sie ist: das Rückgrat unserer Gesellschaften.

The Long Goodbye / Hello Again – Quo vadis Musikjournalismus

Hier kommt Gritty

Maskottchen von Sportvereinen sollen putzig aussehen, plüschig, pummelig – so halt, dass Kinder sich gerne zusammen mit ihnen von Papas und Mamas Handy ablichten lassen. Gritty ist ein Gamechanger: Der neue Glücksbringer der Philadelphia Flyers sieht aus wie ... ja, wie was eigentlich? Seit das feuerrote Wesen mit brutal aufgerissenen Augen kürzlich der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, reißen die Zuschreibungen nicht ab: Ein Kämpfer für zivile und queere Rechte, ein Arbeiter, ein Antifaschist sei der Muppet auf Steroiden. Als Trump in die Stadt kam, tauchten Banner auf: Wir haben hier nur für ein orangefarbenes Arschloch Platz. Gritty, so scheint es, passt perfekt in die ungemütliche Malocher- und Sportverrücktenstadt an der Ostküste, ein Kollektivsymbol des Zorns. Ob die Sportclubs der Trump-Staaten wohl ihr Maskottchen-Design überdenken?

These are always half jokes, but they’re also things people are putting some real politics behind as well.

Gritty, the Philadelphia Flyers’ Bizarre New Mascot, Is Antifa Now

leseliste gamification

Play hard = Work hard

Gamification ist das Mittel der Wahl, um Leute bei der Stange zu halten – ganz egal um was es geht. Deshalb sammeln wir Bonuspunkte beim Einkaufen, können Mitarbeiter des Monats werden oder füttern Fitness-Apps mit jedem Schritt den wir Kraft unseres Körpers selbst zurücklegen: Noch einmal bis zur U-Bahn und zurück und im Profilbild erscheint ein goldenes Sternchen. Bei Fast Company wird auf die Geschichte von Gamification eingegangen und der Effekt auf unsere heutige Alltags- und vor allem Arbeitswelt beleuchtet. Ziemlich interessant und nebenbei erhellend.

„Gamified systems are tools, not toys.“

The dark side of gamifying work

In der Falle

Eine Seefahrt, die ist lustig? Die Statistik sagt: ja! Immer mehr Menschen verbringen ihren Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff – Tendenz nach wie vor steigend. Aber die Branche hat mit Negativschlagzeilen zu kämpfen. Zu recht, wie der Überblickstext bei Vox ein weiteres Mal belegt. Die Crew wird zu schlecht bezahlt, die Unternehmen zahlen so gut wie keine Steuern, und als Passagier sollte man – wieder zu Hause angelandet – den einen oder anderen Baum pflanzen: Die persönliche Umweltbilanz nach einer Cruise ist erschütternd schlecht. Auch die Bevölkerung der Länder und Häfen, in denen die Schiffe Station machen, profitieren nicht von den Besuchern – dazu ist das Business viel zu perfide organisiert. Bleibt das Leben an Bord: reglementiert und alternativlos. Gefährlich ist es zudem auch. Sexuelle Übergriffe sind an der Tagesordnung, und fällt man über Bord, sollte man nicht damit rechnen, dass das schnell genug bemerkt wird. Da bleibt man lieber in der Nähe des Büffets. Keine Pointe.

„Sexual assault is a problem on cruise ships. As of September 30, there were 60 reported sexual assaults this year on cruise ships, according to the Department of Transportation. NBC noted a 2013 congressional report found that minors were victims in one-third of assaults.“

The case against cruises

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Anderson .Paak, Jacques Greene und Monty Adkins

Mitgehört: Musik aus dem Filter-SchwarmHeute: Raban Ruddigkeit, Designer