Filter Tapes 019„A Perfect Warm-up“ von Daniel W. Best
11.12.2015 • Sounds – Interview: Ji-Hun Kim, Illustration: Sarah SchwemlerIn den letzten 20 Jahren hat Daniel W. Best in Berlin zahlreiche kreative Spuren hinterlassen. Er organisierte die legendäre Reggae-Party Escobar in den 90ern. Schickte als Booker Jazzanova in die weite Welt, zerlegte mit Dixon regelmäßig in den 00er-Jahren das Weekend, betreibt mit Best Works und Best Friends aktuell zwei Labels, organisiert das XJAZZ-Festival und schafft es als wandelndes Musiklexikon auch mit Flamenco Techno-Clubs zum Ausflippen zu bringen. Für unser neustes Filter Tape hat sich Daniel Best seinem Lieblings-DJ-Topic gewidmet: dem perfekten Warm-up. Im Interview sprachen wir über Walkman-Kindheitserinnerungen in den USA, wilde Zeiten in Berlin, isolierte Bassdrum-Blasen und Missverständnisse übers Auflegen.
#Tracklist
- Big John Patton – Hot Sauce
- Ian Simmonds – Swinging Millie
- Jerzy Milian – Choreographic Sketches
- Theo Parrish – (Upperground Orchestra Live Re-Imagination)
- Open Rhythms – Bodies Of Water
- James Mason – I Want Your Love
- Paul Johnson – Better Than This (Dego & Kaidi 2000 Black Rework)
- Merwyn & Inkswel – Eternal Freedom (Inkswel’s Sugarhill Mix)
- Moniquea - A Certain Way
- Aleem - Fine Young tender
- Mid Air - Ease Out
- Joe Dukie & DJ Fitchie - Midnight Marauders
Hallo Daniel, vielen Dank für dein Filter Tape. Es fängt schon mal interessant an.
Ich habe bewusst mit diesem jazzigen Gitarrenstück angefangen, das vor zehn Jahren noch ziemlich verhasst war: „Hot Sauce“ von Big John Patton. Ein Blue-Note-Track. Die Platte habe ich vor über 20 Jahren in Montpellier gekauft. Über die Jahre habe ich den Song immer wieder gespielt. Ich finde, so was ist auch ein Statement. Es geht ja oft um Moden in der Musik. Das interessiert mich aber nicht. Ich wollte Musik spielen, die ich gut finde.
Du hast einen ziemlich universellen Musikansatz und interessierst dich für viele Stilrichtungen. Worum ging es dir bei deinem Filter Tape?
Ich wollte einen vielfältigen Mix machen. Mit bekannteren und unbekannteren Sachen – alt und neu. Mit der Bandbreite wollte ich auch ein bisschen meine musikalische Story erzählen. Das fängt eben bei Big John Patton an und geht bis zu „Midnight Marauders“ von Joe Dukie & DJ Fitchie, zwei Musiker von Fat Freddy’s Drop, mit denen ich schon lange zusammenarbeite und deren Track auch auf meinem Label Best Seven veröffentlicht wurde.
Du bist ja schon recht lange dabei. Du bist DJ, betreibst Labels, organisierst Festivals, betreust Künstler – irgendwie gibt es nichts, was du nicht machst. Wie ist es dazu gekommen?
Ich habe in Frankfurt/Oder Kulturwissenschaften studiert. Das war 1992. Damals habe ich auch erste Events, ergo Uni-Partys, veranstaltet. 1995 kam ich nach Berlin. Dort habe ich Jürgen von Knoblauch von Jazzanova kennen gelernt – über meinen Bruder Christoph, der den Plattenladen „Best Records“ in München betreibt.
Gibt’s den noch?
Ja. Theresienstraße, Ecke Türkenstraße. Da gibt es alles von Rock bis Jazz. Im Tränenpalast hat mein Bruder mir also Jürgen vorgestellt. Das war ein Giant-Step-Abend mit Dana Bryant. Später lernte ich Alex Barck und Claas Brieler von Jazzanova kennen. Ich kam zu meinen ersten DJ-Gigs in Berlin. Diese ganzen illegalen Bars und Clubs in den 90ern. Das habe ich alles mitgemacht. Dann kam die erste Jazzanova-Platte heraus, die ziemlich durch die Decke ging. Gilles Peterson hat sie oft gespielt und plötzlich brauchte die Band jemanden, der sich ums Booking kümmert. Seitdem arbeite ich für sie. Damals noch mit Fax, allerersten E-Mails, Flüge habe ich gekauft und dann in Rechnung gestellt. Parallel habe ich mein Studium beendet und bin neben dem Auflegen immer mehr in den Bereich Booking reingekommen. Dazu habe ich den Bereich A&R bei Sonar Kollektiv betreut. Neben dem Jazz-Crossover-Ding war ich auch schon immer großer Reggae-Fan. Ich habe die Eventreihe Escobar gestartet, die es bis vor kurzem noch immer gab. Damals in der Pfefferbank. Das ist heute … Wie heißt der Laden noch mal?
