Filter Tapes 018„Static Study“ von Iron Curtis
21.10.2015 • Sounds – Interview und Foto: Ji-Hun Kim, Illustration: Bartholomäus ZientekOb als Iron Curtis oder im Duo mit seinem Freund Jürgen Albert als Achterbahn D’Amour – der in Nürnberg aufgewachsene und seit vielen Jahren in Berlin lebende Musiker und DJ Johannes Paluka schält wie kaum ein anderer die besonders einfühlsamen und intimen Facetten aus Deep House, Techno und Acid heraus. Das ist keine Selbstverständlichkeit im sonst vom Positivismus getriebenen Clubkontext und auch nicht immer einfach. Aber nicht nur deshalb ist sein Filter Tape ein perfekter Soundtrack für die Saison der kürzer werdenden Tage geworden. Ein rauschender, verzaubernder und knisternder Trip in den persönlichen exquisiten Soundkosmos von Iron Curtis. Im Interview erklärt er das Konzept seines Mixtapes, spricht über seine aktuellen Projekte und wieso man Musik auch immer für sich selber machen sollte.
#Tracklist
- Jan Jelinek - Trust The Words Of Stevie
- Moodtrap - Heart Beat Takeaway
- Iron Curtis - Mt. Gordon
- Bessiekat - Storm On The Seaside of LA
- Body Boys - Alone
- Auscultation - Lost You In The Fog
- Jeff Bridges - Good Morning, Sweetheart
- Etienne Jaumet - Midnight Man (Gilb'R Midnight Version)
- Chevel - Loop #33
- MCMXC - Untitled (Ethos Series 3) (Edit)
- Qnete - Lessons In Finding
- Simoncino - Space Tape 1
- Khotin - Infinity Jam
- Iron Curtis - Whispers r.e.d.
- Pillowdiver - Sleeping Pills (Pill 2)
- VC-118A - Deploy
- Arcarsenal - Day Of Down
- Terre's Neu Wuss Fusion - A Crippled Left Wing Soars With The Right (Sprinkles Remix)
- Flørist - Final Bounce
- Typesun - Make It Right (Jason Fine Remix)
- DJ Khalab & Baba Sissoko - Kumu (Harmonius Thelonius Remix)
Ich erinnere mich an eine Zeit vor ein paar Jahren, in der es gefühlt keine Woche ohne eine EP oder Remix von Iron Curtis gab.
Nach meinem ersten Album „Soft Wide Waist Band“ bei Mirau 2012 habe ich alles erstmal ein bisschen langsamer angehen lassen. In den Jahren zuvor war es wirklich ziemlich intensiv. Das kam aber auch daher, dass sich in der Zeit davor so viel Musik bei mir angesammelt hat. Da war viel Material bereits vorhanden, davon habe ich natürlich profitiert. So konnte ich regelmäßig Releases herausbringen. Aber das war irgendwann aufgebraucht. Danach fängt man an, sich neu zu konzentrieren. Das führte konsequenterweise zu weniger Releases im Jahr. Ich hatte aber nie einen Releaseplan gehabt, deshalb war das am Ende für mich auch gar nicht so wichtig.
Was ist im letzten Jahr bei dir passiert?
Meine Freundin ist am Anfang des Jahres nach Australien gegangen. Seither kann ich auf eine Zeitspanne von gut neun Monaten zurückblicken, in der ich auf mich alleine gestellt war. Da wartete niemand auf das gemeinsame Abendessen, also bin ich wie ein Wilder ins Studio gerannt. Das führte zu einem Haufen neuer Tracks. Zum ersten Mal hatte ich aber auch das Gefühl, dass ich in der Zeit Musik nur für mich gemacht habe. Sonst ging es oft um Tracks oder Remixe, die zuvor angefragt wurden, wo man den Sound des jeweiligen Labels im Hinterkopf hatte und viele andere Aspekte im Vorhinein eine Rolle spielten. Das konnte ich diesmal außen vor lassen. Diesmal ging es nur um die musikalische Selbstheilung (lacht).
Hat dieses Langsamer-Werden auch andere Aspekte beim Musik machen hervorgebracht?
