Jede Woche liest die Redaktion das Internet leer, um Lesestücke empfehlen zu können. Artikel, die interessant, relevant oder gar beides sind. Und zum Glück abgespeichert wurden.
Genozid in Namibia
1,1 Milliarden Euro zahlt Deutschland an Namibia. Und will so – nach endlosem Hin und Her und zähen Verhandlungen – den Völkermord aus Kolonialzeiten an den Herero und den Nama nicht nur erstmals als Genozid anerkennen, sondern auch die Region unterstützen. Das Geld – keine Reparationszahlung – ist bei weitem nicht ausreichend, heißt es aus Windhuk. Das stimmt natürlich, zumal die Zahlung auf 30 Jahre gestreckt wird. Um sich das Ausmaß des Genozids in Erinnerung zu rufen, empfiehlt sich der Text bei Genocide Alert.
„Die Herero […] müssen alle dran glauben. Gefangene werden nicht gemacht, es wird alles nieder gemacht.“
Ende der Identität
Mit seinem Begriff vom „Ende der Geschichte“ mit dem Ende des Kalten Kriegs hat sich Francis Fukuyama einst einen Namen gemacht, allerdings lag er damit ziemlich falsch. Geschenkt. Der US-Politikwissenschaftler und Ökonom beschäftigte sich zuletzt viel mit dem Begriff der Identität, hat darüber auch ein Buch geschrieben und stand jetzt der ZEIT in einem langen Interview Rede und Antwort. Die USA, so stellt er fest, haben keine Identität mehr. Die Unity, die Biden in seiner Amtsantrittsrede propagierte, wäre demzufolge reines Wunschdenken. Fukuyama macht dafür nicht allein die Republikaner, nach Liz Cheneys Entmachtung nunmehr endgültig dem Trumpism und der Wahlbetrugslüge zugewandt, verantwortlich. Sondern auch die Demokraten, die sich, so der nicht gerade als Leftie bekannte Professor, vom Volke vom Lande entfernt und entfremdet hätten. Fukuyama hat viel zu bemängeln, Wege aus der Identitätskrise heraus hat er allerdings nicht zu bieten.
Eine moderne Demokratie, die sehr vielfältig ist, sollte eine nationale Identität anstreben, die um eine bürgerliche Kultur herum aufgebaut und nicht an Religion, Ethnie oder Hautfarbe gebunden ist. In den USA hatten wir das aus meiner Sicht weitgehend erreicht. Jetzt machen wir einen Rückschritt. Eine große Zahl von Amerikanern will ihre Identität wieder auf einer ethnischen Zugehörigkeit begründen. Und das ist nicht gut.
Matrix
Technik, Autos, Architektur werden bis heute zum Großteil von Männern für Männer gemacht. In ausgedienten Rollenbildern schaffen sie das Geld ran, ergo entscheiden sie auch, und die Kaufargumente werden so auf die Zielgruppe angepasst. In der Architektur hatte Le Corbusier stets einen 1,80 Meter großen englischen Polizisten im Kopf, wenn er plante und baute. Kleinere Menschen, darunter Frauen und Kinder werden in solchen Konzepten benachteiligt oder erst gar nicht berücksichtigt. Bereits in den 1980ern entstand die Aktivistinnen-Gruppe Matrix. Ein feministisches Design-Kollektiv, das bis heute Einfluss darauf hat, wie Archtitektur verstanden und gedacht werden muss. Oliver Wainwright schaut für den Guardian in diese aufregende Zeit zurück.
By the 1980s, some women had had enough. After decades of struggling with prams and shopping trolleys, navigating dark underpasses, blind alleyways and labyrinthine subways in the urban obstacle course mostly made by men, it was time for a different approach. “Through lived experience,” wrote the Matrix Feminist Design Co-operative, when they launched their manifesto in 1981, “women have a different perspective of their environment from the men who created it. Because there is no ‘women’s tradition’ in building design, we want to explore the new possibilities that the recent change in women’s lives and expectations have opened up.”
Why are our cities built for 6ft-tall men? The female architects who fought back
Songwriting
Hits werden heute von großen Teams im Akkord hergestellt. Alle erinnern sich an McCartney/Lennon, Burt Bacarach, aber welche Rolle spielen heute Songwriter*innen in der großen Popmaschinerie? Eine viel zu kleine, behaupten einige Akteur*innen. Ist das Schreiben von Hits heute zum schmutzigen Geschäft geworden? Jem Aswad berichtet für Variety.
As songwriters have seen their leverage eroded by streaming — which pays a larger royalty for recorded music than publishing — artists, managers, producers and even executives have amped up their demands for credit and/or a percentage of the songwriters’ publishing in exchange for the artist cutting the song, or even simply for bringing the song to the artist. And as the value of song catalogs has risen in recent years, with Bob Dylan selling his to Universal Music Publishing for more than $300 million and Stevie Nicks selling hers to Primary Wave for $100 million, sources say, more people are playing hardball.