Filter Tapes 037„Lush Sunnns“ von Lux
9.1.2020 • Sounds – Text: Ji-Hun Kim, Illustration: Susann MassuteDass Ambient derzeit so etwas wie der Sound der Dekadenwende ist, zeigt uns Lux in ihrem exklusiven Filter Tape. Die in der Leipziger Clubszene (Conne Island, Nachtdigital) sozialisierte und mittlerweile in Berlin lebende DJ war die vergangenen Jahre viel unterwegs. Sie bereiste mit ihren eleganten und gefragten Sets die Welt, widmet sich in ihrem Mixtape aber jenem Sound, der ihr jenseits des Dancefloors am wichtigsten ist. Was sie an Ambient so berührt, wie es ist, einen professionellen Umgang zum Auflegen zu finden und wieso weniger oft mehr ist, erklärt sie im Interview.
Es war gar nicht so leicht, ein Filter Tape von dir zu bekommen. Die letzten Jahre warst du viel beschäftigt und unterwegs.
Ich habe neben dem Auflegen dieses Jahr mein Studium abgeschlossen. Da war einfach viel los. Gerade ist das für mich eine spannende Zeit, und ich habe wieder ein bisschen mehr Luft für Projekte wie dieses Mixtape. Allgemein überlege ich, mich mehr dem Thema Produktion zu widmen, vielleicht auch weniger aufzulegen.
Die Fulltime-DJ-Karriere reizt dich nicht?
Ich merke, dass das DJ-Sein komplexer geworden ist. Ich habe das Gefühl, es gibt immer mehr DJs, und alle tun sich scheinbar schwer damit, die Aufmerksamkeit aufrecht zu halten. Man muss mittlerweile offenbar so viel investieren, um das langfristig erfolgreich machen zu können. Die große DJ-Karriere habe ich jedoch ohnehin nicht angestrebt. Das war nie das Ziel und das wird es wahrscheinlich auch nicht werden.
Erzähl uns über die Idee deines Filter Tape.
Das sind alles Stücke, die ich über das Jahr viel gehört habe. Während meiner Asienreise und über den Sommer. Ich hatte schon länger das Bedürfnis, diese Tracks in einem Format zusammenzufassen. Es gab jetzt aber keine Konzeptidee in dem Sinne. Ambient ist generell eine Musik, die ich viel höre. Wenn ich mich nicht für Gigs vorbereite, höre ich fast ausschließlich Ambient. Von daher habe ich eine spezielle Beziehung zu der Musik. Ich kann sie auch unbefangener hören, es geht nicht mit einem Pflichtbewusstsein einher. Meine Auseinandersetzung mit Ambient mache ich eher für mich alleine. Bei Clubmusik ist das etwas anderes, da denke ich mittlerweile leider auch automatisch auch an „Arbeit“. Ich schätze außerdem die tendenzielle Zeitlosigkeit von Ambient, durch die fehlende Dominanz von Rhythmik oder Tempo. Die kurze Lebenszeit von Clubmusik steht für mich im gewissen Gegensatz zum Konsum von Ambient. Das stillt bei mir andere Bedürfnisse.
Viele entdecken Ambient für sich erst im späteren Alter. Wann ging es bei dir los?
Recht früh. Als ich elektronische Musik für mich entdeckte, interessierte ich mich zunächst für Electronica, und darüber bin ich zum Ambient gekommen. Wobei Ambient heute im Clubkontext scheinbar ein großer praktischer Sammelbegriff geworden ist, der für sehr viel zu stehen scheint ...
Ambient ist ein bisschen auch wieder zum Trend geworden.
Das hat in der Tat Konjunktur. Mir geht es aber nicht nur um den akustischen Ausgleich zur Clubmusik. Es gibt auch Phasen, in denen ich viel spiele und privat so gut wie gar keine Musik höre. Ambient fordert nicht viel ein, hat aber dennoch eine faszinierende Komplexität. Gerade in dieser Reduktion finde ich spannend, was für gewaltige Stimmungsbilder das Genre erzeugen kann. Ich glaube, dass Ambient viele zeitgenössische strukturelle Bedürfnisse bedient.
Da muss ich nachhaken.
Ich war mal bei einem Theaterstück von Susanne Kennedy in der Volksbühne. Die gesamte Zeit über lief ein atmosphärischer Ambient-Loop. Irgendwann registrierte ich, dass ich gar nicht mehr in der Lage war, kritische Distanz zum Stück zu bewahren, weil mich der Loop so eingelullt hatte – er veränderte mein Urteilsvermögen. Kennedy macht das sehr oft in ihren Stücken, was ich kritisch, jedoch auch spannend finde. Ambient ist schließlich eine ästhetische und anschmiegsame Musik, hat aber auch viel Kraft. Sie bietet zugleich viele Ansätze der Interpretation.
