Er hat es doch nur gut gemeintFilmkritik: „Die Verlegerin“ von Steven Spielberg
25.1.2018 • Film – Text: Tim Schenkl„The Amazon Washington Post“ nennt Donald Trump die US-amerikanische Hauptstadt-Tageszeitung gern und spielt damit auf ihren heutigen Besitzer, den Multimilliardär Jeff Bezos an. Den hat der Multimilliardär Trump im Verdacht, Teil einer Fake-News-Verschwörung des Establishments gegen ihn und seine MAGA-Bewegung zu sein. Steven Spielberg blickt in seinem neuen Film Die Verlegerin auf ein Kapitel aus der Geschichte der Washington Post zurück, das noch vor der Aufdeckung des Watergate-Skandals liegt, die 1974 zum Rücktritt Nixons führte und der Zeitung zu Weltruhm verhalf. Unser Autor Tim Schenkl hat nach Sichtung des Ende Februar in Deutschland anlaufenden Streifens jedoch den Verdacht, dass der Starregisseur vor allem einen Kommentar zu den USA der Gegenwart abgeben will.
Es ist immer wieder beeindruckend, wie schnell das Hollywoodsystem in der Lage ist, auf aktuelle politische Ereignisse zu reagieren. Gerade ein Jahr ist Donald Trump nun im Amt, und schon erscheint der erste Film, der sich mit dem Tweeter in Chief und dessen speziellem Verhältnis zur Presse auseinandersetzt. Verantwortlich zeichnet kein Geringerer als die New-Hollywood-Legende Steven Spielberg, der laut eigenen Angaben das Drehbuch für Die Verlegerin zum ersten Mal im Februar 2017 in den Händen hielt.
Die Verlegerin heißt mit englischem Originaltitel The Post und ist nicht in der Jetztzeit angesiedelt, sondern basiert auf wahren Begebenheiten aus dem Jahre 1971. Amtierender Präsident ist demzufolge also nicht @realDonaldTrump, sondern POTUS 37, der Republikaner Richard Nixon. Und trotzdem liegt der dunkle Schatten des aktuellen Amtsinhabers unübersehbar über dem Film.
Mansplaining in Orkanstärke
Zum Inhalt. Nach dem Selbstmord ihres Mannes Philip Graham, dem Mitherausgeber der Washington Post, steht Katharine Graham (Meryl Streep) der Zeitung vor, die vor ihr schon ihr Vater leitete. Als erste Frau in dieser Position sieht sie sich täglich mit einem regelrechten Mansplaining-Orkan konfrontiert, welcher, als das Unternehmen vor der Entscheidung steht, durch Anteilverkäufe frisches Kapital zu generieren, in rekordverdächtiger Stärke auf sie zu rast. Neben weitreichenden strategischen Entscheidungen muss Katharine aber auch das Tagesgeschäft im Blick behalten. Chefredakteur der Washington Post anno 1971 ist Ben Bracklee (Tom Hanks), ein Vollblutjournalist aus Boston. Einer, der auch mal zu nicht ganz sauberen Mitteln greift, um herauszufinden, an welcher großen Story die im Gegensatz zur Post überregional erscheinende Konkurrenz von der New York Times gerade dran ist.
Ben träumt von großen politischen Enthüllungsstorys, mit denen er Washington durchrütteln will, Kathrine muss ihn daran erinnern, darüber nicht die Berichterstattung über die Hochzeit von Nixons Tochter Tricia aus den Augen zu verlieren, für welche die Post eigentlich nicht zugelassen ist, an der aber besonders die weibliche Leserschaft sehr interessiert ist.
Nachdem die Times mit einem ersten Artikel über die sogenannten Pentagon Papers, einem internen Dokument des Militärs, die Wut von Nixons Weißem Haus auf sich gezogen hat und dadurch gezwungen ist, von weiteren Veröffentlichungen abzusehen, scheint Bens große Stunde geschlagen zu haben. Denn auch die Washington Post ist im Besitz der Pentagon Papers. Diese schildern einen ungeschönten, deutlich anderen Verlauf der Kriegsgeschehnisse in Vietnam, als die offiziellen Verlautbarungen von Verteidigungsminister Robert McNamara und der US-Regierung. Ein Publizieren der brisanten Papiere könnte jedoch nicht nur das Ende der Zeitung bedeuten, sondern sowohl für den Chefredakteur als auch für die Verlegerin mit einem Gefängnisaufenthalt enden, scheinen doch Nixon alle Mittel recht zu sein, um die Öffentlichkeit weiterhin im Dunklen zu halten.
