Die zweite GenerationIsae aus Düsseldorf bringt Soju zurück zu den Wurzeln

isaesoju

Welt-Schnapsrekord: Jährlich werden rund vier Milliarden Flaschen Soju geleert. Rund 90 Prozent davon im Ursprungsland Korea. Und was vom Rest zu uns nach Deutschland kommt, ist im Prinzip Schrott. Findet auch Ho-Bin Lee aus Düsseldorf und hat Isae Soju gegründet. Gebrannt wird im ganz und gar nicht asiatischen Recklinghausen.

Wir sitzen in einem koreanischen Restaurant in Düsseldorf. Ringsum viele junge koreanische Studenten, es ist laut, es wird viel gefuttert, getrunken, die Szenerie könnte glatt in Seoul sein. „Es ist einer der wenigen Koreaner in der Stadt, die meinen Soju noch nicht verkaufen“, sagt Ho-Bin Lee lächelnd. Was er aber nicht schlimm findet, denn er hat eine andere Zielgruppe im Visier: etwas ältere Genießer, quasi den Das-Filter-Redakteur, mit dem er hier zu Tisch ist. Der läuft auch nicht auf einem der hierzulande boomenden K-Pop-Konzerte rum, bei denen Soju heuer gerne getrunken wird.

Neutralalkohol, Aspartam, Aromastoffe

Korea, das große Land der Fermentation. Kimchi ist mittlerweile auch in Mitteleuropa bekannt und wird sogar, losgelöst von der restlichen koreanischen Küche, im Supermarkt verkauft. Das traditionelle Fermentationsgetränk wiederum, den Soju, bekommt man hierzulande nur in miserabler Qualität. In den bekannten grünen Flaschen mit den Grashalmen drauf. Welche vermutlich Natürlichkeit suggerieren sollen, das Gegenteil ist der Fall: Es handelt sich um billigen, aus der Stärke von Kartoffeln oder Tapioka hergestellten Neutralalkohol, dem künstliche Aromen und Süßstoffe wie Aspartam und Saccharin beigemengt werden. „Das ist sehr traurig, weil Soju traditionell eine gute Spirituose ist“, so Lee. Das, was jedoch exportiert wird, ist der Billigsoju. Billiges Produkt, traumhafte Margen: „Ein Liter Standardsoju kostet in der Herstellung 60 Cent. Eine Flasche – 350 Milliliter – kostet im Laden ungefähr 1,20 Euro, hier in Deutschland circa 2 Euro. Und koreanische Restaurants in Deutschland verkaufen ihn oft für 10 Euro, in Frankfurt gerne auch mal für 15.“

Nun ist es nicht so, dass hier das Prinzip wirkte, dass man in Korea das Gute für sich vorbehalte und den Fake exportiere – nichttraditioneller Soju hat in Korea Tradition. „Nach dem Koreakrieg gab es eine Lebensmittelkrise. Reis durfte für Alkohol nicht mehr genutzt werden. Weil die Koreaner auf ihren Soju nicht verzichten wollten, griffen sie auf Alternativen zurück“, so Lee. Also besagte Kartoffeln oder Extrakte der Yamswurzel. Und damit fiel auch der für den traditionellen Soju so entscheidende Schritt weg, nämlich die Umwandlung der Kohlenhydrate aus dem Reis und aus dem Weizen, der Gerste oder den Kartoffeln als zweites Getreide, der durch die Nuruk-Starterkultur geschieht. Nuruk besteht aus Weizen, Reis und Malz, der befeuchtet wird, in Kuchenform gepresst und zum Fermentieren zwei bis vier Wochen in einem beheizten Raum („ondol“) gelagert wird. Wenn dieses Anstellgut seine Arbeit getan hat, wird der Maische aus Reis und Getreide Hefe zugesetzt. Es entsteht Reiswein, der dann in Tongefäßen gelagert und schließlich destilliert wird, fertig ist der Soju traditioneller Façon. In dieser Form wird er heutzutage in Korea auch wieder, parallel zum Massenprodukt, destilliert. Doch das Importieren ist im Verhältnis viel zu teuer, ein solcher Soju würde schnell so viel kosten wie ein Mittelklasse-Whisky oder der ewige Gin.

isae soju flasche

Ho-Bin Lees Soju kostet 19 Euro. Und ist sozusagen semi-traditionell produziert: Er kommt ohne die Zusatzstoffe aus, die dem Grünflaschensoju beigefügt werden, er verwendet vorerst aber auch kein Nuruk. „Das ist sehr teuer zu importieren und aufwändig“, erklärt er. Jemanden, der den Reiswein in den großen Mengen produzieren, den Reis en gros kochen und mehrfach täglich umrühren kann, wie es vonnöten wäre, kann er aktuell noch nicht engagieren. Und selbst hätte er nicht die Zeit dazu. Isae Soju, so heißt sein Produkt, ist derzeit ein Nebenberufs- und Feierabendprojekt des Familienvaters, der als IT-Berater arbeitet. Isae heißt zweite Generation, und steht damit namentlich für Menschen wie Lee, dessen Eltern nach Deutschland kamen, um als Bergarbeiter im Ruhrpott und als Krankenschwester zu arbeiten, sie lernten sich hier kennen und heirateten. Aber es steht auch für eine zweite Soju-Generation. Andere Beispiele dafür sind Tokki Soju aus New York oder Wihayo aus den Niederlanden, in Österreich gab es kurzzeitig einen Soju namens Inari. Eine Generation also, die erst im Entstehen begriffen ist.

Soju zum Sippen, nicht zum Kippen

Gebrannt wird Isae Soju in Recklinghausen. Den Tipp, die Traditions-Kornbrennerei Dörlemann – seit 1860 im Geschäft – zu fragen, erhielt Lee von einem Freund, der dort seine Schnäpse (sie heißen „Bubenstolz“ und „King Korn“) machen lässt. „Ich habe dem Brenner eine grüne Flasche Soju mitgebracht. Das hat ihm nicht geschmeckt, überhaupt nicht“, so Lee. Wohl aber der traditionelle, sehr reislastige Super-Premium-Soju, den er auch dabei hatte. Winterweizen baut Dörlemann praktischer Weise auf eigenen Feldern an, der ist jetzt die eine Basis. Die andere ist Bioreis aus Pakistan. Er wird der Weizenmaische beifügt, mit Hefe zur Fermentation gebracht und dann gebrannt. Die erste Soju-Charge (300 Flaschen à 500 Milliliter) war fix weg, die zweite mit 500 Flaschen folgt in Kürze. Später am Abend probieren wir ihn dann endlich: Weich ist er, Reis- und Getreidenoten sind dezent und gut eingebunden, er hat etwas leicht Florales. Und mit nur 18 Prozent Alkohol eine Alternative zum Wein wie Sake). Soju zum Sippen, nicht zum Kippen.

Vielleicht, wenn das junge deutsche Soju-Business floriert, wird dann irgendwann sogar das mit dem Reiskochen und Weinmachen ein Thema für Isae. Nach echter koreanischer Tradition, produziert im Rheinland, das wäre dann eine dritte Generation. Samsae.

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