Das Apogee Mic ist ein kleines Mikrofon mit USB-Anschluss, das direkt an Laptop oder iPhone/iPad angeschlossen wird. Vorbei die Zeiten von Vorverstärkern und externen Audiointerfaces für hochauflösende Audioaufnahmen, so die Idee. Ji-Hun Kim hat sich den Gnom genauer angeschaut: Wie mobile Hightech die Sehnsucht nach kanadischer Isolation anfachen kann.
Die Entwicklung von Aufnahmetechnologien im Laufe der letzten zehn Jahre ist schon beeindruckend, egal ob Bild oder Ton. Und eigentlich kann man das gar nicht oft genug unterstreichen: Das, was Smartphones heute können, ist ohne Zweifel ein kleines Wunder. Dennoch fragt man sich immer wieder, wieso Kameras im Alltag eine so viel wichtigere Rolle spielen als Audioaufnahmegeräte. Wieso nutzen mehr Menschen YouTube als Soundcloud? Wieso guckt man sich immerzu Fotos und Videos an, aber hört selten mit Freunden Klangaufnahmen vom Dschungelausflug oder dem Junggesellinnenabschied? Wo ist eigentlich der kulturhistorische Auditive Turn, von dem so viele vor einiger Zeit geredet haben? Man merkt schnell, Audio ist irgendwie Nische. Auf der anderen Seite erscheinen heute täglich mehr Podcasts als Technomixe im Internet. Ist irgendwie also wieder im Mainstream angekommen, das Thema. Und deshalb die Frage: Wie sieht eine zeitgemäße Infrastruktur für Audio aus?
Mittlerweile gibt es zahlreiche hosentaschenkompatible Fieldrecorder, die nicht die Welt kosten. Wobei, wenn es beispielsweise um Interviewaufnahmen geht, nehmen heute die meisten gleich mit dem integrierten Mikro des Telefons auf. Das klappt erstaunlich gut, auch weil Siri, Alexa und Co. uns jederzeit hochauflösend verstehen müssen. Die Geheimdienste natürlich auch. Ist es nicht seltsam, dass Mikrofone und ihre Kapazitäten in mobilen Devices für digitale Technologien und gar nicht so sehr für Menschen optimiert wurden? Mir ist im Fernsehen auch immer suspekt, wenn bei irgendwelchen Stellungnahmen von Politikern Journalisten mit Smartphones statt Mikrofonen vor deren Nase rumfuchteln. Ähnlich wie bei jenen Menschen, die beim Telefonieren das Gerät wie ein üppig geschmiertes Marmeladenbrot halten und reinsprechen, als würden sie an der Kruste knabbern. Doch ich schweife ab.
Back to Audio
Seit einiger Zeit steht ein Mikrofon bei mir auf dem Schreibtisch, das Apogee Mic. Die amerikanische Marke Apogee hat gerade für die erste große Welle der elektronischen Laptop-Producer eine nicht unbedeutende Rolle gespielt. Sie entwickelte portable und edel designte Audio-Interfaces für das mobile Profistudio, die gerne von progressiven Dudes wie Carl Craig genutzt wurden und das silbern-minimalistische Apple-Design seinerzeit wunderbar ergänzten. Das galt allerdings auch für die Preise. Günstig gab’s und gibt es bei Behringer.
Wer ein kleines Musikstudio hat, weiß, dass Aufnahmen mit einem Mikro gar nicht so einfach sind. Man braucht normalerweise zunächst ein Audiointerface, das über einen Mikrofoneingang (Klinke/XLR) und eine Phantomspeisung verfügen muss, damit man überhaupt Klangaufnahmen jenseits der Skypegesprächsqualität in den Computer bringen kann. Das Apogee Mic geht das ein bisschen anders an. Es verfügt nämlich über kein Audiokabel, sondern schließt sich per USB an den Rechner oder an iPhone/iPad via Lightning an. Das Mic verfügt quasi über einen eigenen Vorverstärker und Konverter; so lässt sich das Ganze ohne Weiteres an ein Laptop mit Garage Band oder Ableton Live anschließen und Demos, Songs, Interviews oder Podcasts können ohne viel Aufwand aufgenommen werden. Aber auch iPhone und iPad lassen sich direkt mit dem Mic anschließen. Zeitgeistig im Zeitalter, in dem Teenie-Starproducer wie Steve Lacy (The Internet, Kendrick Lamar) „nur“ mit einem iPhone ausgestattet größte Rap-Hits produzieren. Konvergenz wie Konvergenz eben sein kann.