Ich war eigentlich noch nie besonders schnell. Das hat wie erwähnt in den ersten Jahren nur keiner mitgekriegt, weil so viel bereits produzierte Musik auf einmal veröffentlicht wurde. Jetzt hatte ich aber mehr Zeit, um Dinge fertig zu machen. Zu gucken und zu spüren, wohin die Reise geht. Zumal ich 2014 auch mit Achterbahn D’Amour ein Album releast habe, generell viel unterwegs war und die Sachen von Iron Curtis dadurch ein bisschen aus dem Fokus verloren habe. Jetzt ist mein zweites Album so gut wie fertig. Jetzt muss ich noch schauen, wo es heraus kommen soll.
Erzähl mir ein bisschen mehr von dem Projekt Achterbahn D’Amour, das du mit deinem Freund Jürgen (Jool) Albert betreibst.
Das Projekt war in den vergangenen Jahren sehr wichtig für mich. Wir haben viel Musik produziert und releast. Das hat mir viel gegeben insofern, dass ich durch die Zusammenarbeit mit Jool einen gänzlich anderen Zugang zur Musik bekommen habe. Es hat mir aber auch geholfen, den Leuten mitzuteilen, dass ich nicht nur House oder Deep House gut finde und produziere. Anfangs hatten wir beide nie gedacht, dass uns das Projekt so lange beschäftigen würde, dass es je ein Album geben würde. Vor kurzem waren wir wieder zusammen im Studio. Es gibt bald ein paar Remixe und wohl auch wieder eine EP auf Acid Test.
Inwiefern macht es bei dir einen Unterschied alleine Musik zu machen oder mit jemand anders zusammen?
Ich musste das gemeinsame Musik machen erst lernen. Bis dahin habe ich immer nur für mich alleine herumgewurschtelt. Da wir uns über gemeinsame Partys in Nürnberg aber schon lange kannten und viel zusammen aufgelegt haben, passte das sehr gut. Wir kannten unsere Einflüsse, die Zusammenarbeit hat mir als Eigenbrödler aber auch beigebracht, meine Komfortzone zu verlassen. Seither traue ich mich musikalisch mehr, gehe auch mal in Ecken, in die ich mich vorher nie rein getraut hätte.
Lass uns über dein Filter Tape sprechen. Wie bist du da ran gegangen. Was war die Idee dahinter?
Ich habe eine Weile keinen Mix mehr gemacht. Daher war das an sich schon aufregend. Ich wollte gerne ein Stück von mir drin haben. Das ist das dritte im Mix mit dem Namen „Mt. Gordon“. Ich wollte diese Atmosphäre des Tracks in den Mix transportieren. Hoher Rauschanteil, auch mal weg von der geraden Bassdrum. Nicht nur Musik für den Club. Etwas, das man sich auch nochmal anhören würde.
Hörst du dir sonst keine Mixe oder Tracks von dir an?
Doch. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die sich ihre Sachen nicht wieder anhören. Ich glaube auch, das ist gelogen. Dabei hört man ja immer wieder von dieser Attitude, dass Produzenten nach Release ihre Tracks nie mehr anhören.
Ich finde auch, das ist Bullshit. Man muss sich die eigene Musik doch so oft wie möglich anhören wollen.
Genau. Jeder, der Musik macht, sollte doch gerne hören, was er macht.
Oder die Tracks und Mixe, die man sich nicht so oft danach anhört, waren die, die sowieso nicht so gut waren.
Finde ich auch. Ich habe ja immer Musik für mich selbst gemacht. Das war Musik, die ich mir für meinen Discman gemacht habe, für den Spaziergang oder die Bahnfahrt.
Ich finde deinen Mix trotz seines elektronischen Sounds sehr Indie. Wie verträgt sich das deiner Meinung nach mit dem Club und seinen konventionellen Erwartungen?
Eigentlich gut. Ich finde es immer erfrischend, wenn ich im Club solche Sachen hören kann. Wenn man sich DJ-Charts anguckt – beispielsweise vor zwei Jahren als der ganze Hype um L.I.E.S. aufkam, da waren bei jeden DJ-Charts ihre Platten vertreten. Ich denke dabei nur: Ja, gut. Aber dann legt die Sachen auch mal auf! Ich ertappe mich ja selber dabei, dass man als DJ gewisse Erwartungshaltungen erfüllen will und die radikaleren Sachen immer dann erst kommen, wenn man bereits auf der sicheren Seite ist. Aber generell wünschte ich mir mehr abseitige Sounds in Clubs. Da könnten sich alle mehr trauen.
