Review: Apple Watch Series 3 & iPhone 8 PlusYou used to call me on my cell phone
24.10.2017 • Technik & Wissen – Text & Fotos: Thaddeus HerrmannMit dem iPhone X plant Apple dieses Jahr noch die Smartphone-Revolution. Wie revolutionär das wirklich wird, bleibt abzuwarten, und bis es soweit ist, stehen zunächst iPhone 8 und iPhone 8 Plus in den Läden. Mit vielen neuen Features, jedoch verpackt in einem Design, das seit mehreren Jahren so gut wie nicht verändert wurde. Reicht das, um den vermuteten Run auf das X-Modell abzufedern? Ebenfalls neu ist die dritte Generation der Apple Watch, die ein Telefon zumindest in der Theorie überflüssig macht. Thaddeus Herrmann über LTE am Handgelenk und den Abschied von einem guten Freund.
iPhone 8 Plus – Das Letzte seiner Art
Bevor es losgeht, müssen wir schnell in ein befreundetes Paralleluniversum wechseln. Dauert nicht lang.
Herzlich willkommen, entschuldigt die Dramatik. Wir mussten rüber auf die andere Seite, um einen klaren Blick auf das iPhone 8 Plus zu bekommen. Einen, der nicht so vom iPhone X beschattet wird, wie es faktisch der Fall ist. Hier, auf dieser Seite, ist die Freiheitsstaue herrlich bronzefarben und das so genannte „rahmenlose“ Display kein Thema. Macht niemand, mag niemand, arbeitet niemand dran. Die CEOs von Apple, Huawei, Samsung, Lenovo, Oppo, Nokia, Meizu, Xiaomi und LG chillen lieber und fliegen im Zeppelin über die Stadt. Hier ist das 8 Plus wieder einmal das beste iPhone, das Apple je gebaut hat. Es stört niemanden, dass das Design seit vier Jahren praktisch das gleiche ist, das 5,5“ große Display immer noch nur mit 1080p auflöst und von amtlichen Knautschzonen ober- und unterhalb des Bildschirms eingefasst wird, so dass das Handy bei jeder zweiten Hosentasche die Mitarbeit verweigert. Das iPhone X wurde in dieser Welt nie angekündigt, wird nicht gebaut, ist auf keiner Roadmap zu finden. Wie schön wäre es, wirklich aus dieser Perspektive über das 8 Plus schreiben zu können. Geht aber nicht. Also: zurück in die Realität.
Was für ein Schlammassel. Der alles bestimmende Trend der Smartphone-Branche in den letzten anderthalb Jahren war, die Ränder rund um das Display so radikal zu schrumpfen wie nur irgend möglich. Eigentlich ist die Idee natürlich brillant. Sobald es technisch möglich ist, den Rand abzuschnippeln, passt mehr Bildschirm auf weniger Fläche und diese somit wieder in mehr Hosentaschen. Die Idee ist aber auch geklaut, und zwar aus dem Kopf von Jony Ive, der im ersten Video zum allerersten iPhone genau das als Design-Prämisse ausrief: Das beste Design ist das, was man nicht sieht, keine Ablenkung von dem, worum es geht: vom Display. Aber: Apple hat diesen Trend ein bisschen verschlafen. Gut, okay. Ein bisschen sehr verschlafen, aber mit dem iPhone X soll ja nun alles besser werden. Ab dem 3. November soll es zu haben sein – ob in wirklich messbaren Stückzahlen, weiß niemand, das Analysten-Orakel sieht aber in vorauseilendem Investoren-Gehorsam schon mal dunkelgrau bis schwarz. Die Mischung aus irre hohem Preis und Lieferschwierigkeiten wird also faktisch dazu führen, dass iPhone 8 und 8 Plus die iPhones sind, die die Menschen kaufen können, um sich a) Weihnachten was Schönes unter den Baum zu legen und sich b) Wartezeiten wie für einen Trabant in der DDR zu ersparen. Wie sagt der deutsche C3PO im allerersten „Krieg der Sterne“-Film?: „Der reine Wahnwitz.“
Die Zukunft ist nicht aufzuhalten und der temporäre Eskapsimus ob der aktuellen Lage vielleicht gar keine so schlechte Idee.
