Das Ende einer ÄraWie Apple den Laptop zu Grabe trägt
28.10.2016 • Technik & Wissen – Kommentar: Ji-Hun KimDer leuchtende Apfel auf Apple-Laptops war lange Zeit Symbol für einen kreativen, flexiblen und freiheitlichen Lifestyle. Nun hat Apple bei seinen neusten MacBook Pros genau den abgeschafft. Für viele eine Nebensächlichkeit. Für Ji-Hun Kim ist das ein Symptom einer verquasten Geschäftsphilosphie in Cupertino, die den Blick für das Wesentliche verloren hat. Hier wird ein großes Erbe mit Füßen getreten. Ein Kommentar.
Apple hat neue MacBook Pros vorgestellt. Die Resonanz der Fachjournaille ist bislang, sagen wir, durchwachsen. Die Meckerpunkte hier: Statt vieler verschiedener Schnittstellen (SD, USB, Thunderbolt) gibt es vier gleiche Thunderbolt (USB-C)-Ports. Professionelle Nutzer kriegen es also mit einem noch größeren Adapter-Dschungel zu tun. Es werden auch nicht die neuesten Prozessoren verbaut und statt der Funktionstasten gibt es nun ein Display, das mit unterschiedlichen individuellen Shortcuts und Belegungen daher kommt. Klingt nach Revolution, ist aber am Ende nur ein halbseidenes Gimmick wie die 3D-Touch-Funktion beim iPhone. Jeder, der blind tippt, weiß: Das könnte ganz schön frickelig werden. Aber auch eine weitere Sache wurde eingestellt, von der Funktionalität her gar nicht wichtig. Aber doch sagt es eine Menge über den Apple-internen Stellenwert und Status Quo kreativer Arbeit aus und darüber, wie wichtig Apple Laptops überhaupt noch sind. Nämlich so gar nicht.
Vielleicht ist es den meisten noch gar nicht aufgefallen, auch weil die neuen MacBook Pros noch nicht in freier Wildbahn zu sehen gewesen sind. Aber der legendäre, ikonische, leuchtende Apfel auf der Displayrückseite wurde abgeschafft. Nun glänzt and dieser Stelle nur noch eine glattpolierte Kontur. Man mag in Cupertino vielleicht gar nicht groß darüber nachgedacht haben. Vielleicht war es auch einfach billiger und beim aktuellen 12 Zoll großen MacBook hatte man auch schon auf das illuminierte Logo verzichtet. Der wurde allerdings als leichte Handtaschen-freundliche Version für Lifestyle-Blogger und Fashionistas vermarktet. Daher gab es auch Vuitton-taugliche Farben wie Gold und Rosé Gold. Luxus, das ist das, was Apple wollte. Noch mehr Geld aus elektronischen Geräten raushauen, ganz wie Prada oder Hermès, die man auch nicht wegen der fairen Preise für Material und Herstellungskosten kauft. Die Zielgruppe, die Apple allerdings erst zu dem gemacht hat, was es ist, musste lange Zeit auf neue Geräte warten. Das Design des letzten MacBook Pro existiert bereits seit 2012 und wurde in der Zwischenzeit nur marginal verändert. Auch das MacBook Air wurde seit 2011 nicht erneuert. In einer Zeit, in der jedes Jahr ein neues iPhone präsentiert wird, sind das Lichtjahre. Musikproduzenten, Filmemacher, Designer, Grafiker und Künstler waren vielleicht mit dem Design auch zufrieden. Gute Dinge kann man nicht besser machen, hieß es von Apples Seite. Man hat es sich auf der Gewinnerstraße bequem gemacht und lächelte nur müde darüber, dass Samsung, Asus und Acer krampfhaft versuchten, die Designs zu kopieren – mit mäßigem Erfolg.
#Das Laptop-Jahrzehnt
Ist das zweite Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts das der Smart-Devices, war die Zeit von 2000 bis 2010 zweifelsohne die des Laptops. Eine kurze Rückblende. Apple hat früh Geräte gebaut, die in ihrer Schlüssigkeit vor allem jene überzeugte, die kreativ und in einer guten Umgebung arbeiten und nicht mit Schraubenzieher permanent an ihrer Dose herumwerkeln und mit Kommandozeilen hantieren wollten. Das PowerBook G3 (Wall Street) wurde 1998 vorgestellt und war das erste Laptop-Modell, das an der Rückseite des Displays mit einem transparenten Apfel-Logo ausgestattet war. Allerdings war hier das Logo im zugeklappten Zustand noch zum User hin gerichtet. Klappte man das Gerät auf, stand der Apfel Kopf. Das war beim iBook G3 (Clamshell) nicht anders. Ein „Fehler“, den man aus Marketingsicht früh bemerkte und das 2001 erschienene PowerBook G4 Titanium, aber auch das iBook Dual USB zeigten von nun an bei Betrieb das Logo „richtig herum“. Der Anfang der Nuller-Jahre war eine Zeit des großen Technikoptimismus. Mobile Computer und das aufkommende Internet zeigten, dass Arbeit nicht mehr von Büros und Firmengebäuden abhängig ist. Produzenten, Künstler und andere Kreative entdeckten das unfassbar große Potential, das durch Apple-Laptops ermöglicht wurde. 2001 erschien signifikanterweise das damals disruptive und heute noch immer unfassbare Album „Lifestyles Of The Laptop Café“ von The Other People Place auf Warp. Auf dem Cover: Ein Apple-Laptop. Da allerdings noch in der Kopfstand-Variante. Der Laptop wurde seitdem zum Sehnsuchtsort und zur Projektionsfläche.
