Was steckt hinter Soundcloud Go?Gründer Eric Wahlforss erklärt das neue Abo-Modell des Streaming-Dienstes

Soundcloud Go Lead

Bilder im Artikel: Soundcloud

Soundcloud hat ab heute ein Abo-Modell und verfügt über den branchenüblichen Katalog mit rund 30 Millionen Tracks. Für die gewohnten zehn Euro bekommt der Nutzer das Major-Komplett-Paket von „Soundcloud Go“, das vielmehr aufgesetzt, als in die bisherige Plattform integriert wird. Deshalb werden Popsongs im DJ-Set auch vorerst weiter ein Problem sein. Das heißt aber auch: Solange der Künstler nicht will, wird seinen Tracks auch keine Werbung vorgeschaltet. Wir haben uns „Soundcloud Go“ vorab schon einmal angesehen, und CTO und Mitgründer Eric Wahlforss gefragt, wie das mit dem Geldverdienen auf dem hart umkämpften Streaming-Markt noch gehen soll.

Als der Product Designer im Hause Soundcloud mir am Montag die neue App, den neuen Dienst, die versprochene, große Neuheit „Soundcloud Go“ zeigt, bin ich erstmal verwundert. Denn auf den ersten Blick hat sich am Interface wenig bis nichts getan. Vielleicht bekommt man deshalb auf den von Soundcloud zur Verfügung gestellten Bildern hier im Artikel auch nichts von der eigentlichen App zu sehen. Veränderung bemerkt, wer die Suche bemüht. Denn wer nach Pop und Major-Label-Content sucht, findet plötzlich die tatsächlichen Releases und Alben, nicht länger nur einzelne Songs und das übliche Sammelsurium aus Features, Covern, Mashups, Remixen und Fake-Profil-Biebers, sondern auch den kompletten Katalog der Alben und Singles – ganz wie bei der Konkurrenz von Spotify Co. Diese Soundcloud-Go-Inhalte werden über den sonstigen Ergebnissen angezeigt, optisch abgegrenzt.

Eric Walforss Soundcloud Go

Eric Wahlforss ist CTO und Mitgründer von Soundcloud und hat uns Rede und Antwort gestanden.

Das ist zunächst mal keine schlechte Sache, wer Soundcloud weiterhin nutzen möchte wie bisher, kann das ohne Probleme tun.

Perspektivwechsel.

Wie kann der Künstler jetzt mit Soundcloud Geld verdienen? Die offensichtliche Lösung: Die Tracks werden zu Go-Inhalten und mit Werbung versehen. Die zweite Möglichkeit: Künstler, Label oder Vertrieb (das ist logischerweise von deren Vertragslage abhängig) stellt für die Umsonst-Nutzung nur eine Vorschau zur Verfügung. Es laufen dann lediglich die ersten Sekunden, den vollen Tracks gibt’s erst mit dem Abo. Das Blöde: Bisher kann noch nicht jeder Künstler am Monetarisierungsprogramm teilnehmen. Soll aber kommen.

Zurück zum User.

Der sieht sich mit einem Free-Account nun dieser für die Urheber so praktischen Flexibilität ausgesetzt: Tracks begegnen ihm entweder werbefrei wie bisher oder mit vorgeschalteter Werbung oder nur als Vorschau. Je nachdem wie sich die Monetarisierung letztendlich ausprägt, dürfte das kostenfreie Hören damit weitestgehend zerstört werden, wenn man erst einmal anfängt, Tracks der unterschiedlichen Kategorie innerhalb von Playlisten zu mischen. À propos Playlisten: Tracks verschieben, Playlisten pflegen und bearbeiten – all das empfand ich bisher als umständlich und nicht wirklich zur intensiven Nutzung geeignet. Leider tut sich hier erstmal nichts. Das unkomplizierte Handling hunderter Playlists in unterschiedlichen Ordnern, mit Spotifys Seitenleiste kein Problem, bleibt bei Soundcloud ein Ding der Unmöglichkeit.

Eine der nützlichsten Funktionen im Abo-Modell ist ganz klar die Offline-Verfügbarkeit. Dabei geht die App so vor, dass grundsätzlich alle Likes und Playlisten von der Netzabhängigkeit befreit werden, solange der in den Einstellungen angegebene maximale Speicherplatz von Soundcloud noch nicht ausgenutzt ist. Leider fehlt es auch hier wieder an einer entscheidenden Funktion für Heavy-User: Ich kann in meinen Tracks und Playlisten keinen Filter auswählen, der mir ausschließlich die offline verfügbaren Tracks anzeigt.

