Filter Tapes 024„Ambient Electronics“ von Synkro

Filter Tapes 024 Illustration Synkro

Joe McBride hat in den vergangenen zehn Jahren den Dubstep-, Garage- und 2-Step-Sound Englands entscheidend geprägt. Seine leichtfüßigen Tracks, mit viel Melodie und mit auf den Punkt knackenden Beats ausgestaltet, setzen den genau richtigen nordenglischen Kontrapunkt zum Klang Londons. Mittlerweile hat sich McBride als Synkro von diesem Dancefloor-Verständnis zwar nicht vollständig abgewendet, bespielt aber einen viel größeren Kosmos. In Albumform konnte man das erstmalig 2015 auf „Changes“ hören, einem mutigen und nur schwer einzuordnenden Werk, erschienen auf Apollo, dem legendären Ambient-Sublabel der noch viel legendäreren Techno-Schmiede R&S. Zum zehnjährigen Release-Jubiläum von Synkro ist nun eine Compilation erschienen. „Memories“ vereint all die Tracks, die viele seiner heutigen Fans im schnellen 12"-Business einfach verpasst hatten. Im Interview erinnert sich Joe McBride, wie das mit ihm und Synkro überhaupt losging und berichtet darüber, was ihn heute antreibt, weiterhin Musik zu machen. Zum Beispiel die Tracks, die er für Das Filter exklusiv zusammengemixt hat.

Tracklist

  • Popol Vuh - Nachts Schnee
  • Dan Gibson - The Territories
  • Beaver & Krause - Sanctuary
  • K-S.H.E - Black Is The Colour Of My True Loves Hair
  • Willits & Sakamoto - Releasing
  • The Detroit Escalator Co. - Gathering Memory
  • Coil - Going Up
  • Taylor Dupree - Sleepover (Alt)
  • Gescom - Keynell (Autechre Mix 1)
  • Klaus Schulze & Pete Namlook - Phantom Heart Brother 3
  • John Cage - Fagjazz Study For 12 Mode Sources And 6 Additions (Remixed By Terre Thaemlitz)
  • Brian Eno - Inland Sea
  • Yasume - Sing The Noises
  • Oneohtrix Point Never - Physical Memories

Hi Joe, vielen lieben Dank für den tollen Mix. Was treibst du aktuell so?
Ach, ich danke, hat mir viel Spaß gemacht. Ich bin zur Zeit viel zu Hause in Derbyshire und arbeite an neuen Tracks. Wenn nicht gerade Gigs dazwischenkommen oder ich im Plattenladen rumhänge!

Als dein Label Apollo die Compilation ankündigte, war das zunächst mal eine ordentliche Überraschung. Man vergisst schnell, wie lange du schon produzierst und veröffentlichst. Dabei feiern wir schon zehn Jahre Synkro. Nimm uns doch mit auf eine Zeitreise, in die späten 1990er-Jahre, nach Nordengland, wo der kleine Joe wie wild Platten kaufte und sich irgendwann dazu entschied, es selbst mit der Musik zu versuchen.
Genau so war es. Als Renaat von R&S vorschlug, die Compilation zu veröffentlichen, hielt ich kurz inne und dachte: Hoppla, ist das wirklich schon zehn Jahre her seit meiner ersten EP auf „Smokin’ Sessions“? Meine ersten Tracks habe ich Anfang der Nullerjahre gemacht. Damals war ich im College und hörte viel Jungle und Drum and Bass. Ich hatte schon als Kind Schlagzeug gespielt, und die Breakbeats in den Jungle-Tracks waren für mich die Initialzündung. Damals wurde man mit so einem Hintergrund praktisch automatisch auf Künstler wie Aphex Twin, Squarepusher und μ-Ziq aufmerksam, war Warp- und Planet-Mu-süchtig und stolperte schließlich über „Dubstep“. Musiker wie Vex’d Pinch, DQ1 oder MRK1. Fortan konzentrierte ich mich bei meinen eigenen Tracks genau darauf. Ich kaufte Platten, ging feiern und drückte allen eine CD in die Hand, die sie annahmen.

