Filter Tapes 020„Unreleased Sweden“ von Art Alfie
28.1.2016 • Sounds – Interview: Ji-Hun Kim, Illustration: Julian BraunDer Stockholmer Musiker und DJ Art Alfie (bürgerlich Oscar Wedren) hat unser 20. Filter Tape gemixt. Diesmal gibt es Musik, die selbst die größten Checkernerds unter euch nicht kennen dürften. Denn Art Alfie hat in seiner Demo-Sammlung gewühlt und die schönsten unveröffentlichten Stücke aus Stockholm in einem Mix zusammengestellt. Mit Tracks von jungen Talenten wie Assar Jansson, bis hin zu alten, nie gediggten Perlen von Axel Boman. Wir sprachen mit Art Alfie über seine Tape-Idee, die schwedische Pop- wie Clubkultur und salzigen Westküsten-Flavour.
#Tracklist
- Isle Of Lillies – 21th century Aviation
- Assar Jansson – NS05
- Atmospheric Ssoundsystem – Willhelms Drömsresa
- Mayonaise Bandana Darkeners – Professional Help
- Tonto – Book Of Love
- Edgar Bravo – Estwest
- Lovers – Luxury (Demo Version)
- Axel Boman – How Will You Make It On Your Own
- Linnea & Linus – Take 4 (AA Edit)
- Bardo – Almost
- Tonto – Next To Me
- Bernadotte – Colloseum (Tempo Edit)
- Jazzhatten – Roasted
Erzähl mir vom Label Karlovak, dem Label, das du gemeinsam mit Mr. Tophat betreibst.
Karlovak hat ursprünglich als Outlet für unsere gemeinsamen Produktionen angefangen. Es gibt aber auch Releases von Radio Slave, DJ Jes und Santos. Mit Karlovak Chrome haben wir außerdem ein Sublabel gestartet. In letzter Zeit versuche ich aber wieder mehr an eigenen Sachen zu arbeiten.
Dein Filter Tape hat ein spezielles Thema. Was war genau die Idee dahinter?
Ich bin in der glücklichen Situation, viele Demos zu hören. In den letzten Jahren hat sich bei mir viel Musik angesammelt, die noch nie veröffentlicht wurde. In dem Mixtape habe ich daher all die Musik kompiliert, die befreundete Künstler von mir aufgenommen haben. Ich fand es schade, dass die Musik nur so wenig Leute zu hören bekommen und auf irgendwelchen Festplatten versauert. So ist der Mix entstanden.
Es handelt sich generell um schwedische Musik?
Ein Großteil der Musik kommt aus Stockholm. Musiker, die ich schon lange kenne oder aus meinem Umfeld stammen. Oder von Freunden von Freunden.
Tauscht ihr alle eure Tracks regelmäßig aus?
Es kommt drauf an. Aber wenn ich etwas Gutes höre, frage ich, ob ich es bekommen kann. Ich habe eine Zeit lang in einem Liveclub gearbeitet und mich unter anderem ums Booking gekümmert. So bin ich natürlich auch an viele Demos gekommen.
Aus welcher Phase stammt die Musik?
Die ältesten Tracks sind ca. zehn Jahre alt. Der Track von Axel Boman zum Beispiel. Da hat er noch in Göteborg studiert. Der Song hat diesen speziellen Göteborg-Popvibe.
Wie habe ich mir den Göteborg-Vibe vorzustellen?
Es ist abstrakt. Aber dort gibt es diesen, ich nenne es mal, salzigen Westküsten-Flavour. Es schimmert und flackert. Wohingegen Stockholm direkter klingt. Es ist aber wirklich schwierig, in Worte zu fassen. Gib mir ein halbes Jahr Zeit, dann schreib ich dir eine universitäre Abhandlung darüber (lacht).
Wie würdest du die Stockholmer Szene beschreiben? Schwedische Popmusik wird noch immer gerne mit Dr. Alban oder Ace of Base assoziiert.
Solche Musiker hatten durchaus einen großen Einfluss auf das Selbstverständnis von Musik in dem Land. In Stockholm gibt es aber keine wirkliche Clubkultur. In den 90ern gab es eine erste Welle von Labels und eine Warehouse-Partyszene. Das Docklands war zu der Zeit sehr bekannt. Aber als der Club schloss, ist auch die Danceszene von der Bildfläche verschwunden. Später gab es eine neue Generation mit DJs wie Eric Prydz, Sebastian Ingrosso und Steve Angello, die Residents in einem Club namens Grodan waren. Für mich war das so was wie eine zweite Welle. Auch wenn das einige anders sehen würden. Sie wurden bekanntlich alle international sehr erfolgreich, aber dennoch haben auch sie einen wichtigen Beitrag für die Clubkultur geleistet.