Gehst du prinzipiell anders vor, wenn du einen Clubmix vorbereitest oder einen Mix wie dein Filter Tape?
Tatsächlich nicht. Der Clubmix ist zwar eine wichtige Visitenkarte für DJs, aber meistens nehme ich mir auch da das Recht raus, zu machen, worauf ich Lust habe. Meistens passiert das relativ kopflos. Ich plane zwar einen Mix, und das braucht auch viel Zeit. Wenn ich jedoch erstmal anfange aufzunehmen, werfe ich die meisten Pläne wieder über Bord. Was man sich zuvor ausgemalt hat, geht oft gar nicht so zusammen wie gedacht. Das macht es jedoch nicht weniger reizvoll.
Du warst jetzt viel als DJ unterwegs. Spielst regelmäßig im Berghain/Panoramabar, IfZ, du warst wie erwähnt in China und Japan unterwegs. Wie lässt sich das an, wenn man parallel studiert?
Gerade die gleichzeitige Belastung war schon intensiv. Auch wenn das ein Prozess war, der sich über mehrere Jahre gezogen hat, wurde man immer überrollt, von dem, was passiert. Auch weil das alles überhaupt nicht geplant gewesen ist. Der Punkt, an dem das, was man aus Leidenschaft macht, einem sowohl eine finanzielle Sicherheit, aber auch Abhängigkeit gibt – damit musste ich erstmal lernen umzugehen. Ich haderte lange mit mir, ob ich da überhaupt rein will. Für viele bedeutet dieser Schritt wohl auch, dass man durch so eine Entscheidung einen Teil seiner Leidenschaft abgibt. Das muss natürlich nicht zwangsweise passieren. Für mich war das jedoch eine Herausforderung und endete auch in der Entscheidung weniger Gigs zu spielen.
Du hast das Thema Leidenschaft angesprochen. Es gibt DJs, die berichten, dass die Arbeit auch abstumpfen kann. Dass viele den ursprünglichen Zugang zur Musik verlieren. Wie gehst du damit um?
Eine Frage war, ob ich damit hauptberuflich Geld verdienen will. Die Momente im Club sind natürlich immer wieder bestätigend, großartig und machen einem klar, wieso man das überhaupt macht. Unter der Woche ist der Druck da, neue und passende Musik zu finden. Während ich auch finde, dass es tendenziell anstrengender wird, gute Musik zu finden.
Aus welchen Gründen?
Es gibt ja diverse pseudo-demokratische Entwicklungen, was die Veröffentlichung von Musik angeht. Heute kann man mit wenig Geld einen Release machen und gefühlt machen das auch alle. Meiner Meinung nach gibt es mittlerweile einen auffälligen Überschuss an DJs und Produzenten. Das ist auf der einen Seite natürlich toll. Für DJs, die gute Musik kuratieren möchten, ist es jedoch ungleich schwieriger geworden, in diesem Dschungel gut produzierte, nachhaltige Sachen zu finden, die intelligent gemacht sind. Für mich persönlich stellt die Suche nach Musik eine ungemeine Herausforderung dar. In diesen Phasen unter der Woche frage ich mich schon oft, wieso ich das eigentlich mache. Wieso gehe ich einer Profession nach, die so schnelllebig ist? Die Musik selbst ist schließlich nicht weniger flüchtig geworden. Mich macht das unruhig. Es kann auch frustrierend sein, denn ein Gefühl der Befriedigung ist unter der Woche schwierig herzustellen. Eigentlich fühle ich mich oft erst im Club für den Stress versöhnt, den ich mir unter der Woche mache. Es verschärft sich natürlich auch der eigene Anspruch.
Auflegen ist oft auch eine recht einsame Angelegenheit.
Vor zwei Jahren habe ich angefangen, mit einer Agentur zu arbeiten. Da musste ich schnell lernen, dass das eine ganz eigene Dynamik entwickeln kann. Nun geht es plötzlich nicht mehr darum, in einem Jahr mal in die USA zu reisen, sondern im gleichen Jahr noch nach Asien und Australien. Dabei merkte ich für mich, dass ich das nicht machen möchte. Auch wenn es auf dem ersten Blick natürlich verlockend und spannend klingt. Es geht mir zum einen um die Wertschätzung langer Reisen, zum anderen finde ich das nicht notwendig, alle Kontinente in einem Jahr mitzunehmen. Zumindest, wenn man das nicht unbedingt tun muss.