Hallo Eric, ich möchte vorerst bei der Free-Subscription bleiben. Werde ich zukünftig ständig von Werbung genervt?
„Nein, was bisher auf Soundcloud war, bleibt vorerst werbefrei. Die Werbung findet nur im Bereich von Soundcloud Go statt, aber wir wollen das Level der Monetarisierung hochfahren. Dahinter steckt die Idee, so viele Künstler und Creators wie möglich ebenso gut bezahlen zu können. Wir wollen ein nachhaltiges Modell, dass Künstlern hilft, von ihrem Schaffen zu leben. Wenn das nicht klappt, werden wir langfristig nicht relevant für sie sein. Wir bieten den Künstlern ja bisher schon viele Möglichkeiten, wenn es um Promotion geht, um Community und Statistiken. Wir wollen aber auch auf der Einnahmen-Seite eine große Rolle spielen. Dafür müssen wir am Free- und am Paid-Service gleichermaßen arbeiten.“

##Was ist mit DJ-Sets?
Was insbesondere DJs in den letzten 1-2 Jahren massiv den Soundcloud-Genuss verhagelt hat: Ihre Sets, die Tracks bestimmter (Major-)Label-Künstler enthalten, wurden kommentarlos gelöscht, weil die Rechtslage nicht geklärt ist.

Wie die eigentliche Lösung im Rahmen eines Abo-Modells aussehen könnte und sollte, ist in der Theorie offensichtlich: Die Tracks im Set werden markiert und ihren Urhebern zugeordnet, die wiederum am Abspielen des Mixes Geld verdienen. Der DJ, der den Mix erstellt hat, kriegt auch was vom Kuchen. Dazu bräuchte es aus der Soundcloud-Perspektive nicht einmal die künstlerische Berechtigung bzw. Rechtfertigung. Der DJ-Mix erhöht die Kontaktquote zwischen Hörern und Künstlern, mehr Transaktionen und steigende Umsätze wären die Folge. Daran haben schließlich alle ein Interesse. Doch diese Szenario bleibt vorerst Utopie. Bis dahin, liebe DJs, vermeidet ihr bitte weiterhin Kanye West im Set.

Für mich sind die DJ-Sets der wichtigste Content auf Soundcloud. Hat Soundcloud Go direkte Auswirkungen auf diesen Teil eures Angebots?
„Für mich sind diese Inhalte auch entscheidend. Ich habe ja auch Musik produziert [unter dem Künstlernamen Forss, Anm. d. Red.] und vor gut zehn Jahren beim Berliner Label Sonar Kollektiv veröffentlicht. Da steckt auch der Ursprung von Soundcloud. House und Techno haben uns groß gemacht, die meisten DJs und Labels sind auf unserer Plattform vertreten. Und für alles was nicht Erstproduktion ist, DJing, Mashups, Covers, Remixe, schaffen wir auch eine Möglichkeit der Monetarisierung.
Der andere Aspekt: Wir haben seit zwei Wochen ein Revenue-Sharing-Programm namens Soundcloud Premier. Das hat bislang nur einige hundert Teilnehmer, aber es sollen natürlich perspektivisch viel mehr werden. Alle sollen daran teilnehmen können. Viele Dinge, die jetzt vor allem auch im Hintergrund passiert sind, haben mit der Rechteverwaltung zu tun. DJs sollen weitermachen können wie bisher.“

In der letzten Zeit ist euer Vorgehen mit Bots, Algorithmen und Take-Downs zu einem massiven Problem geworden. Popsongs im DJ-Set? Keine Chance. Das wird also zukünftig funktionieren?
„Das ist genau die Idee. Daran arbeiten wir mit der Industrie. Es ist schon sehr viel passiert, die Situation speziell für DJs ist schon besser, aber nächstes Jahr wird in diesem Bereich dann noch viel mehr passieren.“

Soundcloud Go App

##Soundcloud setzt auf Interaktion, Community und Generation C
Wie will Soundcloud auf dem eh schon hart umkämpften Streaming-Markt bestehen, zumal mit einem Service, der in Sachen Interface noch nicht zu Ende gedacht ist? Der Preis ist wohl kein Argument, im Gegenteil: einen Zehner bezahlen die User, die Registrierung via iOS schlägt sogar mit 12,99€ zu Buche. Einerseits soll die Auswahl der Tracks den Ausschlag geben, Soundcloud wirbt mit 135 Millionen Titeln statt der üblichen 30-40 bei Spotify, Deezer, Apple und Konsorten. Das ist allerdings ein Scheinargument, den dem bisherigen Katalog wird lediglich das normale Streaming-Angebit hinzugefügt.

