Filter Tapes 031„No Four On The Floor“ von Marenn Sukie
20.6.2018 • Sounds – Interview: Ji-Hun Kim, Illustration: Susann GreuelDer britische Produzent Chris Roth stammt aus Swindon in der Nähe von Bristol und hat dieses Jahr mit seiner EP „Mosaic“ auf dem renommierten Imprint Apollo Records ein beeindruckendes Label-Debüt abgeliefert. Zwischen Jazz, UK, House und Broken Beats sondiert sich sein Spektrum, und für sein Filter Tape hat er sich dem Dancefloor gewidmet – allerdings programmatisch und strikt ohne gerade Bassdrum. Wie erfrischend. Geschmeidig und „very british“ ist die Angelegenheit geworden. Perfektes Kopfkino-Open-Air. Im Interview spricht Marenn Sukie über seine musikalische Heimat Bristol, deutsche Fußball-Legionäre als Namenspaten und (zum Glück) verfehlte Drum-and-Bass-Eskapaden.
Hallo Chris, vielen Dank für dein Filter Tape.
Vielen Dank euch. Es hat mir viel Spaß gemacht.
Ich finde den Mix ja sehr britisch.
Nun ja, da komme ich ja auch her. Obwohl mein Vater Deutscher ist.
Erzähl doch erstmal. Dich und deine Musik kennen hier noch nicht so viele.
Ich bin aus Swindon, das ist 45 Autominuten von Bristol entfernt. Da geht man Platten kaufen, da findet Musik statt. In Swindon selbst gibt es jetzt keine Szene in der Form. Wenn, dann gibt es eine Verbindung zu Bristol.
Wenn ich an Bristol denke, muss ich natürlich an Portishead, Massive Attack und Co. denken. Spielt das heute immer noch eine große Rolle?
Aber ja. Bristol hat eine lange Geschichte. TripHop war ohne Frage wichtig. Aber auch Roni Size und Drum and Bass sind ein großer Teil dieser Geschichte. Es gibt hier auch eine lange HipHop-Tradition. So ist mit den Jahren ein eigener Sound entstanden. Die Art, wie man mit Samples umgeht, und deren Ursprung: Das ist schon Bristol-typisch.
Tracklist
- Calibre – Lost (The Nothing Special)
- Afriqua – Opferator (R&S)
- Norwood – Life Your Life (Apollo)
- Djrum – Anchors (2nd Drop)
- Eveson – Watershed (V Recordings)
- Tom VR – Sunrise Tape (All My Thoughts)
- Sieren – Slinger (Apollo)
- Komon & Appleblim – Enigmatic Light’ (Beatnik Boulevard)
- Calibre – Sand Promise’ (The Nothing Special)
- Mathew Jonson – Decompression’ (Konrad Black's Decompresha Remix/Freedom Engine)
- Overlook – Never Understanding’ (Osiris Music)
- Synkro – Alone (Deep Heads)
Im letzten Jahr kamen deine ersten Releases heraus – jetzt folgt deine erste EP auf Apollo Records. Keine kleine Angelegenheit.
Bei mir passiert viel über Soundcloud, irgendwie muss ich die Musik ja an Leute bringen. Ich habe irgendwann auch mal Synkro über Soundcloud angeschrieben. Da bin ich aber davon ausgegangen, dass ich gar nichts von ihm hören würde. Und es hat in der Tat auch sechs Monate gedauert, bis er geantwortet hat. Er wollte weitere Demos haben, die er im Club testen wollte. Zwei Tage später ließ er mich wissen, er hätte mit Renaat von R&S gesprochen und man wolle eine EP mit mir machen. Da waren die Freudensprünge groß. Ich konnte es gar nicht fassen.
Ich muss dich dennoch fragen, wie es zu deinem Künstlernamen gekommen ist.