Dabei ist die Technik im 8 Plus mindestens so wahnwitzig: im positiven Sinn und eben nur verpackt in ein Design und einen Formfaktor, die beide 2017 nicht mehr so wahnsinnig wahnwitzig sind. 235.746 perfekt schillernde YouTube-Videos erklären die Details bereits; 235.745 davon habt ihr mit Sicherheit schon gesehen. Daher reicht hier der Schnelldurchlauf. Der neue Prozessor – A11 Bionic – schlägt in Vergleichstests jetzt noch mehr MacBooks. Topnotch-Android-Telefone sowieso. Solche „Benchmarks“ kann man sich als Hersteller ausdrucken und einrahmen, sie sind dem Gros der Kunden aber so unverständlich wie egal. Apple hat das Chip-Design schon seit Jahren bestens im Griff, und dass im A11 nun sechs und nicht mehr vier Kerne verbaut sind, ist fantastisch, macht das iPhone 7 Plus aber keinen Deut schlechter, geschweige denn veraltet.
Es sei denn, man träumt von dem Paralleluniversum, das wir eingangs schon kurz besucht haben, und von einer anderen Realität. Die ist bei Apple nicht virtuell, sondern augmented. Das heißt, auf die reale Realität werden Informationen projiziert. Ein paar Apps gibt es schon, mit der Software für Entwickler – dem ARKit – soll viel mehr möglich sein als mit allen SDKs anderer Hersteller zusammen. In solchen Szenarien muss der Prozessor natürlich so gut und schnell wie möglich sein und die Grafikkarte – erstmals auch von Apple selbst entwickelt – extremst reaktionsschnell. Das hilft auch bei Games. Wem nun aber die AR vor allem egal ist, weil schon die echte Realität anstrengend genug ist und außerdem immer noch „Threes“ spielt, kommt auch weiterhin mit älteren Geräten gut hin. Aber – das lehrt uns die Vergangenheit –: Die Zukunft ist nicht aufzuhalten und der temporäre Eskapismus ob der aktuellen Lage vielleicht gar keine so schlechte Idee. In der Regel tut es ein Buch aber auch.
Farbechtes Leuchten
À propos Bücher: Die kann man auf Smartphones ja auch wunderbar lesen. Eine der mit Abstand wichtigsten Neuerungen beim iPhone 8 Plus ist das Display, das trotz der gleich gebliebenden Pixel kaum wiederzuerkennen ist. Apple setzt erstmals die True-Tone-Technologie ein, die den Weißabgleich auf dem Display automatisch regelt, den fiesen Blauanteil filtert und die vielleicht beste Erfindung aller Zeiten ist. Erstmals implementiert im iPad Pro 9,7“, leuchten jetzt auch die iPhones augenfreundlicher. Klingt nach Erbsenzählerei, macht aber einen himmelweiten Unterschied. Es ist gut, dass die Displays auf unseren Geräten, auf die wir sowieso jeden Tag viel zu lange starren, mit den Jahren immer besser geworden sind, mehr Pixel bekommen haben und mittlerweile Farben realistischer reproduzieren können. Aber das reicht nicht. True Tone ist und bleibt einer der bei weitem wichtigsten Schritte, der 2017 – endlich! – in der Hosentasche Einzug hält. Okay, in der Gesäßtasche: egal.
Meine fucking Güte: Diese Kamera wiegt 200 Gramm und hat Internet. Chill!