Community und Zielgruppe sind die entscheidenden Schlagworte. Die Generation nach den Millenials, die Generation Z bzw. Generation C, die rund um die Uhr per Smartphone ans globale Netzrauschen angeschlossen ist, weil sie es nicht anders kennt, wird von Soundcloud in den Fokus genommen. Sie seien die treibende Kraft in der Community, sie fordern den direkten Kontakt zu authentisch agierenden Künstlern, die Echtzeit-Interaktion und unmittelbare Reaktion auf künstlerischen Output. Das mag stimmen, davon leben schließlich auch die YouTube- und Snapchat-Stars der Welt. Aber die Beschreibung eines Tracks, im besten Falle die Setlist eines DJ-Mixes, kann ich in der iOS-App auch heute noch nicht ansehen. Und letztlich bleibt die Frage: Wollen die Künstler das?

Eure Wettbewerber verdienen nicht wirklich Geld. Warum sollte das bei euch anders sein?
„Ich denke niemand stellt den Langzeiterfolg infrage. Wenn du erstmal signifikante Skalierungseffekte hast, wird es gut funktionieren. Die Frage ist nur: Wann ist dieser Punkt erreicht? Bei Spotify wurde ja auch massiv reinvestiert, in mehr Wachstum. Bei uns sieht es nicht anders aus. Wenn man auf die Entwicklung der Musikindustrie zurückblickst, siehst du: 2000 war ein Peak, in den letzten 15 Jahren ist es dann langsam aber sicher bergab gegangen. Letztes Jahr gab es dann erstmalig wieder ein Wachstum. Auch in diesem Jahr sieht es danach aus, für das kommende Jahr wird ebenfalls Wachstum prognostiziert. Und: Der nächste Peak wird größer sein, als das letzte. Alle Unternehmen, die dieses Wachstum befeuern, das sich aus Streaming schöpft, wollen und müssen profitabel werden. Und sie sind zuversichtlich. Für die Industrie waren die letzten zehn Jahre herausfordernd.“

Soundcloud war mal der Pionier unter den Streaming-Diensten. Jetzt zieht ihr nach, geht einen Schritt, den andere längst vollzogen haben.
„Wir sind – definitiv – spät dran. Klar wäre ich gern eher dabei gewesen. Aber unser Angebot ist eben doch anders und einzigartig, in Bezug auf Produkt, Inhalte und Urheber – unsere Nutzerschaft ist es auch: unglaublich jung. Sie wollen einen durch authentische Menschen geprägten Service. Deshalb gehen wir davon aus, dass sie zu Soundcloud greifen, denn da liegt unsere Stärke. Da ist noch Platz auf dem Markt. Trotzdem gebe ich dir Recht. Wir machen einige Dinge, die andere schon getan haben. Damit möchten wir die Türen von Soundcloud auch weiter öffnen. Wir haben dieses Jahr auch viele Teile unseres Angebots verbessert: die Stationen, die personalisierten Vorschläge. Wir haben endlich Alben und einen Offline-Modus. Wir haben unser Angebot vervollständigt. Das beinhaltet immer auch Dinge, die andere schon haben. Wir denken aber, dass das erst der erste Schritt der Monetarisierung auf Soundcloud ist. Wir können mehr Dinge tun und hinzufügen.“

Eric Wahlforss ist trotzdem sicher, wo Soundcloud in zwei Jahren stehen wird:

„Wir werden in mehr Märkten unterwegs sein. Der Umsatz durch Abos und Werbung erreicht dann auch ein Level, bei dem die Künstler signifikante Einnahmen erzielen. Es wird Künstler geben, die ihre Karriere auf Soundcloud starten und die am Höhepunkt durch Soundcloud mehr Einnahmen erzielen, als durch alles andere.“

Hoffen wir, dass es so läuft. Alles andere wäre schade um die Plattform, die viele von uns, mich eingeschlossen, schmerzlich vermissen würden.

Fragmente einer GroßstadtImmer nur Angst

Project X: das dubiose NSA-Hochhaus in ManhattanEindringlicher Film von Laura Poitras und Henrik Moltke über Titanpointe