Vor paar Jahren hatte ich noch das Gefühl, dass es eine besser vernetzte Szene und Basis für Deep House in Berlin gab. Man hing gemeinsam in der Loftus Hall oder im Farbfernseher ab. Labels wie Retreat und White haben regelmäßig Partys gemacht. Es gab einen regen Austausch.
Da hat sich schon was verändert. Einige Leute sind auch einfach älter geworden. Einige wie Mano Le Tough sind sehr erfolgreich geworden, andere haben sich eher zurückgezogen. Der Sound hat sich auch verändert. Es kommen junge Leute nach, die bringen wiederum eigene Trends und Hypes mit. Ich konnte mich aber auch ein Stück weit zurück ziehen aus der ganzen Sache. Ich hatte das Glück, an vielen meiner Wochenenden zu spielen, also war ich auch gar nicht mehr jedes Wochenende in Berliner Clubs. Aber ich finde ja gut, was Jungs wie Max Graef und Glenn Astro gerade machen, dass es da neue Crews gibt. Das hält so eine Szene ja am Laufen. Welcher Trend mir aber nicht gefallen hat, war der dritte Aufguss von Garage House. Das war mir dann doch zu formelhaft.
Hast du je in einer Band gespielt?
Ich habe zwar mal Klavier gelernt als Kind, aber dann mit dem Skateboarden angefangen, was ich ein bisschen bereue. Damals während meiner Jugend in Nürnberg haben fast alle meine Freunde in Bands Stoner Rock und Math Rock gespielt. Zu der Zeit war ich irgendwie der einzige, der sich mit Plattenspielern, Techno und House auseinandergesetzt hat. Ich hing aber trotzdem in den Proberäumen mit ab und auch wenn ich nie in einer Band gespielt habe, würde mir dieser Ansatz des Musizierens noch immer gefallen. Meinungen anderer zuzulassen. Bei Achterbahn D’Amour ist es ja ein bisschen so wie in einer sehr kleinen Band.
Bei deinen Livesets hast du vor einiger Zeit angefangen zu singen.
(Lacht) Ich habe es einfach mal probiert, ohne zu wissen, ob das jetzt gut ist oder nicht. Es gab einfach Stücke, in denen ich mit meiner Stimme gearbeitet habe, bin aber weit davon entfernt, mich als Sänger zu bezeichnen. Wenn man singt, wird aber vieles schnell persönlich. Lyrics werden immer gleich pathetisch. Bei den letzten Livesets habe ich daher darauf verzichtet. Im Clubkontext gab es bei meinen Auftritten mit Vocals auch immer wieder kritische Momente. Ich erinnere mich an einen Gig in der Distillery in Leipzig. Bei zwei, drei Stücken habe ich dort mit Vocals gearbeitet und direkt kamen Kommentare wie: „Ey Alter, ist das jetzt Modern Talking, oder was?!“ Das muss man dann aushalten.
Lass uns über Lieblingsmusik sprechen. Wo in deinem Mix findet man deine absoluten Lieblinge?
Das erste Stück ist von Jan Jelinek und ich muss immer wieder feststellen, dass er einer meiner stärksten Einflüsse ist. Auch über die Jahre. Die Konsequenz seiner Alben – vor allem „La Louvelle Pauvreté“ hat mich damals umgehauen. Wie klein und zerbrechlich einerseits er auch mit Stimme arbeitet. Dabei rauscht, knackst und knistert es überall. Als 2003 das Album rauskam wurde das Thema Minimal ja in vielen Stilen abgearbeitet. Jan Jelinek kam aber immer aus dieser krautigen Ecke und hat das kongenial verbunden. Ein unglaubliches Popgefühl in einer Zerschreddertheit, die einfach großartig ist.
Wieso bist du nie Musikjournalist geworden? Das war druckreif.
(Lacht) Eine gute Frage.