Heute gibt es in Stockholm eine kleine, junge Underground-Technoszene: Produzenten wie Abdulla Rashim, Labels wie Studio Barnhus, die eher für zeitgenössischen House stehen.
Wo gehst du heute gerne aus?
Under Bron ist ein schöner Laden. Die müssen im Winter erst um fünf Uhr früh schließen. Das ist mit Abstand die längste Öffnungszeit in Schweden. Abseits der offiziellen Clubs gibt es noch immer eine aktive Szene, die mal in leerstehenden Fabriketagen oder ähnlichen Locations Partys veranstaltet.
Ausgehen ist in Schweden ja ein schwieriges Thema. Es gibt streng reglementierte Sperrstunden, der Alkohol ist ganz schön teuer …
Es gibt auch so gut wie keine Drogenkultur. Das hat natürlich seine guten wie schlechten Seiten. Es ist schwierig, Locations zu bekommen und wenn man einen Club professionell betreiben will, ist es schwer, etwas wirklich Gutes daraus zu machen. Es gibt viele Auflagen. Überall müssen Security-Leute stehen …
Hat das politische Gründe?
Klar. Die Entscheidungen werden von Politikern getroffen. Man merkt aber auch, dass die Polizei durchaus liberal mit der Szene umgeht. Nach außen wird die harte Linie kommuniziert. Aber wenn auf einer halblegalen Party die Polizei auftaucht, kann es passieren, dass sie sicherstellen, dass es Feuerschutz und Notausgänge gibt und die Party einfach weiterlaufen lassen.
Schweden ist als progressives, liberales Land bekannt. Wie kommt es, dass gerade das Nachtleben so reglementiert ist?
Schweden ist in vielerlei Hinsicht auch konservativ. Wir haben eine lange Tradition des Alkoholismus. Vor 150 Jahren gab es so Riesenprobleme und es entstand eine große Bewegung, die sich der Abstinenz verschrieb. Die Gesetze wurden von da an von Zeit zu Zeit verschärft. Das Gleiche galt für Drogen. Man versuchte einfach restriktiv damit umzugehen. So was wie Clubkultur hat darunter natürlich zu leiden. Aber das ist nur meine persönliche Einschätzung.
In deinem Filter Tape gibt es nicht nur Dance-Sachen zu hören, sondern auch Pop, Folk und Rock. Welche Musik beschäftigt dich privat sonst?
Ich mag so gut wie jede Art von Musik. Da aber der Tag nur wenige Stunden zum Musik hören bietet und ich die letzten Jahre viel House produziert habe, bin ich nicht wirklich zum Musik entdecken gekommen. Ich habe aber eine Vorliebe für alten Americana oder weirde Indie-Sachen. Ich liebe auch alten Soul. Da steckte damals schon so viel drin. Tolle Hooks, unfassbare Streicher. Brooks O’Dells „You Better Make Up Your Mind“ zum Beispiel. Das kennt heute kein Schwein, für mich ist es aber noch immer unvorstellbar, wie gut Musik damals schon gewesen ist.
Welche Künstler sollte man deiner Meinung nach im Auge behalten?
Assar Jansson, der den zweiten Song für den Mix geliefert hat, ist ziemlich ambitioniert. Das ist auch der aktuellste Track auf dem Tape. Ein junger Stockholmer, der meines Erachtens fantastische Musik macht. Jeder Track, den ich von ihm gehört habe, macht mich glücklich. Er wird demnächst was auf dem Label Born Free veröffentlichen. Der wird es machen. Da bin ich mir ziemlich sicher.
Worum geht es dir, wenn du auflegst?
Ich finde Emotionen total wichtig. 50 Prozent deines Jobs als DJs sind Emotionen. Du musst eine Verbindung zum Raum herstellen, das Publikum und den Raum lenken können. Das ist für mich eine hoch emotionale Beziehung.
Wie schafft man solche Emotionen?
Ein aktueller amerikanischer HipHop-Produzent meinte mal in einem Interview, das sei alles recht simpel: Alles, was man braucht, sei ein bouncy Groove und eine gute Hook. Wenn ich produziere, geht es mir ganz ähnlich. Wenn ein Groove geschmeidig ist und eine gute Melodie dazukommt, ist das für mich schon die halbe Miete.