Das Bassy?
Genau. Jeden Montag haben wir da die Anlage reingestellt, Bier gekauft, komplett ohne Genehmigung. Eine fantastische Zeit. Natürlich waren auch die HipHopper da, Dancehall-Fans, Houser, die Leute vom WMF, alle. Zu der Zeit gab es noch einen Konsens, was Reggae anbetrifft. 400 Leute, jeden Montagabend auf einer Reggae-Dancehall-Party. Das geht heute nicht mehr. Dort habe ich irgendwann Dixon kennengelernt, der auch mit dem Sonar Kollektiv unterwegs war, noch bevor er mit Innervisions startete. Jahre später habe ich mit ihm die Inner-City-Partys im Weekend in Berlin-Mitte organisiert. Dazu kam die Veranstaltungsreihe Kaleidoskop von Jazzanova, Events mit Kruder und Dorfmeister und einiges mehr.
Auf deinem Label Best Works hast du eher Techno und House veröffentlicht.
Das Label mache ich gemeinsam mit André Lodemann. Den kenn ich aus gemeinsamen Uni-Zeiten in Frankfurt/Oder. Ich verhalf ihm erst zu einem Release bei Moods and Grooves, weil ich Mike Grant ganz gut kannte. Dann haben wir das Label zusammen gestartet.
Wird es zum Verhängnis, wenn man so vielseitig unterwegs ist.
Ich glaube ja. In letzter Zeit habe ich oft darüber nachgedacht. Im Verlagsbereich ist es eher besser, breit aufgestellt zu sein. Aber manchmal frage ich mich, ob ich mich nicht hätte besser spezialisieren sollen. Aber am Ende geht es mir darum, Musik und Musiker zu unterstützen. Sei es durch Festivals, Bookings oder auch einfach durch meine Erfahrung.
Wie aktiv seid ihr zur Zeit mit Best Works?
Dieses Jahr wurde nichts releast. Im nächsten Jahr werden fünf Platten erscheinen. Darunter was von Bakradze und einem Spanier, den wir kürzlich gesignt haben. Auf Best Friends, dem Label, das ich alleine betreibe, habe ich kürzlich eine Art Werkschau von Sierra Sam herausgebracht, was dann eher klassischer Detroit-Techno ist.
„Ich finde das Berliner Techno-Diktat schlimm und brutalst langweilig.“
Jetzt haben wir viel über das alte Berlin gesprochen. Damals gab es scheinbar eine andere Vielfalt, was Genres und Szenen anbetrifft. Heute diktiert die Techno-Bassdrum weitestgehend das Geschehen. Wie siehst du das?
Ich finde es schlimm und brutalst langweilig. Ich will ungern das schwierige Wort Gleichschaltung in den Mund nehmen. Aber ein bisschen so fühlt sich das an. Berlin ist heute einfach die Hauptstadt der elektronischen Musik. Mit dem Erfolg des Berghain und dem Watergate wurden viele Menschen aus allen Ländern angezogen, die sehr ähnliche musikalische Interessen, wenn nicht sogar den gleichen Geschmack haben. So konnte sich eine Szene entwickeln, die gänzlich unabhängig vom Rest der Welt funktioniert. Schau dir den Karneval der Kulturen an. Da kann man noch sehen, wie vor allem die Berliner noch immer unterschiedlichste Stilinteressen haben. Bei vielen Ex-Pats habe ich leider das Gefühl, dass sie das Techno-Ding als einzige Option in Berlin sehen. Das ist eine isolierte Blase. Wenn ich heute DJs aus England oder USA erzähle, dass wir jeden Montag zusammen auf Reggae gefeiert haben, gucken die nur stutzig und können das gar nicht glauben. Heute läuft halt einfach jeden Abend Techno oder House und die Leute können durchfeiern. Das ist zur Normalität geworden. Ich hab hingegen mit Freude um 6 Uhr das Putzlicht angemacht.
Du hast dich auch immer gerne mit den Ursprüngen auseinander gesetzt. Das Projekt „G.I. Disco“ ist so ein Beispiel. Da gab es nicht nur Partys, sondern auch eine Compilation und eine Ausstellung.
Gemeinsam mit Kalle Kuts habe ich das Projekt vor einigen Jahre gestartet. Es ging um 80s Disco, Funk, Pop – Sounds, die heute durch Mayer Hawthorne, Tuxedo und anderen wieder populär wurden. Ich versuche ja immer einen anderen Blick auf Musik zu finden. Wenn ich auflege, kann das 80s Pop sein, aber auch Brazil oder Afrobeat. Wenn ich bspw. in der Renate spiele und auf den zwei Mainfloors läuft Tanzmusik und ich steh da im kleinen Raum und spiele meine Flamenco-Sachen, gehen die Leute irgendwann trotzdem steil. Obwohl es keinen Bass gibt. Das ist ja das Schöne an Musik. Heute läuft in jeder Bar unter der Woche Techno. Wenn ich in einer Bar bin, will ich keinen Techno. Ich will reden und geile Drinks zu mir nehmen.
