Leseliste 21. Januar 2018 – andere Medien, andere ThemenGehirn schrumpft dank Berlin, japanischer Ambient, Badday und Theaterbrezel

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Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um sonntäglich vier Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind – und zum Glück abgespeichert wurden.

Berliner Einfluss aufs Steinzeitgehirn

Es gibt so verschiedene Berlin-Zitate (Berliner seien unfreundlich und rücksichtslos, ruppig und rechthaberisch…), die immer noch reißenden Absatz bei Postkartenherstellern finden und in ziemlich vielen WGs dieser Großstadt an den Wänden hängen. Mit der vermeintlichen Eigenheit der Berliner kann man sich jedoch auch sehr wissenschaftlich beschäftigen: Eine Soziologin, ein Psychiater und ein Neurowissenschaftler betrachten die Veränderungen, die das Leben in der deutschen Hauptstadt auf das menschliche Gehirn haben. Ihre Erkenntnisse sind ernüchternd: Berlin macht unglücklich und misstrauisch und lässt das Gehirn schrumpfen. Eine Landflucht kann auch nicht helfen:

„Man kann aber eindeutig ausschließen, dass sich die Effekte des Aufwachsens in der Stadt, die veränderten Strukturen und Funktionsweisen des Gehirns, von selbst zurückbilden“, sagt Meyer-Lindenberg. Unwissenschaftlich formuliert: Brandenburg allein ist nicht die Lösung.

Berlin verändert das Gehirn

Japanische Stille

Spätestens seit das, was früher Deep House war, Electronica genannt wird, ist es Zeit, sich nach neuen Herausforderungen umzuschauen. Beide Begriffe sind ja ziemlich über- und ausgereizt, noch öfter missverstanden wurde eigentlich nur Ambient. Aber was, wenn man schon alle Brian-Eno-Platten hat? Ab nach Asien. Ambient aus Japan ist schon seit längerer Zeit ein Thema, dank einer Welle von Wiederveröffentlichungen – in deren Schwung die Musik oft genug auch erstmalig digital verfügbar wird – aktuell aber so greifbar wie nie zuvor: jenseits von YouTube-Rips und überteuertem Vinyl von damals. Denn um die stille Musik, die oft genug gar nicht so still ist, wie sie auf den ersten Blick scheint, hat sich eine zahlungskräftige Nerd-Szene entwickelt, der es letztendlich aber auch zu verdanken ist, dass immer mehr Schätze eine zweite Chance bekommen. Aber wo anfangen? Lewis Gordon hat für factmag einen erhellenden Überblickstext geschrieben, mit Experten gesprochen, die Plattenläden aufgelistet und die Entstehung einiger besonders wichtiger Alben recherchiert. Dabei tritt Interessantes zutage: Denn auch wenn die Einflüsse der Komponisten in Europa und Japan oft ähnlich waren – die Motivation lässt sich in der Regel nicht vergleichen. In Japan nahm man Satie und seine Musique d’ameublement damals schon wörtlich. Und politisch war es obendrein.

„There’s this need for a respite from the situation and I think that’s a reason why a lot of this music existed at the time — it was necessary to modern life.”

Another Green World: How Japanese ambient music found a new audience

Die Mutter aller Meme

Spoilerwarnung: Wer das Video mit dem Büromenschen, der seinen Computer zerlegt, weiter als Affekt sehen möchte, der einer ganzen Arbeitswelt seit über 20 Jahren aus der Seele spricht, der sollte jetzt ... eh zu spät. „BadDay.mpg“ ist eines der ältesten und bekanntesten viral gegangenen Videos der Internetära und ist zugleich einer der ersten Internethoaxes, gedreht aus unternehmerischen Zwecken, man brauchte Footage in der Firma, die alles andere als kafkaesk war, wie wir hier erfahren, es wurde nach Dienstschluss sogar gerne gezockt. 1997 gab es kein YouTube, Videos per Mail verschicken ein Unding. Wie der 5-Megabyte-Clip dennoch zum globalen Hit werden konnte, erzählt dieser Beitrag.

“I was traveling on a plane, talking to the guy next to me, telling him about my video,” he says. “And he’s like, ‘I’ve seen that.’ And the guy behind me is like, ‘I’ve seen that too!’ and the stewardess was talking, ‘Oh, yeah, yeah, yeah, I’ve seen that!’ It’s amazing how many people have seen it.”

The Strange History of one of the Internet's first viral videos

Theaterbrezelkritik

Der ehemalige Titanic-Chef Leo Fischer hat für Zeitonline über Theater- und Operngastronomie geschrieben, genauer: über die Brezel. Fast essayistisch beschreibt er das Phänomen Kulturbrezel, beschreibt warum sie schmeckt wie sie schmeckt bzw. eben nicht schmeckt, und was es mit dem Käse auf sich hat. Garantiert ziemlich deep und nebenbei amüsant.

„Meist zieht der Einkäufer die "stille" Variante vor, wo der Bäckerbursche die Salzkörner noch einmal mit rosa Fingerspitzen abgeknapst hat, denn zu viel Salz ist ungesund, gerade für ältere Menschen, und für ältere Menschen wird die Kultur schließlich gemacht.“

Lob der Kulturbrezel

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Pendant aka Huerco S, Typhoon und Daphni

China auf dem Weg zur Weltmacht der Künstlichen Intelligenz (1)Understanding Digital Capitalism III | Teil 5