Eher verhalten sind nach zwei Wochen Ausprobieren die Verbesserungen in der Kamera. Das Setup auf der Rückseite des iPhone 8 Plus ist das gleiche geblieben: eine Dualkamera mit einem optisch stabiliserten Weitwinkel-Sensor (f/1,8) und einem Zoom-Sensor (immer noch nicht stabilisiert, f/2,8). Natürlich ist der Sensor per se größer und schneller und hat „deeper pixel“ – @Apple: Ich habe keine Ahnung, was das bedeuten soll –, die Unterschiede zum 7 Plus sind spürbar, aber kein Quantensprung. Bei schlechtem Licht sind die Fotos vielleicht etwas besser, stoßen aber immer noch an die ganz natürlichen Smartphone-Grenzen. Das ist Jammern auf hohem Niveau: Kaum ein Hersteller von Telefonen hat die Kamera-Software so gut im Griff wie Apple. Die Ergebnisse, die aus den Sensor-Informationen von der Software schön gerechnet werden, sind zwar im Vergleich mit Samsung und vor allem auch Google selbst nicht mehr unerreicht, aber immer noch am stimmigsten. Meine fucking Güte: Diese Kamera wiegt 200 Gramm und hat Internet. Chill! Chillen sollte man auch, wenn man selbst fotografiert wird. Apple spendiert dem 8 Plus einen neuen Porträt-Modus, der nicht mehr nur den Hintergrund im Bokeh-Effekt verschwimmen lässt, sondern auch unterschiedliche Modi anbietet, die sich an verschiedenen Licht-Verhältnissen orientieren. Keep Smiling! 4K-Videos mit 60 fps hingegen werden viele glücklich machen, so werden die schillernden YouTube-Videos noch ein wenig schillernder.
Neon Golden
Ein Grußwort an die Ästheten: Die neuen iPhones haben eine Rückseite aus Glas, in meinem Fall schimmert die diffus golden. Diffus, weil: Je nach Lichteinfall changiert die Farbgebung von einem schlichten Fast-Weiß bis zur Hautfarbe der – geschlachteten – Prachtexemplare in einer norwegischen Lachs-Farm. Ich konnte schon beim iPhone SE diesem „Gold“ etwas abgewinnen, die bewusste Unentschiedenheit zwischen Gold, Rosa und Pink beim 8 Plus gefällt mir eigentlich ausgesprochen gut, auch wenn ich im Laden eher zur dunklen Variante greifen würde. Während die Farbwahl jeder und jedem selbst überlassen werden muss, ist die eigentliche Neuigkeit hier: Die neuen iPhones lassen sich induktiv laden. Was bislang ob des Aluminiums auf der Rückseite physikalisch nicht möglich war, funktioniert nun problemlos. Wer keine Lust hat, sein Telefon ans Kabel anzuschließen, kann eben jenes Kabel einfach mit einer Ladeschale verbinden und sein Handy genau da drauf legen. Das klingt nach Pipifax und ist zu Hause vielleicht auch egal. Die Lade-Pads muss man immerhin extra kaufen.
Apple-untypisch implementiert Apple hier aber keinen proprietären Standard, sondern Qi, wofür es bereits zahlreiche Lösungen gibt. Das heißt: Kein Smartphone ist weltweit so beliebt wie das iPhone, und diese Tatsache wird alle Einzelhändler – von Starbucks über Tchibo bis McDonalds – mittelfristig dazu verleiten, diese Lade-Pads in ihre Tische zu integrieren. Flat White trinken und Telefon aufladen. Es könnte schlimmer sein. Dafür nimmt man auch in Kauf, dass das iPhone 8 Plus bzw. die neue gläserne Rückseite natürlich anfälliger für Fingerabdrücke ist, und wie bruchsicher das Glas wirklich ist, wird sich zeigen. Apple behauptet, dieses Glas sei das beste – bruchsicherste – überhaupt, das jemals in einem Smartphone verbaut wurde. Natürlich! Abwarten und Tee trinken, bzw.: besser nicht runterfallen lassen, oder noch besser, Case drumrum packen.
