Leseliste 19. Januar 2020 – andere Medien, andere ThemenTabletten, Wintergemüseernte, toter Techno, Paul Zimmer

leseliste

Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.

Psychische Schäden durch Paracetamol und Co.

Alleine in den USA werden jedes Jahr 49.000 Tonnen Paracetamol verkauft. Das entspricht 298 Tabletten für jeden Einwohner pro Jahr. Schmerztabletten werden heute von vielen wie Nahrungsergänzungsmittel genommen, aktuelle Studien lassen aber vermuten, dass diese Medikamente nicht nur den Kopfschmerz lindern, sondern sich auch immens auf die Psyche der Menschen auswirken können. Bei Psychopharmaka weiß man von solchen Effekten. Dass neben Paracetamol, allerdings auch Antihistamine, Asthmamittel und Statine dafür sorgen können, dass Konsumenten Persönlichkeitsveränderungen, Neurosen, Unausgeglichenheit und Aggressionen entwickeln können, wird derzeit gerade offenbar erst entdeckt. Zaria Gorvett berichtet für die BBC.

Back in 2011, a French father-of-two sued the pharmaceutical company GlaxoSmithKline, claiming that the drug he was taking for Parkinson’s disease had turned him into a gambler and gay sex addict, and was responsible for risky behaviours that had led to him being raped. […] If these claims are true, the implications are profound. The list of potential culprits includes some of the most widely consumed drugs on the planet, meaning that even if the effects are small at an individual level, they could be shaping the personalities of millions of people.

The medications that change who we are

Wintergemüseernte

Geht es um Wintergemüse, denken die meisten an Rotkohl, Grünkohl und vielleicht noch Wirsing – die üblichen verdächtigen eben. Der Forscher Wolfgang Palme hat allerdings festgestellt, dass wir die Überlebensfähigkeiten von Gemüse im Winter in Zeiten von globalem Import, Export und allgegenwärtiger Gewächshausware maßlos unterschätzen. Deshalb hat er seine Erfahrungen aus 13 Jahren Forschung am winterlichen Gemüseanbau in ein Buch geschrieben. Einiges von diesem Wissen gibt Palme aber schon in diesem äußerst erkenntnisreichen Interview preis:

„Im Blumentopf und im Balkonkasten kann man Salate anpflanzen und Salatkräuter, Feldsalat etwa oder Winterpostelein. Ich habe schon von den Asiasalaten geredet, die so rasch wachsen. Sie werden geerntet, wenn sie acht oder zehn Zentimeter lang sind. Die kann man im Oktober noch säen, dann sind sie zu Weihnachten erntefähig.“

„Pflanzen können seit Jahrtausenden über den Winter kommen“

LL Dr Motte

Foto: Thaddeus Herrmann

The Death Of Techno

Die Woche ging gut los – Techno wurde endgültig zu Grabe getragen. Oder welchen anderen Schluss soll man ziehen, wenn Dr. Motte mit Crowdfunding und Merchandising, verschanzt hinter einer gGmbH und den üblichen wirren und unscharfen Allgemeinplätzen, einerseits die Love Parade wieder nach Berlin holen und die Musik andererseits zum Weltkulturerbe machen will? Feiern? Over. Eskapismus? Over. Hedonismus? Over. Stattdessen maßen sich alte, weiße Männer an, ihre nutzlosen 2 Cent 50 zum Thema Gentrifizierung und Clubsterben in den Feuillton-Ring zu schmeißen. Laura Ewert kommentiert für die taz. Über einige Punkte ihrer Argumentation kann und sollte gestritten werden, der Kern des Problems liegt aber auf der Hand. Und das ist nicht erst seit Montag klar. Seitdem kann man wunderbar hässliche Hoodies von Dr. Mottes „Rave The Planet“-Initiative in der Mall Of Berlin kaufen – für über 50 Euro.

Geld raus, Bass rein. Dann schlägt das Herz vielleicht mal wieder mit 128 bpm.

Techno muss sterben, damit er leben kann

Paul Zimmer / Troy Becker

Eine irrwitzige Geschichte aus der Welt der Influencer: Paul Zimmer aus den USA wurde mit seinem Look, seinen Videos und überhaupt 2016 zu einem kleinen Star auf YouTube, Instagram und später auch TikTok. Mit Mini-Gifts wie Direktnachrichten und Shout-Outs von ihm, die Fans käuflich erwerben konnten, machte er eine Menge Geld. Der Haken an der Sache: Die Leistungen, die seine Fans bezahlten, erbrachte er oft gar nicht, weswegen sich eine Menge Unmut breit machte unter dem Hashtag #banpaulzimmer. Zimmer machte sich aus dem virtuellen Staub. Ende 2019 tauchte er dann wieder auf. Mit der bizarren Meldung, er habe einen Schauspieler namens Troy Becker gefunden, der so aussehe wie er selbst, als er noch Teenager war. Und weil dies so sei und Zimmer selbst sich aus den sozialen Medien zurück ziehen wolle, habe er entschieden, jenem coolen Dude Becker seinen Account mitsamt Fans zu übertragen. Natürlich handelt es sich um ein und dieselbe Person und den Versuch, sich digital zu läutern. Was gründlich nach hinten los ging.

„I didn’t wanna leave my social media pages just sitting to die... soo I have decided to give my social media accounts to @TroyBeckerIG because he is one of the dopest people I know and he is literally my younger twin – my much younger twin, I believe Troy is 15 or 16 years old hahaha…“

The bizarre story of an influencer who gave himself a new identity

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Stormzy, Kinderzimmer Productions und Oval

Messen und herrschenUnderstanding Digital Capitalism IV | Teil 7