Steven Spielberg zeigt die frühen 1970er-Jahre als eine Zeit der lange fälligen Umbrüche und Neuanfänge. Die Protagonisten leben dabei größtenteils noch in einer Welt, in der die Männer nach dem Dinner gemeinsam am Esstisch sitzen bleiben, um über Politik zu sprechen, während die Frauen sich ins Wohnzimmer zurückziehen, um über die Kinder und die neuesten Klatschgeschichten zu konversieren.
Katharine Graham inszeniert der Regisseur als eine Grenzgängerin. Sie beschreitet neue Wege und ist dabei meist völlig auf sich allein gestellt. Immer wieder betritt sie Räume, die nur mit Männern gefüllt sind, bahnt sich ihren Weg durch diese und scheint von den skeptischen Blicken der Anwesenden regelrecht durchbohrt zu werden.
Meryl Streep spielt die Verlegerin anmutig und stark, zeigt jedoch auch deren Zögern, Zweifel und Unsicherheiten. Diese werden dadurch noch verstärkt, dass sie privat eng mit Robert McNamara (Bruce Greenwood) befreundet ist und diesem nur ungern schaden möchte. Und hier kommen wir zum wohl größten Problem von Spielbergs Film: Die Verlegerin wirkt arg überladen, man bekommt das Gefühl, der Regisseur könne sich nicht so richtig entscheiden, welche wichtige Message er seinen Zuschauern zuerst mit auf den Weg geben möchte.
Kathrines und Bens Streben nach journalistischer Integrität gerät nicht nur durch den potentiellen Machtmissbrauch des US-amerikanischen Präsidenten in Gefahr; auch der zunehmende Einfluss externer Geldgeber auf den Journalismus wird von Spielberg mehrfach thematisiert. Außerdem müssen sich Kathrine und Ben Gedanken über ihre persönliche Integrität machen und sich die Frage stellen, ob private Beziehungen zu Politikern sich mit ihrem Berufskodex verbinden lassen. Zusätzlich verhandelt Spielberg auch noch den Unterschied zwischen Enthüllungsjournalismus und Whilstleblowing, welches auch damals schon fälschlicherweise häufig mit Landesverrat gleichgesetzt wurde, und über all dem schweben ständig auch noch Trump und die MeToo-Bewegung (in deren Rahmen es für Streep wegen ihres Schweigens in der Causa Weinstein bekanntlich viel Kritik gab).
Gut gemeint, aber nicht gut gemacht
Spielbergs Versuch, einen Film über die Vergangenheit zu machen, aus dem wir für die Gegenwart lernen können, ist sicherlich gut gemeint, größtenteils aber nicht wirklich gut gemacht. À propos gut gemacht: Kommen wir zu einem weiteren, generelleren Problem von Spielbergs aktuellem Filmschaffen. Während der Verleihung der Golden Globe Awards kam es zu dieser vielsagenden Szene: Der Moderator Seth Meyer leitet den folgenden Gag ein: „The Post is a film about journalistic intergrity directed by Steven Spielberg and starring Tom Hanks and Meryl Streep.“ Daraufhin erscheint aus dem Hintergrund eine junge Frau mit gleich mehreren Awards auf dem Arm. Meyers tut überrascht und schickt die Frau mit den Worten „No, not yet, we have to wait“ wieder davon. Was als harmloser Witz über die große Kunstfertigkeit von Spielbergs Film und dessen daraus resultierendes extremes Preispotential geplant war, wurde im Laufe der Veranstaltung zum unnötigen Seitenhieb auf einen der großen Verlierer des Abends. Denn Die Verlegerin ging trotz sechs Nominierungen am Ende komplett leer aus, was vermutlich nicht nur Seth Meyers überraschte, sondern auch als ein Zeichen dafür gewertet werden kann, dass Spielberg und seine Crew aus Oldschool-Allstar-Filmschaffenden, zu der neben Streep und Hanks auch noch der Kameramann Janusz Kamiński und der Komponist John Williams zählen, selbst bei einer verschnarchten Veranstaltung wie den Golden Globes niemanden mehr vom Hocker hauen und dass sie sich schleunigst einer kreativen Frischzellenkur unterziehen sollten. Wer einen guten Film über die Achse Nixon-Trump, die hier zu bauen versucht wird, sehen will, der schaue sich „Get Me Roger Stone“ an.
Die Verlegerin
USA 2017
Regie: Steven Spielberg
Drehbuch: Liz Hannah & Josh Singer
Darsteller: Meryl Streep, Tom Hanks, Bob Odenkirk, Alsion Brie, David Cross, Carrie Coon, Bruce Greenwood
Kamera: Janusz Kamiński
Musik: John Williams
Laufzeit: 116 min
ab dem 22.2.2018 im Kino