iPhone 8 Plus
- 5,5“-Display
- 1920 x 1.080 Pixel, 401 ppi
- A11 Bionic Chip, M10 Koprozessor
- 12-MP-Dual-Kamera, LED-Blitz
- 202 Gramm
- 7,5 Millimeter tief
- 64/256 GB
- 909/1.079 €
Was mir ausgesprochen gut gefällt sind die Speaker. Wie schon beim Vorgänger werden sowohl der klassische Lautsprecher unten als auch der Ohrhörer für die Beschallung des Mittagstisches bzw. der nächtlichen YouTube-Session eingesetzt. Beide Bins bilden dabei das volle Frequenzspektrum ab. Ich verfluche alle, die ihr YouTube, Spotify oder Apple Music in aller Öffentlichkeit ungefragt in die Umwelt pusten und mit ihrer JBL-Boombox laut kreischend durch die Nacht oder die U-Bahn ziehen – die Performance der Lautsprecher gefällt mir jedoch ausgesprochen gut. Lauter soll es geworden sein, um 25 Prozent, und das stimmt auch. Bei voller Lautstärke will man das dennoch nicht mitmachen, muss man aber auch gar nicht. Das iPhone 8 Plus hat mit die besten Lautsprecher aller Smartphones aktuell. Das reicht schon, den Rest regeln diese Kopfhörer, oder diese hier oder diese. Nicht weil dies die einzigen Headphones sind, sondern die mit dem W1 und weniger Bluetooth-Trouble.
Ist das iPhone 8 Plus nun die Zukunft? Nein, es ist das beste, was die Gegenwart liefern kann im Apple-Universum – bis zum iPhone X. Und obwohl außer The Verge, Computer Bild und Spiegel Online noch niemand weiß, wie verlässlich die Gesichtserkennung funktioniert und wie gut der OLED-Bildschirm wirklich ist, kommt das iPhone 8 Plus dagegen einfach nicht an. Prägen wir es uns gut ein. Es dürfte das letzte Telefon überhaupt sein, das Apple in diesem angestammten Design produziert. Das ist schon ein bisschen schade, auch wenn es dringend vorangehen muss. Eine neue Hürde ist genommen, ein weiteres Kapitel abgeschlossen. Der nächste Schritt heißt X. Das ist die Zukunft. Wobei: Genau diese Zukunft erzählt Apple auch mit der neuen, dritten Generation der Smartwatch, der Apple Watch mit LTE.
Apple Watch Series 3 (GPS + Cellular) – Immer Anschluss unter dieser Nummer
Zwei Jahre ist es her, seit die Apple Watch das Licht der Welt erblickte. Die erste Generation war ziemlicher Punk Rock, ein faszinierender Hack, mit dem viel möglich war, was sich aber letztlich als zu viel entpuppte. Ein verrücktes Interface, ein bisschen Fitness, ein bisschen Heimautomation, alle Apps mit allen Benachrichtigungen am Handgelenk. Ein großes Versprechen also, zurückgehalten und ausgebremst von einer mittelprächtigen Batterielaufzeit und einem langsamen Prozessor. Auf diese beiden Sollbruchstellen hatte man bei Apple die gesamte Bedienung ausgelegt: Bloß nicht die Uhr überfordern. Die wichtigste Erkenntnis war jedoch: Man muss die Uhr auch gar nicht überfordern, denn viele Dinge, die man auf dem Telefon so tut, machen am Handgelenk einfach keinen Sinn, auch wenn man jede Nacht davon träumt, Inspector Gadget zu sein. Mit der zweiten Version der Apple Watch fand man neuen und dringend benötigten Fokus, der ohnehin von Anfang an auf der Hand lag: erst Sport und Fitness, dann alles andere. Ein schnellerer Prozessor, GPS, wasserdicht, ein deutlich aufgeräumteres Interface und endlich eine Akkulaufzeit, bei der man auch abends noch checken konnte, wie spät es ist. Go figure. Aber: Ohne das iPhone war diese Uhr immer noch deutlich eingeschränkt. Zwar ließen sich Musik und Podcasts speichern und beim Joggen wurden dank GPS auch die Location-Daten eines Workouts mit gespeichert, erreichbar war man aber dennoch nicht. Was beim Sport ja eigentlich auch eine gute Idee ist. Doch auch alle anderen Benachrichtigungen wurden nicht ausgeliefert, weil die vom Telefon – außer Reichweite – nicht auf die Uhr gekabelt werden konnten. Genau dieses Problem adressiert Apple mit der Series 3.
