Drohnen und PolitikEin Interview über Flugsicherheit, schwierige EU-Gesetze und mürrische Modellflieger
21.10.2016 • Technik & Wissen – Text & Fotos: Ji-Hun KimKommerzielle Drohnen sind seit einigen Jahren ein großes Hype-Thema in der Technikbranche. So richtig im Alltag haben sie sich aber noch nicht durchsetzen können. Das liegt zum einen daran, dass in der technischen Entwicklung durchaus noch Luft nach oben ist, aber auch an der Gesetzeslage, uneindeutigen Debatten und Technikphobien von Politikern und Behörden, die auch mal über Dinge bestimmen, die sie zuvor noch nie gesehen haben. Dennoch sind im vergangenen Jahr weltweit vier Millionen Drohnen verkauft worden. In Deutschland sollen es mehrere Hunderttausend gewesen sein.
Der Däne Christian S. Struwe hat viele Jahre in der europäischen Flugsicherung gearbeitet und war danach im Verband „UAS Denmark“ tätig, einem Netzwerk für die dänische Drohnen-Industrie. Seit Anfang des Jahres arbeitet er für die Firma DJI, dem weltweiten Marktführer für kommerzielle Drohnen, um in Brüssel unter anderem Lobby-Arbeit zu betreiben, aber auch um gemeinsam mit Wettbewerbern, Politikern und Behörden an einem harmonisierten europäischen Regelwerk für unbemannte Fluggeräte zu arbeiten. Das Filter traf Christian Struwe zum Interview. Ein Gespräch über konservative Gesetze, falsch geführte Debatten und die natürliche Angst vor neuen Technologien.
Auf deiner Visitenkarte steht „Policy Lead“. Worum geht es genau in deiner Arbeit?
Wir arbeiten mit der EU, Regierungen und Gesetzgebern zusammen, um ihnen zunächst vor allem die Technologie zu erklären. Wir klären über Möglichkeiten der Technik, aber auch Risiken auf. Die Gesetze, die für die Zukunft geschaffen werden, orientieren sich immer auch an den Gefahren, die von so einer Technologie potenziell ausgehen. Unsere Arbeit läuft zunächst auf nationaler Ebene. In Deutschland wird bspw. sehr bald ein neuer Entwurf vorgestellt, der französische Senat arbeitet ebenfalls an einem neuen Gesetz. Die EU versucht schließlich all diese Entwürfe zusammen zu bringen. 2018/2019 werden wir dann voraussichtlich eine Rechtssituation haben, die die Anwendung von Drohnen europaweit regulieren wird.
Vor einigen Jahren war die Euphorie bezüglich kommerzieller Drohnen sehr groß. Das Hurra scheint heute ein wenig abgeflacht.
Die bekannten zwei Seiten einer Medaille. Aber gerade mit den neuen Modellen, die immer handlicher und praktischer werden, sind wir gar nicht so weit davon entfernt, dass bald in jedem Haushalt eine Drohne sein könnte, in fünf bis zehn Jahren. Sobald die Menschen verstanden haben, was man alles Großartiges mit einer Drohne machen kann – diese beeindruckenden Bilder und Videos, wie einfach sie mittlerweile zu bedienen sind, das wird zur Verbreitung führen. Wie in jeder anderen Branche spielen aber auch Massenproduktion und Wettbewerb eine wesentliche Rolle. Zur Zeit entsteht genau das. Die verschiedenen Hersteller spornen sich mit technischen Innovationen an, die Preise werden immer günstiger. Da werden neue Märkte erschlossen.
Ist die derzeitige Rechtslage in Europa zu konservativ?