Wenn man anfängt, Musik zu machen, eifert man ja oft seinen Vorbildern nach. Identitätsstiftend ist das zwar nicht, hilft aber bei der Orientierung im Technik-Dschungel. Bei dir standen in den ersten Jahren die Beats im Vordergrund, viel mehr als bei jüngeren Veröffentlichungen, zum Beispiel deinem Album. Und doch möchte man ja etwas beitragen, die Sache voranbringen, seiner Lieblingsmusik eine neue Komponente hinzufügen. Was war das bei dir?
An Dubstep faszinierte mich in den ersten Jahren vor allem, wie offen die Szene war, wie viele unterschiedliche Entwürfe man unter diesem Namen subsumieren konnte. Meinem Empfinden nach fehlte also nichts, ich konnte aber einfach Dinge ausprobieren, tun und lassen, was ich wollte. Als Erstes habe ich das Tempo rausgenommen. Dubstep lief damals standardmäßig auf 140 BPM. Zu schnell, fand ich, und versuchte es erst mit 135 BPM, später sogar mit irgendwas zwischen 110 und 130 BPM. Was eben am besten zur Musik passte. Natürlich wollte auch ich am Anfang so klingen wie andere Produzenten. Zum Beispiel Photek, Total Science, El-b, Horsepower, Loefah, Todd Edwards und – natürlich – Burial.

Synkro Portrait

Synkro aka Joe McBride

Ich grabe mich nach wie vor durch die Musikgeschichte. Ich ertrage den Gedanken nicht, etwas Wichtiges verpasst zu haben.“

Wie ging es dann weiter?
Meine Musik entwickelte sich weiter und passte irgendwann nicht mehr so recht in die Dubstep-Schublade. Sie wurde ... naja, sagen wir mal: zu soft. Zu dieser Zeit entdeckte ich durch Zufall die Podcast-Reihe „Autonomic“ von dBridge und Instra:mental. Ich fühlte mich mit den beiden und ihren Tracks auf 170 BPM sofort verbunden. Plötzlich verstand ich, wie man derart schnelle Musik zu einem Set verbinden konnte. Auch meine eigene, die bis zu diesem Zeitpunkt nie in ein klassisches Drum-and-Bass-Set, so wie ich sie kannte, gepasst hätte. Ich schickte dBridge – Darren White – eine CD und er meldete sich zurück. Er kannte sogar ein paar meiner Veröffentlichungen. Sich mit ihm über Musik zu unterhalten und gleichzeitig die Podcasts zu hören, das war für mich ein Wendepunkt. Ich begann damit, all die Tracks, die ich nicht kannte und nicht besaß, nachzukaufen. Wenn ich so darüber nachdenke, hat sich daran bis heute eigentlich nichts geändert. Ich grabe mich nach wie vor durch die Musikgeschichte. Ich ertrage den Gedanken nicht, etwas Wichtiges verpasst zu haben. Ich investiere viel Geld und Zeit darin, das zu ändern.

Ich kann mich gut daran erinnern, als ich deine ersten Platten hier in Berlin kaufte. Das war für mich alles komplettes Neuland, weil ich weder dich noch die Labels und die anderen Künstler kannte. Ich konnte euch nicht wirklich in eine Schublade stecken. Wie war das damals in Manchester oder im Norden Englands allgemein? Club-mäßig war ja zumindest in Manchester nicht wirklich viel los.
Das stimmt. Drum and Bass gab es, wenn überhaupt, vor allem auf kleineren Floors der Clubs, zum Beispiel bei Platoon oder Metropolis. Bass Camp waren die ersten, die Dubstep-DJs aus London nach Manchester holten, auch bei Hit & Run konnte man Glück haben. Viel wichtiger als Manchester war Leeds. Die „Sub Dub“-Reihe im West Indian Centre war sehr prägend, da bin ich auch den DJs mit meinen CDs auf die Nerven gegangen. Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich im Regen vor der Club auf Skream und Loefah gewartet habe, um ihnen meine Demos aufzudrängen.