Eine Smartwatch mit LTE ist keine neue Idee, im Android- und Tizen-Segment sogar schon fast Alltag. Aber diese Uhren verkaufen sich ungefähr so gut wie eine auf Triple-LP gepresste Sammlung experimenteller Harfen-Etüden im Hardwax, also gar nicht. Auch wenn Cupertino den Start der eigenen Uhr latent verstolpert hat, ist die Apple Watch mittlerweile Platzhirsch. Go figure, once again.
Die Series 3 hat einen neuen Prozessor bekommen. Das gehört irgendwie zum guten Ton, zahlt sich hier aber wirklich und merklich aus. Auch wenn ich das gleiche schon beim Vorgängermodell gesagt habe: Der Performance-Zuwachs führt dazu, dass man nicht mehr darauf warten muss, bis Apps aufgewacht und einsatzbereit sind. Das mit den Apps müsste man sich nun jedoch wieder neu antrainieren, weil es bis dato einfach keinen großen Spaß gemacht und man es nicht oder kaum genutzt hat. Vor allem aber müsste man erst einmal checken, ob es die Apps überhaupt noch gibt, denn viele Entwickler haben sich schon lange nicht mehr um die Verbesserung gekümmert oder ihre Programme sogar ganz gelöscht. Das ist im Einzelfall vielleicht betrüblich, die Uhr ist mit ihren Grundfunktionen aber schon bestens ausgestattet, und solange der Facebook Messenger und iMessage noch geht, ist eh alles in Butter. Der neue Prozessor lässt zudem Siri erstmals von der Uhr aus sprechen – bislang wurden Antworten nur als Text ausgegeben –, und ein barometrischer Höhenmesser zählt das Treppensteigen. Diese Informationen schoss bislang das iPhone zu Workouts dazu, auf dem Telefon ist dieser Sensor schon seit Längerem integriert. WiFi und Bluetooth haben eine Speed-Spritze bekommen, und weil die Apple Watch von vielen Menschen eben vornehmlich als Fitness-Tracker eingesetzt wird, misst eine spezielle App nun regelmäßig den Puls, nicht nur beim Training. Wichtige Informationen auf dem Weg zum besseren Menschen. Und dieser bessere Mensch braucht kein iPhone mehr, um am Ball zu bleiben.
Simsala-eSim-Bim
Hierzulande ist das aber an Bedingungen gekoppelt. LTE in der Apple Watch gibt es bislang ohnehin nur in wenigen Ländern und wird nicht von allen Mobilfunkern unterstützt. In Deutschland muss man erstens bei der Telekom Kunde sein, zweitens den richtigen Tarif gebucht und drittens im Zweifel Lust darauf haben, fünf Euro monatlich extra zu berappen – die ersten sechs Monate sind aber immerhin kostenlos. Man bucht eine MultiSim, also eine zweite SIM-Karte, die auf die gleiche Nummer registriert ist, bekommt einen QR-Code, scannt den auf dem iPhone ein und fertig. Die Einrichtung ist wirklich kinderleicht.
Ein rund zweistündiger Spaziergang mit aktiviertem Workout und LTE entleerte den Akku um rund 50 Prozent.
Telefonieren konnte man mit der Apple Watch schon immer. Bereits die erste Uhr hatte ein Mikrofon und einen Lautsprecher – nur wurden die Telefonate immer über das iPhone geroutet und warum man sich wirklich und wahrhaftig seinen Uhr ans Ohr halten sollte, leuchtete mir nie so ganz ein. An diesem Setup ändert sich auch mit der Apple Watch Series 3 zunächst nichts. Immer, wenn das Telefon in der Nähe ist, bleibt das iPhone die Vermittlungsstelle und übergibt das Gespräch via Bluetooth und WiFi an die Uhr. Wenn das Telefon jedoch auf dem Schreibtisch liegen bleibt und man das Haus verlässt, erscheinen auf dem Display die Balken der Netzabdeckung. Erst dann ist die Uhr das eigentliche Telefon. Alles andere wäre dem Akku der Smartwatch auch nicht zuzumuten. Denn selbst, wenn man mit der Uhr nicht telefoniert, zieht die Verbindung mit den Funkmasten ordentlich Energie. Ein Beispiel: Ein rund zweistündiger Spaziergang mit aktiviertem Workout und LTE entleerte den Akku bei mir um rund 50 Prozent. Dafür ist die Sprachqualität beim Telefonieren hervorragend, die AirPods leisten hier wunderbare Dienste. Irgendwie hat es Apple geschafft, die Antennen in das Display der Uhr zu integrieren, was bedeutet, dass die dritte Generation der Apple Watch zwar nicht dünner geworden ist, dafür aber auch nicht dicker und schwerer. Und eine echte SIM-Karte muss man natürlich auch nicht in die Uhr einschieben. Im Inneren arbeitet eine so genannte eSIM, so wie man es schon aus einigen iPad-Modellen kennt, auf der einfach die benötigten Rechte mit dem QR-Code freigeschaltet werden.