Evolution
Hätte man vor 15 Jahren einem Musikstudiobesitzer gesagt, dass man 2017 mit einem Kassetten-großen Hosentaschencomputer und einem Mikro, das kleiner als eine Energydrink-Dose ist, Instrumente und Gesang in hochauflösender Studioqualität aufnehmen kann, das ignorante Reaction-Meme-Face würde man heute nur zu gerne sehen. Damals waren gute Mikrofone wie die von Neumann teuer. Sie können ratzfatz in die Zehntausende gehen. Ein Smartphone und ein 250 Euro teures Mikro als Studioersatz? Natürlich nie ganz. Studios bleiben Studios, aber die Qualität ist nach dem ersten Installieren und Ausprobieren in der Tat beeindruckend. Ich hatte bislang für eigene Produktionen hier und da mal ein olles Shure SM57 angeschlossen, um Vocalschnipsel oder ähnliches aufzunehmen. Das Apogee Mic klingt aber in der Tat wie ein Mikrofon, wie man es aus Studios kennt. Die Akustikgitarre ist crisp und lebendig, auch die aus der Übung geratene Stimme kommt ehrlich und differenziert auf der Festplatte an. Wird es vielleicht doch noch was mit dem Folk-Album, das ich mir seit Jahren vornehme? Am Mikrofon gibt es einen Gain-Regler, der den Input steuern kann, eine LED zeigt an, ob und wann übersteuert wird. Das Kondensatormikrofon kann mit einer Auflösung von 24 Bit/96KHz aufnehmen, wobei die nur am Rechner erreicht werden dürften. iOS-Geräte sind da (noch) nicht so, im wahrsten Sinne des Wortes, aufnahmefähig. Am Ende dürfte das den meisten aber eher egal sein. So oder so, das klingt hier an sich schon alles ziemlich brillant.
Zu Hi-Fi?
Idee in der Redaktionssitzung. Ey, lass mal Podcast machen! Die Kollegen Wulf und Herrmann sind mäßig bis recht begeistert. Also Treffen in meiner bescheidenen Küche. Wenn Küchenradio, dann auch richtig, so die Idee. Beim Abhören unseres Talks dann die Ernüchterung. Es brummt gewaltig. Dabei war doch in der Kreuzberger Küche bis auf den leisen Kühlschrank eigentlich so gut wie nichts zu hören gewesen. Redakteur Sherlock Herrmann weiß aber Bescheid: „Das klingt wie ein Küchenradio.“ Also das echte Küchenradio. Dabei war es doch eigentlich aus. War es aber dann doch nicht. Das uralte SABA Lindau war zwar in der Lautstärke stumm gestellt, aber in der Tat nicht ganz ausgeschaltet. Der AB-Test im Nachhinein zeigt, dass das Apogee Mic so sensibel ist, dass selbst für den Menschen unhörbare Frequenzen hier eine gewichtige Rolle spielen. Schade um den Podcast, Chapeau an Mr. Herrmann für seine Fledermauslauscher. Ich arbeitete bis dato ja gerne mit meinem digitalen Aufnahmegerät Olympus LS-5. Fieldrecordings, Samples, Interviews – alles Auditive in den vergangenen Jahren lief bei mir über das Gerät.
Das Apogee Mic klingt im direkten Vergleich dazu klarer, ungnädiger und unverzeihlicher. Auf der einen Seite eine gute Eigenschaft, allerdings lernt man schnell, dass man einen guten, halbwegs schalldichten Raum braucht, um mit dem Mic ohne lästige Nebengeräusche aufnehmen zu können. Bei Gesangsaufnahmen ist ein Poppschutz notwendig, was die Konstruktionen um das sonst sehr handliche Mikro wieder ein bisschen sperriger macht. Aber so ist es in der Regel mit professionellem, hochauflösendem Equipment: Eine gute Filmproduktion braucht viel Licht. Eine gute Audioaufnahme braucht möglichst viel Stille. Dass das Apogee Mic da dennoch in die Sparte grätscht, ist eine gute Sache. Ein ohne Zweifel spannendes Produkt, praktisch, einfach zu handhaben und für mobile Medienmacher eine großartige Erweiterung des Technik-Arsenals. Jetzt braucht es nur noch die einsame kanadische Holzhütte, eine Martin-Gitarre und ein Fass voll mit Whiskey. Wie faszinierend es doch ist, ein Studio heute so kompakt und gut klingend im Rucksack mit sich rumtragen zu können. Es fehlen nur noch Ideen für ein paar Songs. Dafür kann das Mikrofon aber nichts.