Immer noch SoloFilmkritik: „Solo: A Star Wars Story“

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Alle Fotos: © 2017 Lucasfilm Ltd.

Nach kreativen Differenzen mit den Disney Studios mussten die ursprünglichen Regisseure von „Solo: A Star Wars Story“ ihre Stühle räumen. Phil Lord und Christopher Miller machten Platz für den Hitgaranten Ron Howard, der zum Beispiel „The Da Vinci Code“ verantwortet und kurzerhand das meiste neu drehen ließ. Haben sich die Probleme bei den Dreharbeiten im Film niedergeschlagen? Alexander Buchholz verrät es euch.

Was mich ein wenig wurmt: Generationen zukünftiger Star-Wars-Fans, die nun mit der neuen Trilogie, also mit Das Erwachen der Macht, Die letzten Jedi und dem bislang unbetitelten neunten Teil aufwachsen, werden nie die Gelegenheit haben, Star Wars auf die Art erleben zu dürfen, wie es sich eigentlich gehört: Anfang der 1980er-Jahre als staunender Neunjähriger mit seinem besten Freund vor der für damalige Verhältnisse riesigen Röhrenglotze, die sich dessen offensichtlich reiche Eltern nebst Videorecorder und dazugehöriger Kaufkassette leisten konnten. Denn nur im glorreichen 4:3-Bildformat entfaltet sich die ganze Pracht von George Lucas’ Vision – und das gilt doppelt und dreifach für die Szene, in der Han Solo Greedo einfach die Eier wegballert, nur weil der ihm dumm kommt.

Das waren noch Vorbilder, die man sich mangels elterlicher Aufsicht ins Wohnzimmer einladen konnte, damals. Wer sich nach einem geeigneten Vaterersatz umschauen musste, wurde bei Harrison Ford schnell fündig – natürlich auch wegen dessen Rolle als Indiana Jones. Fords Beitrag zu Star Wars kann man unmöglich überschätzen. Sein blendendes Aussehen, sein Charme und auch sein kreativer Input wuchtete jeden B-Film-Trash in sublime Gefilde.

Ford verlieh seinem Han Solo exakt die Dosis Westernheld-Sarkasmus, die verhinderte, dass Star Wars noch mehr von den Märchenmotiven überwältigt wurde, als dies eh schon der Fall war. Die Figur war ein idealer Sidekick für Mark Hamills blauäugig-blonden Skywalker. Ein pragmatischer Techniker, der seinen Kompagnon kurzerhand in totes Nutzvieh reinstopft, um ihn vor dem Kältetod zu bewahren.

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Backstory Overdose

Hier nun also die Geschichte, wie Han Solo (Alden Ehrenreich) so ein abgebrühter Hund geworden ist. Und woher er seinen Namen hat. Und wie er und Chewbacca (Joonas Suotamo) sich kennengelernt haben. Und wie er sich den Millennium Falcon ergaunert hat – das ist das Raumschiff, das so aussieht wie Pacman. Und von welchem Planeten er stammt. Und was mit seiner Jugendliebe (Emilia Clarke) passiert ist? Ja, auch das erfahren wir. Als Prequel bzw. Spin-off meint Solo sich all dieser Fragen annehmen und die Bilder für Han Solos Backstory nachliefern zu müssen, egal, ob einen diese Antworten interessieren oder nicht. Maurice Lahde von critic.de trifft es ziemlich genau, wenn er beklagt, dass das lückenlose Auskleiden des Star- Wars-Universums lediglich dessen „mythisches Hintergrundrauschen“ verstummen und es in der Folge nur noch konstruierter aussehen lässt.

Solo ist über weite Strecken recht amüsant und dann aber wieder ziemlich einfallslos. Einiges bleibt Pastiche, anderes klopft ganz raffiniert die Star-Wars-Mythologie auf ihre Widersprüche ab: Da fordern Roboter auf einmal ihre Rechte ein und lassen es nicht länger zu, nur Bürger zweiter Klasse zu sein. Und wie gestaltet sich der Krieg der Sterne eigentlich aus der Perspektive des einfachen Fußsoldaten? Es kann ja nicht jeder Luke Skywalker sein. Ist ganz schön matschig im Schützengraben, stellt sich heraus. Auch, dass da im Imperium Beamte sind, die dröge Verwaltungsjobs übernehmen müssen, bekommt man mal gezeigt. Dass der Millennium Falcon einen begehbaren Kleiderschrank hat, weiß man jetzt auch und wird es nie wieder vergessen können.

Das passt ins Bild: Denn wer das Star-Wars-Universum nicht komplett auszublenden versucht, kann heutzutage teilhaben an einer Populärkultur, die zu einem einzigen Referenzsystem geworden ist. Da wäre, um nur ein Beispiel zu nennen, die Arrested Development-Bearbeitung von Episode IV – Eine neue Hoffnung, für die man, um sie lustig zu finden, allerdings auch Arrested Development gesehen haben muss – und zwar mindestens die ersten drei Staffeln. Alternativ kann man sich auch darüber amüsieren, dass rechte Trolle sich über die Diversität in ihrer einstigen Lieblingsfantasiewelt schwarz ärgern und die zunehmende Wichtigkeit von weiblichen Star-Wars-Charakteren betrauern. Feminazis in Space. In merkwürdigen Zeiten leben wir gerade.

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Die ursprünglich engagierten Regisseure Phil Lord und Christopher Miller soll es den Job gekostet haben, dass sie mehr auf Komik und Improvisation setzten und deswegen mit Drehbuchautor Lawrence Kasdan aneinandergerieten. Ron Howard hat dann die Inszenierung übernommen und aus dem Film eine ökonomisch erzählte Heldenreise gemacht. Lieber hätte ich eine Anti-Heldenreise gesehen. So ein richtiger Outlaw ist Ehrenreichs Han Solo nämlich mitnichten. Eher ein Karrierist. Der beste Pilot der Galaxis will er werden, unbedingt.

Im Kern erzählt Solo von jemanden, der mit seinem Start-up so richtig geil abheben will und links und rechts das halbe Universum übers Ohr haut, um das nötige Risikokapital zusammenzukriegen. Folgerichtig endet Solo auch nicht mit der Zerstörung einer Raumstation oder gar einem Lichtschwertduell, sondern in einem spärlich möblierten Konferenzraum. Da ist Solo auf einmal das Remake von Das Geheimnis meines Erfolges. Das zu sehen, hätte ich nie erwartet. „Aber wie sehenswert ist der Film denn nun? Komm doch mal auf den Punkt,“ ruft ihr da. Ja, doch, der ist schon ganz okay. Ich bin grundsätzlich froh, dass es Star Wars noch gibt. Mir fließt jetzt vor Freude nicht direkt die Frühstücksmilch durch die Nase wieder raus, aber ich bin ja auch keine neun mehr.

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Solo: A Star Wars Story
USA 2018
Regie: Ron Howard
Drehbuch: Jonathan Kasdan, Lawrence Kasdan
Darsteller: Alden Ehrenreich, Woody Harrelson, Emilia Clarke, Donald Glover, Paul Bettany, Thandie Newton, Joonas Suotamo
Kamera: Bradford Young
Schnitt: Pietro Scalia
Musik: John Powell
Laufzeit: 135 Min.
ab dem 24.5.2018 im Kino

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