Rumdümpeln bei 90 BPM ist nicht mehr erlaubtBeacon über ihr zweites Album „Escapements“

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Von zwei Musikern, die ernst machen. Thomas Mullarney und Jacob Gossett sind mit ihrem erst auf den zweiten Blick eigenwilligen Mix aus Synth-Pop, R&B, Rave-Anleihen und melancholischem Schwermut schwer einzuordnen. Auf ihrem neuen Album bauen sie diese Unberechenbarkeit im Sound noch weiter aus. Weil's nicht anders geht.

Als ich die Musik von Beacon zum ersten Mal hörte, dachte ich, Thomas Mullarney wäre eine Frau. „Cool“ (ich zu mir, mental note), „endlich mal eine Band, in der …“

Es hätte ja klappen können.

„The Ways We Separate“, das erste Album des Duos aus Brooklyn und mein erster Kontakt mit Thomas und seinem Mitstreiter Jacob Gossett, war und ist ein merkwürdiges Stück Sound, eine ambitionierte Mischung aus Dingen, die man so schon länger nicht mehr gehört hatte. Dem Phänomen Beacon kann man sich auf ganz unterschiedliche Weise nähern. Da ist der offensichtliche Zugang, die Musik. Hört man die Platte mit seinen Scheuklappen-Kopfhörern, dann klingt sie wie eine Hommage an den Synth-Pop längst vergangener Zeiten. Süßlich mit melancholischem Dreh, mitunter ein bisschen käsig, sehr einfach gehalten in der Produktion, keine großen Skills zu erkennen oder zu hören. Und doch faszinierend. Vielleicht, weil einem dieses geplant Anachronistische, das Gewöhnliche dann doch näher und vertrauter erscheint, als einem lieb ist. Weil es einem mehr über unsere Welt erzählt, als der übliche popkulturelle Eskapismus, diese Radio-taugliche Flucht aus dem Alltag, die nie länger sein darf als 3’30“ – je länger die Blende am Ende, desto besser.

Beide Tracks vom Album „The Ways We Separate“

Aber natürlich steckt mehr hinter Beacon. Die Art und Weise wie Thomas vor dem Mikrofon steht und singt, fügt dem Sound der Band eine spezielle und einzigartige Komponente hinzu. Erst die Stimme verleiht den freundlichen, aber doch ausdruckslosen Klängen Gewicht, weist sie in die Schranken und macht sie zu einem Gerüst, um das sich Track für Track – Geschichte und Haltung – Bedeutung – emporranken wie Schlingpflanzen, die sich an Häuserwänden festhalten, vom Winde aus ihrem angestammten Habitat verweht.

Auf dem neuen Album von Beacon, „Escapements“, weht dieser Wind noch heftiger.

Thomas und Jacob sind busy. Wenige Tage nach dem Interview soll ihre Tour durch die USA beginnen, es gibt noch einiges zu tun. Auch wenn – die erste Überraschung – Beacon sozusagen auf der Bühne geboren wurde. Thomas und Jacob sind nicht die zwei Studio-Nerds, umgeben von Elektrosmog, die ihre Musik nur widerwillig live umsetzen, ganz im Gegenteil. „Wir haben uns ja in der Kunstszene kennen gelernt, waren da beide sehr aktiv und hatten schon damals ein Faible für Performances. Wir sind es gewohnt, etwas vor Publikum zu tun, egal ob Video-Installation oder Musik. Wir wollen das auch gar nicht anders“, sagt Thomas. Immer und immer wieder sind sie in den vergangenen Jahren durchs Land gezogen, auch durch die Gegenden und Bundessaaten, in denen elektronische Musik immer noch nichts gilt und gerade von kleineren Clubs nicht mal mit der Kneifzange angefasst wird. Eigentlich. Vor so einem Publikum mit der eigenen Musik zu bestehen, hat die beiden zusammengeschweißt. Und auch die Arbeit am neuen Album bestimmt.

