Asexueller KinderfaschingFilmkritik: „Glass“ von M. Night Shyamalan

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Alle Fotos: © Universal Pictures

Mit seinem neuen Film „Glass“ beendet M. Night Shyamalan seine „Eastrail 177“-Trilogie. Oder doch nicht?! Alexander Buchholz hat den schweren Verdacht, dass der Regisseur und sein Studio mit dem Film vor allem versuchen, ein neues Franchise-Produkt an den Start zu bringen.

Können Filme nicht einfach mal vorbei sein? Muss das heutzutage immer gleich ausarten mit Sequels und Prequels und Spin-offs!?! Macht doch einfach mal einen Film, der mit keinem anderen Film was zu tun hat! Und dann noch einen. Und dann noch einen. Und greift euch nicht einfach den alten Titel und klemmt eine Zahl dahinter! Wenn ihr dann außerdem auch noch alle Superhelden in Rente schickt, macht ihr mich zu dem glücklichsten Filmkritiker aller Zeiten!
Ach, was soll’s. 2018 hat schon nicht auf mich gehört – warum sollte 2019 meine frommen Wünsche anders handhaben? Kommt mal mit auf die Homepage des VdFs, dem Verband der Filmverleiher. Klickt mal oben links auf „Starttermine und Filmsuche“ und sortiert euch die Ansicht mal „nach Verleihern“. Ein Blick auf das, was die Majors demnächst so ins Kino bringen, offenbart das ganze Elend für das neue Jahr. Ganz besonders schlimm treibt es Universal Pictures, natürlich. Nichts als Fortsetzungen. Oder Platzhalter. Was mag „Untitled Blumhouse Productions Project“ wohl sein? The Conjuring 5? Oder doch Halloween 12? Oder sind wir schon bei Teil 13 gelandet? Ich weiß es nicht und es ist mir auch schnurzpiepegal!

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To be continued ...

Ausgesprochen gemein ist es, wenn Filme einen in die Falle locken: Wenn sie so tun, als seien sie ein einzelnes, singuläres Werk. In diesem Zusammenhang war Split (USA/J 2016), den ich erst Ende letzten Jahres gesehen habe, besonders frustrierend. Da verwandelt sich die äußerst reizende Brian-DePalma-Hommage just mit dem Twist am Ende in den zweiten Teil eines Superhelden-Franchises. Das nenn ich mal eine unerwartete Wendung! Und das vom Meister der unerwarteten Wendung, M. Night Shyamalan. Da schwenkt auf einmal Bruce Willis’ Quadratschädel ins Bild und verknüpft so den Thriller mit dem Meta-Superhelden-Streifen Unbreakable (USA 2000). Unbreakable sei schon immer der 1. Teil einer Trilogie gewesen, behauptet Shyamalan doch glatt. Ich glaube dem Kerl kein Wort. Ich glaube, die Clowns von Universal haben ihn dazu gezwungen, Split zu Unbreakable 2 und Glass zu Unbreakable 3 zu machen, nachdem sie verdientermaßen mit ihrem Dark Universe baden gegangen sind und nun das Zirkuszelt in Flammen steht.
Nachdem wir alle deren selten beknackte Idee, ihre Horrorgestalten aus den 1930er- und 1940er-Jahren in Marvel-Manier wieder auferstehen zu lassen, als eben selten beknackte Idee erkannt haben, braucht das Studio jetzt ganz dringend ein Hit in Serie. Und – spoiler alertGlass wird, wenn der Film denn erfolgreich sein sollte, wild wuchern und Sequels und Prequels und Spin-Offs usw., usf. hervorbringen.

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M. Night Shyamalan am Set von Glass

Zugegeben: Meine Theorie ergibt nicht wirklich Sinn, lief Split doch schon im Kino, bevor The Mummy floppen konnte. Und doch ist das, was ich hier erzähle, um einiges schlüssiger als der Plot von Shyamalans neuestem Film. Glass bringt die Figuren aus Unbreakable, Bruce Willis’ scheinbar unkaputtbaren und deprimierten Held wider Willens, David Dunn, und Samuel L. Jacksons gebrechliches, diabolisches Mastermind, Mr. Glass, zusammen mit James McAvoys schizophrenem Serienkidnapper Kevin Wendell Crumb aus Split, der vielleicht, vielleicht auch nicht, übernatürliche Kräfte hat. Eingefangen von Dr. Ellie Staple (Sarah Paulson), finden sich die drei in einer psychiatrischen Klinik wieder, wo ihnen ihre Flausen aus dem Kopf getrieben werden sollen. Das Drehbuch räumt Dr. Staple nur wenige Tage Zeit ein, um ihre Patienten davon zu überzeugen, dass ihre vermeintlichen Superkräfte nur ihrer Einbildung entspringen. Es entspinnt sich ein Katz- und Mausspiel zwischen den Kontrahenten, bei dem jeder seine eigene Agenda verfolgt.

Willis
Jackson

Achtung, Plot Twist

Hier kommt eine überraschende Wendung: Ich fand Glass ziemlich lahm! Oder war das jetzt gar keine überraschende Wendung? Ich weiß es nicht mehr: Mir ist ganz schwummrig im Kopf nach all den plot twists und falschen Fährten, die Shyamalan einem immer zumutet.
Gänzlich ohne Charme ist Glass nicht: James McAvoys Spiel ist eine einzige Freude. Samuel L. Jackson macht eine ganze Menge aus dem Wenigen, das er an die Hand bekommen hat. Letztendlich aber kriegt der Film das Fass nicht zu, das Split aufgemacht hat. Zusätzlich will Glass dann auch noch eine Abhandlung über den Zweck populärer Mythen im Allgemeinen und über die Rolle von Comicheft-Kultur im Besonderen sein und ist dann doch nur der übliche asexuelle Kinderfasching. Black Panther und Avengers: Infinity War hatten da wenigstens noch einige recht spektakuläre Schauwerte zu bieten, Glass hingehen bleibt ganz steif und protestantisch.

Und hier habe ich noch eine überraschende Wendung für euch: Jetzt verwandelt sich der Versuch einer Rezension von Glass in eine Kurzkritik von The Favourite, dem neuen Film von Yorgos Lanthimos (The Lobster, The Killing of a Sacred Deer)! Crazy! Und unerwartet! Na, und wie war der? Nett war der! Lustig. Die sind alle pompös kostümiert und grundlos gemein zueinander und schubsen sich ständig. Als hätte Lanthimos Twitter verfilmt. Und das Beste: Der Film bekommt bestimmt keine Fortsetzung.

Glass
USA 2019
Regie: M. Night Shyamalan
Drehbuch: M. Night Shyamalan
Darsteller: Bruce Willis, Samuel L. Jackson, James McAvoy, Sarah Paulson, Anna Taylor-Joy, Spencer Treat Clark, Charlayne Woodard
Kamera: Mike Gioulakis
Schnitt: Luke Ciarrocchi, Blu Murray
Musik: West Dylan Thordson
Laufzeit: 129 min
ab dem 17.01.2019 im Kino

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