Programme wie Ableton und Serato wurden entwickelt, DJs und Musiker experimentierten mit mobilen Computern, schufen eigene digitale Soundwelten (raster-noton, IDM, Glitch). Festivals wie der club transmediale und andere Veranstaltungen, in denen immer häufiger der schimmernde Apfel in der DJ-Booth und auf Bühnen zu sehen war. Neben den Musikern standen plötzlich VJs mit den gleichen Gerätschaften. Das war gelebte mediale Konvergenz. Wie machen die das bloß? Klänge, Beats, Lichter, Visuals, alles mit dem gleichen Zauberkasten. Ein Laptop mit dem leuchtenden Logo zu sehen, mit dem etwas Kreatives geschah, war hoch inspirierend. Parallel taten sich selbstverständlich auch kritische Stimmen auf. Sekte, Fanboys, Gleichschaltung, aber genau diese Kritik zeigte, was für eine identitätsstiftende Wirkung Laptops von Apple zu der Zeit haben konnten. Nach den Pionieren kam die große Welle. Der mobile Computer schuf nicht nur neue ästhetische Spielarten der Kunst, sondern auch neue Berufsbilder und neue Arbeitswelten. Blogger, die digitale Bohème, kreative Freelancer, später auch Konstrukte wie Coworking-Spaces. Saß man vor zehn Jahren im St. Oberholz, schimmerten die zahlreichen Laptops wie Teelichter. Sie waren aber auch ein Signet für etwas Mysteriöses. Man konnte ahnen, da passiert etwas Interessantes. Aber ob die Person an einem Buch, an einem Abschlussfilm oder an einem Code arbeitet, konnte man nicht sehen. Das war nicht nur ziemlich demokratisch, sondern konnte Austausch schaffen und inspirierte die Protagonisten zu vielen interdisziplinären Projekten, zu denen es sonst so nicht gekommen wäre. Ein Musiker hätte sich in den 80ern selten in eine Siebdruckwerkstatt oder in ein Modeatelier verirrt.
Mit einem Laptop von Apple gehörte man also irgendwie dazu. Zu was, lässt sich gar nicht genau sagen. Aber sah man im Café ein IBM Thinkpad oder ein Gerät von Medion war irgendwie klar, da stimmt etwas nicht. Ein Berater von Boston Consulting, der einen Trendreport über neue Arbeitsformen schreibt? Natürlich hätte man der Generation Web 2.0 vorwerfen können, ein lemminghaftes Verhalten an den Tag zu legen. Aber einen grundlegenden Unterschied zu anderen Trends gab es und gibt es immer noch. Einen angesagten Sneaker trägt man einfach nur und ist nach einem Jahr zu nichts mehr zu gebrauchen. Ein Computer ist ein Werkzeug, ein Mittel zum Zweck, aus dem etwas Eigenes entstehen kann und die Ergebnisse unvergleichbar divers sein können. Man war Teil einer Bewegung. Ein Lifestyle, den unsere Eltern nie verstehen würden. Kluge Köpfe wie Mark Zuckerberg haben sogar gezeigt, dass man damit die Welt verändern kann. Ob zum Guten, sei hier dahin gestellt.
#Trends und Gegentrends
Diese Zeit und das Schaffen dieser treuen Anhängerschaft hat Apple zu der wertvollen Marke gemacht, die es heute ist. Der iPod, der ebenfalls zu der Zeit herauskam, war zwar kommerziell bis dahin das erfolgreichste Gerät in der Firmengeschichte. Hatte aber für die meisten beileibe nicht die große persönliche Bedeutung wie der handliche Rechner. War der Laptop kaputt oder weg – viele hätten ihre Mütter dafür getauscht. Wie bei den meisten Trends, hat man sich im Laufe der Jahre aber auch an Laptops satt gesehen. Kaum ein Act, der ohne Apfel-Lampe auf die Bühne ging. Auch gestandene Pop- und Rockbands wollten nicht mehr darauf verzichten. Der Gebrauch von mobilen Computern für kreative Zwecke wurde salonfähig, mainstream, weil er auch so unglaublich praktisch und günstig war. Sättigung. DJs fingen also an ihr Traktor Scratch einzumotten, und spielten wieder Vinyl. Home-Producer verschafften sich Distinktion, in dem viel Geld in veraltete 808/909 und museale Synths investiert wurde, um wieder individuell zu sein. Eine logische und normale Konsequenz, gerade in Bezug auf Popkulturen und ihre Tools. Das hatte die Popgeschichte die Jahrzehnte zuvor auch schon gezeigt, als beispielsweise in den 90ern glänzende Ibanez-Metal-Gitarren gegen alte vintage Fender Jaguar getauscht und Keyboards auf der Bühne kategorisch negiert wurden, weil man von Van Halen bis hin zur Münchener Freiheit und den Pet Shop Boys irgendwann die Nase voll von Tasteninstrumenten hatte. Selbst Depeche Mode spielten in den 90ern plötzlich mit echten Drums und jaulenden Riffs auf der Gretsch. Aber wenn auch der Laptop auf Bühnen und Festivals immer seltener in Erscheinung tritt. Für die vorhin skizzierte Kreativszene ist er bis heute wichtigstes Arbeitsmittel.