Aktuell sieht es so aus, als würde die Telekom zumindest mittelfristig der einzige Partner von Apple in Deutschland bleiben. Vodafone hat nicht recht Bock auf die Nummer und O2 ließ in einer etwas verklausulierten Pressemeldung wissen, dass eSIM ein offener Standard sei und man sich an den halten und ergo bei der Apple Watch nicht mitmachen wolle. Nicht Genaues weiß man nicht. Sehr genau hingegen ist schon jetzt der nächste Schritt auf der nach oben offenen Spaß-Leiter sichtbar: Schon bald lässt sich der komplette Katalog von Apple Music über Mobilfunk streamen, inklusive Beats 1. Wer sich StreamOn – das Zero-Rating-Angebot der Telekom – geklickt hat, kann dann streamen, bis der Akku leer ist, ohne dabei auf die verbrauchten Gigabyte achten zu müssen. Aber netzpolitisch bewusste Filter-Leser haben StreamOn natürlich nicht gebucht, ergo synchroniseren wir weiter brav Playlists auf die Uhr und rufen nur mal kurz Mama an. Und wer das alles sowieso nicht will, der kauft die Version ohne LTE.
Apple Watch Series 3
- S3 Chip (Dual Core)
- GPS, LTE, UMTS
- wasserdicht bis 50 Meter
- Gehäuseboden aus Keramik
- barometrischer Höhensensor
- 16 GB Speicher
- Gewicht: 28,7 Gramm (38mm), 34,9 Gramm (42mm) - Aluminium-Version
- Preis: ab 449 Euro (38mm), bzw. 479 Euro (42mm)
- Ohne LTE-Modem beginnen die Preise bei 369 bzw. 399 Euro (Speicher: 8 GB)
Wirklich oft sehe ich mich das Feature nicht nutzen. Der Griff zum Telefon, selbst wenn das Ziel nur der Briefkasten ist, hat sich dafür schon zu tief in das Bewusstsein eingegraben. Gerade für Sportler aber, die sich beim Training kein Telefon an den Arm schnallen wollen, ist die Telefonie – Netzabdeckung vorausgesetzt – ein im Notfall willkommenes Sicherheitsnetz.
Wer oft und regelmäßig über Technik schreibt, träumt natürlich auch davon, dass endlich mal etwas vorangeht. Unter diesem Gesichtspunkt gefällt mir die Apple Watch Series 3 noch besser als das iPhone 8 Plus. Bislang hatte ich noch keine Smartwatch mit LTE ausprobiert, und zumindest für einen kurzen Moment, fühlte ich mich tatsächlich wie Dick Tracy – nur ohne Hut. Dass Apple ein solides Telefon-Update vorlegen würde, stand eh schon fest. Da wir aber allesamt noch nicht so lange smarte Technik am Handgelenk tragen, fühlt sich dieser Sprung einfach nach mehr Bähm! an. Manchmal steckt das Große eben im Kleinen. Doch in knapp zwei Wochen wird auch davon zumindest für ein paar Tage niemand mehr sprechen. Dann kommt das iPhone X und Apple muss beweisen, dass man Samsung und Microsoft bei der Gesichtserkennung und Herstellern wie Essential und Xiaomi im Design voraus ist.