Boys Club on WheelsBerlinale 2019: „Mid90s“ von Jonah Hill

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Alle Fotos: © 2018 JAYHAWKER HOLDINGS, LLC

Jonah Hill hat seinen ersten Film gedreht: „Mid90s“ ist ein Coming-Of-Age-Drama um einen 13-Jährigen, die ausgelassene Feier einer Jugend in den 90ern, aber auch ein präziser Blick auf die Unwegsamkeiten des Erwachsenwerdens. Hier geht es nicht um das Ende einer Kindheit, sondern vielmehr um den Beginn von etwas manchmal Schmerzhafterem, in jedem Fall aber Aufregenderem. Auf Skateboards.

Die größte Herausforderung im Leben eines Heranwachsenden ist der Ollie. Das könnte jedenfalls glauben, wer dem 13-jährigen Stevie dabei zusieht, wie er wieder und wieder am Gelingen dieses Basis-Tricks verzweifelt. Für die Hauptfigur eines als „Skaterfilm“ gehandelten Films kann Stevie wirklich außergewöhnlich schlecht mit einem Skateboard umgehen. Aber natürlich geht es in Mid90s nur vordergründig ums Skateboarding oder, wie der Titel nahelegt, um die 90er-Jahre. Auch sollte man Jonah Hills Regie-Debüt nicht als biografisches Stück missverstehen – obwohl einige Eckdaten dazu verführen: Hill, dem ganz großen Publikum als Schauspieler spätestens seit den 21 Jump Street-Filmen oder Martin Scorseses The Wolf of Wall Street bekannt, ist Jahrgang 1983 und – wie Stevie – aufgewachsen in Los Angeles. Und um so ein Aufwachsen geht es hier denn auch.

Lauter erste Male

Im Falle von Stevie bedeutet es: abnabeln von der Familie und Anschluß finden bei einer Gruppe älterer Skaterboys, die vor allem damit beschäftigt sind, jugendlich zu sein – abhängen, Scheiße labern, gelegentlich auch welche bauen, und eben skaten. Stevie muss das alles erst noch lernen, beweist jedoch – abseits des Absolvierens von Ollies – hohe Lernkompetenz. Einen Sommer lang debütiert er in Disziplinen wie „Rauchen“, „die eigene Mutter belügen“, „vor der Polizei wegrennen“, „dem tyrannischen großen Bruder ernsthaft wehtun“ oder „high nach Hause kommen“. Lauter erste Male. Und irgendwann dann diese eine Party, bei der Stevie mit einem Mädchen anbandelt, oder doch eher das Mädchen mit ihm, und aus dem Nebenzimmer dröhnt „Nirvana Unplugged“.

„My girl, my girl, where will you go?“ – tja. Für weibliche Perspektiven hat Mid90s wenig Raum: Stevies Clique ist eine reiner Boys Club. Deren fünf Mitglieder sind unterschiedlich in Alter, Größe, Charakter, Hautfarbe und Skate Skills, ihr Zusammenhalt ergibt sich aus Zufall und sportlichen Präferenzen, bestimmend aber ist das Diktat toxischer Männlichkeit. Und obwohl sich Jonah Hills Drehbuch hemmungslos auf die Seite seiner Figuren schlägt, entwickelt es einen beinahe analytischen Blick auf gruppeninterne Hierarchien und ihre habituelle Konstruktion, auf das Ringen um Positionen der Stärke und die Widersprüche (männlicher) Adoleszenz.

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Heranwachsen ist aber nicht bloß sehr schrecklich, sondern überwiegend auch sehr schön. Deshalb ist Mid90s auch ein mitunter wahnsinnig komisches (an manchen Stellen Larry-Clarke’sches) Hohelied auf das Gefühl einer Lebensphase, das es ausgiebig und vor allem an seinen filmischen Oberflächen feiert. Mal werden Sequenzen von Kickflips vor kalifornischem Sonnenuntergang mit einem stilecht gepickten Soundtrack montiert, der von Big L und The Pharcyde bis zu den Bad Brains reicht – ein bisschen Score gibt es auch, den hat Trent Reznor gemacht, klingt also auch nach 90s. Mal fährt die Kamera mit juvenilem Stolz die Rücken einer CD-Sammlung ab. Die 90er-Jahre-Signatur verdankt sich aber nicht nur Musik, Kostüm und Set Design (Turtles-Bettwäsche! Mobb-Deep-Poster!), sondern genauso dem Einsatz bestimmter Technik. Mit dem Rückgriff auf analogen 16-Millimeter-Film und dem daraus resultierenden 4:3-Format stellt Jonah Hill seinen Film einerseits in gewisse Traditionslinien des US-amerikanischen Indie-Kinos, vor allem dient diese Wahl aber wohl der zeitlichen Beglaubigung einer Ära, in dem sich das Kino noch am Vorabend seiner allmählichen Digitalisierung befand. Das schmale Format vermittelt zugleich die Perspektive der jugendlichen Figuren, denen ein paar Straßenzüge wie die große weite Welt vorkommen.

Und in solchen Vermittlungsfragen ist Mid90s ziemlich gut. Jonah Hills Variation des Coming-Of-Age-Dramas manövriert so smooth durch seine Story wie ein Hoverboard. Die Floskel von der „erzählerischen Leichtigkeit“: Man hätte sie sich für Mid90s aufsparen sollen. Einen ersten Film zu drehen scheint offensichtlich ein einfacheres Unterfangen zu sein als ein geglückter Ollie.

Mid90s
USA, 2018
Regie und Drehbuch: Jonah Hill
Mit: Sunny Suljic, Lucas Hedges, Na-kel Smith u.a.

Screenings während der Berlinale:
So, 10.02., 19 Uhr: Zoo Palast 1
Mo, 11.02., 9:30 Uhr: CinemaxX 7
Di, 12.02., 17 Uhr: Cubix 9
So, 17.02., 19 Uhr: Zoo Palast 1

Deutscher Kinostart: 7.03.2019

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