Würde ich sagen. Dabei gibt es eine große Diskrepanz zwischen der Regulierung der bemannten Luftfahrt, die seit vielen Jahren Bestand hat und nicht so spontan auf Techniktrends und Innovationen eingehen muss wie es bei der unbemannten Luftfahrt der Fall ist. Zur Zeit wird zum Beispiel über unterschiedliche Gewichtsklassen von Drohnen diskutiert. Was aber meiner Meinung nicht so viel Sinn macht. Gerade bei Drohnen geht es fast ausschließlich darum, Gewicht zu minimieren. Wenn man sich zum Beispiel das neueste Modell von DJI anschaut: Das ist nur halb so schwer wie ein Modell von vor zwei Jahren. Da passiert also jeden Tag etwas Neues. Regelungen, die wie bei Schiffen oder Lastwagen auf Gewichtsklassen basieren, werden kaum auf aktuelle Innovationen eingehen können.
Ist die Situation bspw. in den USA eine andere?
In Amerika ist der Umgang damit in der Tat freier und nicht so streng reguliert, auch weil es eine andere Akzeptanz zu dem Thema gibt. Und bis dato ist mir auch kein Fall bekannt, bei dem es zu einem tödlichen Unfall mit einer Drohne gekommen wäre. Häufig gibt es Nachrichten, dass es angeblich zu Kollisionen zwischen Flugzeugen und Drohnen gekommen sei. Allerdings sind die wenigsten davon bestätigt. Außerdem gibt es zahlreiche Technologien wie Geo-Fencing, die von vornherein auf Basis von GPS-Daten verhindern, dass Drohnen überhaupt in die Nähe von Flughäfen fliegen. Nichts ist perfekt, aber es werden richtige und große Schritte getan, um Drohnen sicher zu machen.
Ein anderer Diskurs ist die Privatsphäre. Wie ist da der Stand der Dinge?
Wir können uns vorerst nur auf die Konsumenten fokussieren. Was Regierungen und die Polizei mit Drohnen machen, können wir nicht beeinflussen. Ich denke jedoch, dass bei Drohnen die gleichen Datenschutzrichtlinien gelten sollten wie bei anderen Technologien auch. Natürlich kann ich mit einer Drohne vor deiner Nase rumfliegen und ein Foto machen. Das Gleiche kann ich aber auch von dem Hügel dort hinten machen, wenn ich eine Kamera mit einem großen Objektiv habe. Vor wem habe ich mehr Angst? Wenn ich weiß, dass ich unter Umständen gefilmt werde oder wenn das im Geheimen geschieht? Ich finde, dass sich geltende Bild- und Persönlichkeitsrechte einwandfrei auf Drohnen anwenden lassen. Die Diskussionen bezüglich des Rechts auf Privatsphäre dürfen nicht nur auf Basis einer Technologie stattfinden. Drohnen sind eine Technologie von vielen. Nicht mal wir wissen, wie Drohnen in zehn Jahren aussehen werden.
Die gleiche Debatte gab es bereits, als die ersten Handys eine Kamera bekamen. Noch lange bevor es die ersten Smartphones gab. Da gab es viele Bedenken, dass es zu einem Missbrauch der Technologie kommen könnte. Pädophile oder Menschen, die heimlich Fotos in Umkleidekabinen mit dem Handy machen. Die Wahrheit ist, dass das in dem Maße nicht eingetreten ist und wir uns eine Welt ohne Smartphone-Kameras heute kaum noch vorstellen können. Auch weil der positive Nutzen einfach so groß ist. Niemand kam auf die Idee, für Handy-Kameras extra definierte Bildrechte und Gesetze zu schaffen. Es handelt sich um eine Kamera, nur in einem anderen Gehäuse und das Gleiche gilt meiner Meinung nach auch für Drohnen.
Am Ende betreibst du auch Lobby-Arbeit. Du bist viel in Brüssel unterwegs. Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Viel mehr als Lobbyismus ist meine Arbeit Erklären, Aufklären und Präsentieren. Die Technologie ist sehr neu für alle. Wo immer wir hinkommen, gibt es viele Fragen wie: Was kann die Drohne? Wie sieht so etwas aus? Gerade Gespräche mit Politikern in Brüssel zu führen, kann viel bringen. Wir bringen einfach eine Drohne mit und zeigen sie den Politikern. Die ersten Reaktionen sind: Wow! Das ist eine Drohne? Sie debattieren über Reglementierungen, haben aber noch nie eine Drohne gesehen, ausprobiert, geschweige denn wissen sie, was man damit macht und wie. Meine Arbeit besteht also darin, mit jenen Menschen, die an den Gesetzen arbeiten, ins Gespräch zu kommen. Das können Politiker sein, Regierungsinstitutionen, aber auch Partner und Wettbewerber. Die Drohnen-Industrie muss in dem Zusammenhang an einem Strang ziehen. Am Ende wollen wir alle ein Gesetzeswerk, das eine gute Zukunft mit Drohnen ermöglicht.
