Plattenkritik: 2562 - The New TodaySymphonie und Alltag
17.10.2014 • Sounds – Text: Thaddeus HerrmannDave Huismans hat dem Dancefloor schon immer Knüppel zwischen die tanzenden Beine geworfen. „The New Today“ ist sein bisher bestes Album.
Ein bisschen House, ein bisschen von dem, was man eine Zeit lang Dubstep nannte, viel Techno. Der Holländer Huismans hatte schon immer viele musikalische Seelen in seiner Brust, wobei er die im Herzen und vor allem im Studio nie wirklich voneinander getrennt hat. Musik, das ist ein großes Ganzes. Es zuckt mal so, mal so. Auf seinem neuen Album spielt das alles keine Rolle mehr.
Denn „The New Today“ wagt erfolgreich einen Spagat, an dem aktuell viele Produzenten kläglich scheitern. Auch das Upfucken will gelernt sein. Wer seine Stücke rumpeln lassen, sie wie ein Kartenhaus zusammenfallen lassen will, der sollte zunächst mit dem Maßband lernen, wie man Beats gerade baut. Wer die Schönheit von Symmetrie nicht kennt, kann sie hinterher auch nicht dekonstruieren. Dann ist alles nur ein beliebiger Livestream aus dem Schredder.
Drei Jahre ist es her, seit Huismans ein Album als 2562 veröffentlicht hat. Überhaupt hat sich der Produzent in letzter Zeit eher rar gemacht, was Releases angeht. Zur Erinnerung: So klang 2562, als er „Fever“ hatte.
Konventionell? In keinster Weise. Aber trotz aller Diversität und gekonnt lässigen Abschweifungen doch mit einem Fokus auf den unterschiedlichsten Formen eines nachvollziehbaren Swings. Der verschwindet jetzt, jedenfalls zum großen Teil.
Groß ist genau das richtige Stichwort für „The New Today“. Die acht Tracks sind mit einer Art unsichtbarem Kleber miteinander verbunden, es ist ein Kammerspiel mit symphonischen Anklängen, ernsthaft, sperrig, dampfwalzig umhauend. Das killt keinen Flow. Das ist der neue Flow. Bitte hinsetzen, wir öffnen jetzt ihren Kopf.
Es gibt viele Ansätze, Musikgeschichte aufzuarbeiten, zusammenzubringen, neu zu kontextualisieren, fit zu machen für die Gegenwart. Aber das ist meistens scheiße. Tracks aus einer bestimmten Epoche brauchen doch höchstens ein paar dB mehr, um heute bestehen zu können, bestimmt keine neuen Bassdrums. Und was Huismans hier macht, geht weit darüber hinaus. Er schickt uns auf eine Reise, die so noch niemand angetreten hat. Dunkle Industrial-Anleihen, dronige Tiefe, Afro-Funk, moderner Dub, klassische Zitate, alles kongenial referenziert und zu etwas Einzigartigem verbunden. Eine Art essentielle Essenz.
Komprimiert war auch der Entstehungsprozess. Sechs Wochen, fern der holländischen Heimat im überhitzen New York sind die Stücke entstanden: Das muss ein furchtbarer Sommer gewesen sein. Gewittrig, schwül, mit vielen Implosionen hoch oben am Himmel. Manchmal haben solche Naturgewalten auch ihr Gutes.