„Durch meine Sozialisation in Leipzig war Clubkultur für mich per se eine politische Angelegenheit. Das Umfeld, in dem ich mich bewegt habe, war hochpolitisch. Es war eine eigenartige Erfahrung wahrzunehmen, dass das ein Privileg war.“
Kann die Demokratisierung nicht auch Vorteile haben?
Natürlich, wenn jeder theoretisch Musik veröffentlichen kann und das Angebot sehr groß ist, dann wird dadurch auch der Qualitätsmaßstab höher angelegt. Ich denke, dass auf beiden Seiten eine Menge passiert.
Was hast du durch das viele Auflegen noch für dich mitgenommen?
Ich habe festgestellt, wie unterschiedlich Clubkulturen sein können. Durch meine Sozialisation in Leipzig war Clubkultur für mich per se eine politische Angelegenheit. Das Umfeld, in dem ich mich bewegt habe, war hochpolitisch. Es war eine eigenartige Erfahrung wahrzunehmen, dass das ein Privileg war.
Da ist Leipzig aber auch besonders.
Es hat etwas von einer Blase. Als ich in Berlin anfing auszugehen und plötzlich zehn Euro Eintritt zahlen sollte und doppelt so viel an der Bar, fragte ich mich schon: Warum machen die Leute das? Ich kannte das wirklich nicht. Ich dachte naiv, so wie es bei uns ist, müsste es überall sein. Alleine innerhalb Deutschlands gibt es große Unterschiede. Noch größer werden sie, wenn man z.B. in den USA spielt. Wir haben irgendwie alle eine mystifizierte Vorstellung von der amerikanischen Clubkultur. Wenn man das heute jedoch erlebt kann das schon desillusionierend sein. In Asien, vor allem Japan, habe ich ganz eigene Erfahrungen gemacht. Bei meinem ersten Gig in Nagoya war nicht viel los, jedoch haben sich die Menschen dennoch ganz homogen auf der Tanzfläche verteilt. Im Laden war es außer der Musik still. Es wurde sich nicht unterhalten. Diejenigen, die auf der Tanzfläche waren, haben wirklich nur getanzt. Sie waren extrem aufmerksam und konzentriert in der Musik, das hatte ich noch nicht erlebt und ging mir unter die Haut. Ein bisschen unheimlich, aber auch faszinierend und toll. Sonst kennt man es von Partys eher, dass alle extrovertiert und laut werden. Das war für mich in Japan völlig anders.
Du hast vorhin angedeutet selber mehr Musik machen zu wollen. Kann man darüber was erzählen?
Das nehme ich mir schon länger vor. Mir ist jedoch klar, dass Produzieren viel Zeit in Anspruch nimmt. Ich weiß auch noch nicht, was dabei genau herauskommen soll, könnte mir jedoch auch vorstellen, dass das keine Clubmusik wird. In meiner Jugend hatte ich mal ein Grunge-Projekt, wo ich Bass gespielt und gesungen habe. Schlagzeug und Gitarre hatte ich auch gespielt, bevor ich mit dem Auflegen angefangen habe. Ich werde bestimmt keinen Grunge mehr machen, aber ich kann mir gut vorstellen, Elektronik und Instrumente zu verbinden. Das Bedürfnis nach Haptik kommt bei mir immer wieder hoch, deshalb lege ich auch so gerne mit Platten auf, weil ich wenigstens dieses haptische Gefühl für mich aufrecht halten möchte. Ich habe ja bereits von dem Überfluss von Clubmusik gesprochen. Meine Motivation zu diesem Überfluss auch noch eigene Techno-Produktionen hinzuzufügen, erschließt sich mir derzeit noch nicht ganz. Es könnte wohl helfen, nicht zu viel über alles nachzudenken, die Tätigkeit als DJ außen vor zu lassen und Musik erstmal als Selbstzweck zu machen. Gucken wir, was passiert.
Tracklist
Samuli Kempi – Watching
Maps And Diagrams – Longshore Drift
Laraaji – Unicorns In Paradise
Susumu Yokota – Kodomotachi
Internazionale – Blue Envies the Colour Green
Garies – Dick & Nancy
Vakula – Tale Of The Eternal Thought (different version)
1991 – No More Dreams I
Not Waving – Transitions 2 3 Alarm Sound
Isorinne – Triadarp
Island People – From The Sky
Ripperton – Where The Wind Blows
Colours of Infinity – Orange Sky
Occult Orientated Crime – Natufian Modelling Agency