Ich dachte zuallererst an typische deutsche Techno-Namen (lacht). Mein Nachname ist ja bereits Roth, ein deutscher Name. Chris Roth fand ich aber ein bisschen langweilig, und ich wollte auch nicht unter meinem bürgerlichen Namen auftreten. Ich habe mich daher nach deutschen Fußballern umgeschaut und bin auf Marko Marin gestoßen. Den Nachnamen habe ich ein bisschen in der Schreibweise verändert. Sukie habe ich von der japanischen Funk-Band Yamasuki entlehnt. Außerdem ist Maren ein weiblicher Vorname. Ich mag es, wenn Sachen mehrdeutig sind. Und der Name ist doch durchaus originell. Findest du nicht?
In der Tat. Bist du also Fußball-Fan?
Ich liebe Fußball. Ich bin ein großer Fan von Bayern München.
Da ist deine Fußballliebe keinem englischen Verein gegönnt gewesen?
Auf gar keinen Fall.
Dein Sound ist nicht leicht einzuordnen. Es hat Club-Momente, 2 Step, Garage, Drum and Bass, viele Samples. Aber es funktioniert anders. Es geht schon auch um Listening. Wie siehst du das Konzept?
Ich suche immer die Balance zwischen Club und Hörerfahrungen mit kleinen Details. Das in ein Genre zu kategorisieren, fällt mir auch schwer. Ich habe meine Platten bei Bass Music, TripHop, aber auch R’n’B einsortiert gefunden. Andere nennen es dann wieder Deep House. Es ist wohl von allem ein bisschen. Das wollte ich mit meinem Filter Tape aber auch erreichen. Irgendwas dazwischen im DJ-Kontext abzubilden. Außerdem durfte es keine gerade Bassdrum geben und es sollte tanzbar sein. Es gibt so viele gerade House-Mixe da draußen. Das ist doch auf Dauer langweilig.
Dabei sah es lange Zeit für britische Club-Musik ganz gut aus. (Post-)Dubstep lief sogar eine Zeit regelmäßig im Berghain. Das ist aber irgendwie vorbei. Viele von den Produzenten sind bei der geraden Bassdrum gelandet. Scuba, Joy Orbison, vielleicht auch Lone. Wie siehst du das? Auch aus „britischer“ Sicht.
Viele wie Scuba leben ja auch in Berlin. Da färben das Berghain und der dominante Sound der Stadt mit Sicherheit ab. In Swindon gibt es solche Szenen nicht. Daher gibt es auch wenig eindeutige Einflüsse von außen. Lange wollte ich nur Drum and Bass machen. Aber ich habe weder die Drums noch den Bass hingekriegt. So bin ich überhaupt erst zu meinem Sound gekommen. Wer weiß, ob ich das in Berlin so jemals umgesetzt hätte? Techno ist einfach eine internationale und große Sache. Daher begrüße ich es umso mehr, dass Labels wie R&S und Apollo so weit über den Tellerrand schauen. Der erste Apollo-Release überhaupt war „Selected Ambient Works 85-92“ von Aphex Twin. Das macht mich schon ehrfürchtig.
Wie beschreibst du deinen Sampling-Ansatz? Diggst du regelmäßig nach alten Platten oder wie kommst du an deine Samples? Angeblich bist du ein großer Fan von polnischem Jazz.
Auf polnischen Jazz bin ich erst durch Ninja Tune gekommen. Der dort gesignte polnische Act Skalpel hat mich der Musik näher gebracht. Deren erstes Album hat mir sehr gefallen, und sie sind wahre Experten auf diesem Gebiet. Seitdem entdecke ich viel in der Richtung. Es ist aber auch amerikanischer Jazz, der mich interessiert: Herbie Hancock, Miles Davis. Zum Beispiel nehme ich einen Akkord von Hancock, Drums von einem anderen Künstler, Trompeten von einer anderen Quelle und mache so lange weiter, bis ich eine riesige Soundcollage habe. Daraus versuche ich dann den Track zu schneiden, die einzelnen Elemente plötzlich in einem neuen Kontext zu präsentieren und irgendwann gar nicht mehr klar ist, was genau wo gesampelt wurde.