G.I. Disco nennt ihr den Sound, der in amerikanischen Soldaten-Clubs in deutschen Besatzungszonen lief. Du bist aber in den USA aufgewachsen.
Ich bin in Amerika geboren und habe bis zu meinem 14. Lebensjahr dort gelebt. Im Schulbus hörte ich Midnight Star und Shalamar. Es kam gerade der Walkman heraus. Im Radio lief Gogo: Chuck Brown & The Soul Searchers. In Deutschland angekommen, wir zogen nach Reutlingen, habe ich Freunde gefunden, die einen ähnlichen Geschmack hatten und zusammen sind wir dann in G.I.-Etablissements in Stuttgart gegangen. Kalle Kuts ist gebürtiger West-Berliner und hat parallel in Berlin ähnliche Erfahrungen in G.I.-Clubs gesammelt. An solchen Orten ist ja erstmalig die Auflegekultur aus den USA aufgetaucht. Solche Szenen gab es zum Beispiel auch in Heidelberg. Advanced Chemistry haben bspw. auch einen G.I.-Music-Hintergrund, da war es dann aber halt HipHop. Kalle habe ich in Miami auf der Winter Music Conference kennengelernt. Kurz darauf haben wir das erste Mal zusammenaufgelegt und so ist die ganze Sache vor gut fünf Jahren entstanden. Mittlerweile habe ich mich aus dem Projekt aber herausgezogen.
„Die große Kunst des Warm-ups ist ja das Gefühl dafür zu haben, wann es losgeht. Ich knall nicht laut in einen leeren Raum, sondern gestalte quasi das Vorspiel.“
25 Jahre legst du jetzt mittlerweile auf.
Aber immer als Profi-Dilettant.
Das heißt?
Ich leg halt auf. Ich mach keine langen technischen Übergänge, die man von House oder Techno kennt. Wie eingangs erwähnt, habe ich mich nie zu 100% nur aufs Auflegen fokussiert. Ich mache es halt und immer noch gerne. Ich spiel auch gerne in Bars. Ich kann mich gut mit der Idee von Erik Saties Musique d’ameublement identifizieren. Musik sollte einen Raum gestalten, schmücken. Man kann keine Musik ignorant auf einen Raum schmeißen und dann passiert was. Da gibt es auch viele Missverständnis bezüglich der Frage: Was macht ein DJ? In Bars werde ich für meinen Musikgeschmack gebucht. Dass ich dem Raum schmeichle und hier und da Menschen dazu bewege, mit den Füßen mit zu wippen. Für große Mainstream-Hits und laute House-Musik gibt es doch Discotheken. Ich liebe Kaschemmen. Das ist mein Ding, da kann ich alles spielen. Und sei es polnischer Jazz.
Du magst es demnach auch in Clubs eher das Warm-up zu machen?
Es geht mir ja schon um Tanzen. Aber nicht vordergründig. Die große Kunst des Warm-ups ist ja das Gefühl dafür zu haben, wann es losgeht. Ich knall nicht laut in einen leeren Raum, sondern gestalte quasi das Vorspiel. Ich werde immer wieder bei House-Abenden für Warm-ups gebucht, eben weil ich kein House-DJ bin. Es geht doch primär um eine gute Stimmung und die schaffe ich halt mit Boogie und Funk oder auch mit einem 7"-Set. Man muss langsam das Tempo anziehen. Du merkst, wie sich die Tanzfläche füllt, die Leute immer gespannter werden und wenn ich das klassische Dance-Tempo erreicht habe, übergebe ich an den Main Act. Musik mit 80 oder 90 BPM kann ja sehr groovy und tanzbar sein und mit dem Abhotten zur Peaktime kann ich nichts anfangen.
Weil es jeder kann?
Das kann auch nicht jeder. Aber es ist einfacher.
Empfindest du dich auch als eine Art Musiklehrer?
Ein bisschen. Aber ich stelle auch immer wieder fest, dass gerade die Kids von heute durch das Internet einfach viel mehr wissen als wir damals. Dafür hängen sie nicht mehr jeden Tag Stunden lang im Plattenladen herum und nerden mit ihren Kumpels über Musik ab. Der Zugang ist ein anderer geworden. Klassiker wie „Pastime Paradise“ von Stevie Wonder habe ich tausende Male gehört, aber es ist immer noch einer meiner All-Time-Favourites und landet immer wieder in meiner Plattentasche. Und trotzdem kommt der 20-Jährige an und sagt, wie geil ist das denn? Und will, dass ich den Track unbedingt nochmal spiele. Gute Musik kann man einfach nicht tot spielen.
Für welchen Moment hast du dein Filter Tape gemacht?
Unter anderem ist ja der Upperground-Orchestra-Remix von Theo Parrish drauf – der ist schwierig. Aber es muss ja nicht immer gefällig sein. Aber am besten hört man das Mixtape nach einem guten Essen, wenn man die ersten Drinks serviert und später vielleicht noch in einen Club oder gute Bar gehen will.