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Deine Musik hat sich in den vergangenen Jahren einmal komplett um die eigene Achse gedreht. Wie fühlt es sich für dich heute an, sich mit den alten Tracks, die jetzt auf der Compilation neu veröffentlicht werden, wieder zu beschäftigen?
Es sind meine liebsten Stücke von damals, hinter denen ich auch heute noch stehe. Das gilt nicht für mein gesamtes Archiv, einige Stücke sind nicht sonderlich gut gealtert. Aber Tracks wie „Bitz“, „Dub Specialist“ oder „Empty“ machen mich noch heute ziemlich stolz.

Synkro ist ja nicht dein einziges Projekt. Zusammen mit deinem alten Freund Liam Blackburn, der auch früher schon als Indigo Platten mit dir gemacht hat, machst du „Akkord“ auf Houndstooth. Ein weiteres Projekt ist Kiyoko, ein Label betreibst du auch. Zu welchem Zeitpunkt hast du beschlossen, deine Musik auf mehrere Projekte aufzuteilen?
Ich empfinde es immer als eine gute Idee, wenn man Kollaborationen mit anderen Musikern eine eigene Identität gibt. Vor allem dann, wenn es anders klingt, als das, wofür man bislang bekannt war. Akkord ist Akkord und nicht Synkro & Indigo, weil es nicht klingt wie Synkro & Indigo. Wir wollten auch verhindern, dass die Presse sofort unsere Vergangenheit ins Spiel bringt. Das Gleiche gilt auch für Kiyoko, das Projekt mit meinem alten Freund Jack Lever. Ich arbeite sehr mit anderen Musikern zusammen und bin immer wieder erstaunt darüber, was dabei entstehen kann. Dinge, die man allein so nie hinbekommen hätte.

Klassiker, Legenden und skurrile Neuentdeckungen

Lass uns über deinen Mix sprechen. Der klingt eigentlich genau so, wie ich Synkro immer beschrieben hätte: sehr vielschichtig, ein bisschen melancholisch, entschleunigt, dabei aber Mut machend. Der Mix ist ein Brückenbauer und kontextualisiert musikalische Geschichte.
Jeder Künstler, jeder Track in diesem Mix war auf meinem musikalischen Werdegang sehr wichtig, eine große Inspiration. Da sind die Klassiker, die mich nun wirklich schon sehr begleiten. Der Autechre-Mix von Gescoms „Keynell“ beispielsweise oder „Sing The Noises“ von Yasume. Solche Tracks waren mit meine ersten Berührungspunkte mit der Elektronika-Szene Manchesters, mit Labels wie Skam. Type, Modern Love oder City Centre Offices. Das ist die eine Seite des Mixes. Die andere besteht aus eher obskurer Musik, die ich mehr oder weniger kürzlich erst durch Zufall entdeckt habe. Zum Beispiel das Stück von Beaver & Krause oder das von Dan Gibson, einem Fotografen aus Kanada, der ein eigenes Label hat – Solitudes – und dort interessante New-Age-Musik veröffentlicht. Popol Vuh, Pete Namlock, Terre Thaemlitz und Oneohtrix Point Never gehören zu meinen Lieblingskünstlern. Die mussten also auch rein.

Du nennest den Mix „Ambient Electronics“. Warum?
Das ist ein guter Sammelbegriff für Musik, die mich inspiriert. Musik, die man nicht so richtig einordnen kann und somit in mehreren Genres verortet werden kann.

Was findest du musikalisch im Moment besonders interessant?
Herrje, ich bin ja sowieso immer in Plattenläden unterwegs und kaufe neue und alte Veröffentlichungen. Zur Zeit sind es vor allem zwei Labels, die mich besonders faszinieren: Finders Keepers und The Death Of Rave.

Synkro, Memories, ist auf Apollo erschienen.

Für dieses Filter Tape gestaltete unsere Art Direktorin Susann Massute das Artwork. Die Aufgabe: Während der Zeit des Tape-Hörens ein Bild assoziieren, finden, ausdenken und umsetzen. Auch Mixtapes haben passende Bilder verdient. Vielen Dank, Susann!

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