##Midtempo ist keine gute Idee
„Auf dem letzten Album hatten wir einige Stücke, die bei 90 BPM rumdümpeln. Auf Platte ist das toll, live aber sehr schwierig umzusetzen. Das ist diese Geschwindigkeit, zu der sich kein Publikum gerne bewegt. Das schaut eher mehr oder weniger orientierungslos nach vorne und peng! muss man wieder von vorne anfangen. Dieser Erfahrung hat die Arbeit an der neuen Platte wahrscheinlich stärker beeinflusst, als alles andere. Es geht nicht darum, dass wir hier im Studio eine gute Zeit haben und uns in Details verlieren. Es muss auch auf der Bühne funktionieren“, sagt Jacob. „Mit dieser Prämisse haben wir produziert.“

„Die Songs sind ein Stimmungsbild dessen, was uns in den letzten Monaten beschäftigt hat.“

Und genau an dieser Stelle wird es spannend, weil: anders. „Escapements“ nutzt zwar eine ähnliche Klang-Palette wie der Vorgänger, behält also diese gewisse Naivität und ein vermeintliches Desinteresse an Sound Design bei, bricht aber das angestammte Beacon-Konstrukt aus Tempo und Stimmung auf, ist unberechenbarer, überraschender, manchmal auch besser. Zum Beispiel dann, wenn Rory O’Connor, der Dummer von Tycho, die beiden am Schlagzeug begleitet und beim letzten Track des Albums „You’re Wondering“ dem Sound von Beacon eine völlig neue Komponente hinzufügt. Da wundert man sich dann in der Tat, bekommt nicht nur eine Ahnung davon, wie sich die Band auf der Bühne von ihren mitunter klebrigen Sound emanzipiert, sondern auch davon, wie es zukünftig weiter gehen könnte. Auch neu: die Liebe zur auf dem Dancefloor gelernten Straightness, die in vielen Songs eine tragende Rolle spielt. So richtig gut steht das den beiden Musikern nicht, der Sache dienlich ist es aber bestimmt.

„Wir finden das ja super“, wirft Jacob ein, „sonst hätten wir die Platte ja nicht so gemacht. Wir fühlen uns so vielen unterschiedlichen Arten von Musik verbunden, ziehen unsere Einflüsse nicht nur aus einem Genre. Das spiegelt sich auf dem Album wieder. Hoffentlich empfinden das die Leute, die die Platte kaufen und auch unser erstes Album kennen, genauso als etwas Positives und fühlen sich nicht vor den Kopf gestoßen. Die Songs geben eine Art Stimmungsbild dessen ab, was uns in den letzten Monaten beschäftigt hat. Das kann auf der nächsten oder übernächsten Platte schon wieder ganz anders klingen, aber anders könnten wir gar keine Musik machen. Wir sind beide eher die ruhelosen Typen, wenn es um Musik geht.“

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##Björk und das MoMa
Werden wir mal hypothetisch: Angenommen Beacon würde eine Auftragsarbeit vom Museum of Modern Art bekommen. Von den Kuratoren gibt's eine carte blanche, die Band dürfte machen was sie will. Einzige Bedingung: die komplette Platte müsste sich einem Genre zuordnen lassen. Welches wäre das? Thomas schweigt. Raunt ein kurzes „Fuck“, kratzt sich am Kopf und schweigt wieder.
Und dann sagt Thomas, dass das gar nicht ginge, so funktioniere Beacon nicht, auch wenn man auf der aktuellen Platte an so viele und unterschiedliche Arten von Musik anknüpfen würde.

„Mich haben immer Musiker besonders beeindruckt, die sich eben nie festlegen ließen auf einen Sound. Björk zum Beispiel. Wie sie sich von Platte zu Platte entwickelt und verändert hat, hat mich bei jeder neuen Veröffentlichung sehr beeindruckt. Unsere Herangehensweise an Beacon ist ähnlich. Die eine Platte in einem Genre wird es nie geben. Weil wir während der Produktion, ganz egal wie projektorientiert die auch sein mag, immer wieder Dinge umstoßen, tauschen, ergänzen und erweitern würden. Ich will uns nicht mit Björk vergleichen, auf keinen Fall, aber bei aller Diversität hört man sie immer heraus. Nicht nur wegen ihrer Stimme. Ich hoffe, dass uns mit Beacon etwas ähnliches gelingt, dass es ein paar Konstanten in unserer Musik gibt, die eindeutig nach uns klingen. Was da herum passiert, kann, muss und wird sich immer ändern. Die Basis jedoch, diese Grundidee, die setzt sich fort. Und macht Beacon zu Beacon.“

Beacon also. Gleicher Schnitt, neuer Look? Nein. „Escapements“ ist immer noch der wundervolle Bilderrahmen des ersten Albums, bespannt mit neuer, frischer und farbenfroher Leinwand.

Beacon, Escapements, ist auf Ghostly erschienen.

Album bei iTunes

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