Videopremiere: Lessons – MoonshotGrelle Erinnerungen an längst vergangene Zeiten
7.11.2016 • Sounds – Text: Thaddeus HerrmannWenn auf der Überholspur zwischen Berlin und Helsinki der kosmische Pop der 80er neu aufersteht.
Erst vor wenigen Tagen behauptete ich auf diesem Kanal steif und fest, dass ich das „referenzielle Rumgereite auf dem Wave der 80er-Jahre“ endgültig dicke hätte, was natürlich gelogen war. Es muss halt passen. Rahmen, Sound, Haltung, Stimmung, Richtung. Lessons zeigen, wie man die 80er mit Respekt weiterbringen kann.
Dass ich Lessons so mag, hat aber noch einen anderen Grund. Zwei der drei Bandmitglieder, die Brüder Samu und Ville Kuukka, kenne ich seit über zehn Jahren. Damals saß ich in einem Plattenladen in Manchester und hörte mit meinem Kumpel Shlom Demos für unser gemeinsames Label. Von einer CD konnten wir uns nicht trennen: Tracks von Samu und Ville, ihrem Projekt „The Gentleman Losers“. Das Album der beiden Finnen war so sensationell, dass wir ohne zu zögern für die Veröffentlichung ein Sublabel gründeten. Komische Idee – heute –, damals machte das aber Sinn. So eine Platte konnte nicht im musikalischen Kontext der anderen Veröffentlichungen verortet werden, brauchte ein weißes Blatt Papier, einen Neustart. Der Sound der Gebrüder Kuukka war einzigartig, schwer einzuordnen, ganz nah dran an der Welt unserer Träume. Epische Instrumentalmusik, merkwürdig verschleiert, begleitet von starken Bildern und Filmen. Hatten die Kuukkas alles selbst gemacht: Komponisten, Produzenten, Fotografen, Filmemacher. Unfassbare Typen, findet auch Ji-Hun Kim.
Lessons klingt anders. Vollkommen anders. Zusammen Patrick Sudarski wird hier genau die Version der 80er aufgearbeitet, die auch heute noch etwas bewegen kann. Ein tiefes Verständnis von Pop, zusammengebaut in einer Lässigkeit, die trotz aller Melancholie immer in die Sonne blinzelt. Auch das war Wave damals. Weiß nur niemand mehr. Im Sommer erschien die erste Platte des Projekts bein Berliner Label Sinnbus. Unbedingt empfehlenswert, nicht nur, weil es dem Trio mit „Secret Knowledge“ gelungen ist, einen Song zu schreiben, der in seiner Tragweite an Joy Divisions „Atmosphere“ heranreicht. „Moonshot“, unsere heutige Videopremiere, atmet jedoch auch eine besondere Atmosphäre. Da ist die stoische Bassline, die der schluffenden Bassdrum immer irgendwie weglaufen will, die großen Akzente des E-Pianos (bestimmt als Original im Studio in Helsinki stolz aufgebockt), der sanfte Funk der Gitarre und die Hall-Tonne auf dem Gesang. Das wäre damals schon Underground gewesen. Und passt perfekt zu den Bildern, grell und überzeichnet aus alten Super-8-Filmen. Am Strand, im Zug, im Wohnzimmer, auf der Autobahn. Es wird getanzt und geraucht. Einige Dinge ändern sich eben nie. Könnte natürlich auch ein Fake sein, die Kuukkas können das. Wäre aber auch egal.