#Wo bleiben die Profis?
Daran konnte auch das Smartphone nichts ändern. Apple hat mit dem iPhone und iPad vermeintlich revolutionäre (und sehr erfolgreiche) Produktkategorien geschaffen, aber es zeitgleich nicht vollbracht, Devices mit Touchinterface auf ein professionell-kreatives Level zu hieven. Aber wie auch? Adobes Creative Suite, Processing, Max MSP, Pro Tools oder gar richtiges Programmieren haben weder die technischen Möglichkeiten der Smart-Devices, noch das Ökosystem und OS je wirklich zugelassen. Aber iPhone und Co. haben wiederum ganz eigene, neue Usertypen geschaffen. Erfolgreiche Instagrammer und Snapchatter, die mittlerweile mehr Geld verdienen als jeder Blogger in den zehn Jahren zuvor, brauchen kein Laptop mehr. Für die Hashtag-Orgien ohne orthographischen und erzählerischen Anspruch braucht man auch keine Tastatur. Dafür werden die Smartphone-Kameras immer besser, was im x-ten Visual Turn auch nicht ohne Bedeutung ist. Geht es nach den großen Playern im Silicon Valley wie Apple, Amazon, Google und Microsoft, reden wir in fünf Jahren ohnehin nur noch mit unseren Geräten.
Schaut man auf die Umsatzzahlen von Apple, sprechen sie eine eindeutige Sprache. Im vierten Geschäftsquartal 2016 machte man mit iPhone und iPad insgesamt über 32 Milliarden Dollar Umsatz. Macs brachten es gerade mal auf 5,7 Mrd. Dollar. Betriebswirtschaftlich gesehen hätten viele Firmen die Sparte längst abgestoßen, aber im Herzen weiß man in Cupertino noch sehr wohl, wie wichtig Computer sind, wenn auch die Gewinnmargen eher dürftig. Denn kein iPhone wird bei Apple je an einem iPad designt werden können. Kein Grafiker kann 2016 vollends mit Tablet arbeiten, Musiker werden nur mit Smart-Devices in ihrem Studio auch nicht weit kommen. Und überhaupt, selbst für die nächsten zehn Jahre ist nicht abzusehen, dass im professionellen Bereich Computer und Laptops an Stellenwert verlieren. Es ist einfach keine Alternative in Sicht. Aber der Druck für einen Marktführer ist auch der, weiterhin oben zu bleiben. Ergo hat man die Entwicklung von potenten und innovativen Laptops und Desktops auf die lange Bank geschoben. Daher ist die Apple-Keynote mit den neu vorgestellten MacBook Pros auch viel mehr Symptom dafür, dass man den Bezug zu einer der wichtigsten Zielgruppen verloren hat. Die, die iPod, iPhone, iPad nur deshalb gekauft haben, weil sie so gut und harmonisch zum Arbeitstier Mac passten, mit dem man schon viele Jahre zuvor gearbeitet hat. Die, die in den Cafés und Flughafen-Lobbys sich respektvoll zunickten, wenn man den Rechner aufgeklappt hat und der Apfel zu leuchten begann.
Am Ende war es auch die beste Marketing-Idee, die der Firma je eingefallen ist. Dass man das so unbedarft einfach wegrationalisiert. Nicht sonderlich klug, vielleicht auch einfach nur fahrlässig. Denn von nun an wird man MacBooks in der Ferne von Lenovos und Dells nicht mehr unterscheiden können. Aber wahrscheinlich ist es Tim Cook, Phil Schiller und Jony Ive egal, da sie andere Sorgen haben. Was allerdings schade ist. Interessanterweise ist es gerade Microsoft, der frühere Platzhirsch, den man die letzten Jahre wegen vieler Krisen nur noch ausgelacht hat, der ebenfalls dieser Tage neue Computer präsentierte und das macht, was Apple eigentlich hätte machen können. Spannende Rechner wie das Surface Studio vorzustellen, die mit ihren haptischen Interfaces und flexiblen Anwendungsmöglichkeiten wieder in der Lage sein könnten, neue, kreative, digitale Ausdrucksmöglichkeiten zu schaffen. Die Fachpresse sieht das nicht anders und spricht von einem „Traum für Kreative“ (Petapixel) bis hin zum „iMac-Killer“ (CNET). So könnte die Situation eine ähnliche sein wie 1997, als Steve Jobs zu Apple zurückkehrte, zu einer Zeit als Microsoft die digitale Welt dominierte und Apple im ramponierten Zustand ums Überleben kämpfte. Verkehrte Welt. Zeit für einen Neustart.