Wie ist es also, wenn man mit einem älteren EU-Politiker spricht, der von moderner Technik keinen Schimmer hat?
Ganz ehrlich, das erste Feedback ist immer sehr positiv. Viele verstehen früh, wie praktisch diese Geräte sind und was man alles damit umsetzen kann. Einige sind schwieriger, andere weniger. Viel hat mit der Einstellung zu tun. Es gibt Menschen, die nur das sehen und hören wollen, was sie vorher schon wussten und wiederum andere, die wirklich offen sind und sich gerne Dinge erklären lassen.
Was wäre das Schlimmste, was gesetzlich passieren könnte?
Wir fänden es bedenklich, wenn Konsumenten zu viele Auflagen erteilt werden. Je komplizierter ein Regelwerk ist, desto schwieriger wird es, die Regeln einzuhalten; es kommt früher und zahlreicher zu Regelverstößen. Das ist weder für die Industrie gut, noch für die Entwicklung der Technologien, und am wenigsten für die User, die wahrscheinlich einfach nur Spaß haben wollen. Leute, die Drohnen fliegen wollen, werden es ohnehin machen. Wenn Gesetze aber so kompliziert sind, dass sie keiner mehr versteht, dann kommt es automatisch zu Konflikten. Anders formuliert, das Beste, was passieren kann, ist, dass es ein einfaches, verständliches Regelwerk gibt, das sich wirklich auf die Risiken und Gefahren konzentriert.
Am Ende sind Drohnen doch nichts anderes als ferngesteuerte Flugzeuge und Helikopter. Also Produkte, die es so schon seit langem gibt.
Eigentlich ja. Aber die Modellflug-Community wird von Leuten bestimmt, die das schon lange als elitäres Hobby betreiben. Da gibt es viel Vereinsmeierei. Modellflug und Drohnen werden von denen generell nicht als das Gleiche betrachtet, obwohl man das eigentlich annehmen könnte. Es gibt tatsächlich Konsultationen, wie man ein für alle Fluggeräte gültiges System schaffen kann. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) hat vor einiger Zeit einen Entwurf vorgestellt und der Deutsche Modellflieger Verband, ein 85.000 Mitglieder starker Verein, hat diese Vorschläge in einer Pressemitteilung kategorisch abgelehnt. Sie fürchten um ihr Hobby und dass ihre Interessen zu sehr eingeschränkt werden könnten. Natürlich muss man unterscheiden, ob man auf einem abgelegenen Fluggelände fliegt oder mitten in der Stadt. Aber hier sieht man, dass unterschiedliche Interessengemeinschaften aufeinander treffen.
Wie siehst du persönlich die Zukunft mit Drohnen?
Man muss zwischen Freizeitgebrauch und professionellen Anwendungen unterscheiden. Auf der professionellen Seite wird es viele Dinge geben, die von Drohnen übernommen werden, die heute schwierig und gefährlich sind. Bei Katastrophen, Bränden oder ähnlichen Situationen. Aber auch die sich weiter entwickelnde Automation von Drohnen dürfte eine große Rolle spielen. Mir wurde kürzlich gesagt, dass in Europa jedes Jahr hunderte Menschen sterben, weil sie von Leitern stürzen. Viele dieser Aufgaben könnten von Drohnen erledigt werden. Auf der Konsumentenseite finde ich spannend, wie die User mit den Möglichkeiten umgehen werden. Fotos und Videos zu machen, die keiner zuvor so geschossen hat. Ganz eigene use cases mit Drohnen zu schaffen, da wird noch eine Menge passieren.