„Wir müssen aufhören, linear zu denken“Interview: Mamatha Chamarthi leitet beim Autozulieferer ZF die digitale Transformation

ZF Mamatha Chamarthi Alt Start

Auch wenn vielleicht nur Wenige den Namen ZF Friedrichshafen kennen: Mit den Produkten dürfte so ziemlich jeder schon mal in Kontakt gewesen sein. Das Unternehmen ist einer der größten Zulieferer weltweit in der Automobil- und Nutzfahrzeugbranche. Die hier entwickelte und produzierte Antriebs- und Fahrwerkstechnik wird in den bekanntesten Automarken seit jeher verbaut. Solche Zulieferer sind für die Branche elementar, allerdings in der Öffentlichkeit wenig bis kaum bekannt. Mit weltweit mehr als 146.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 36,4 Mrd. Euro stellt sich also die Frage: Was machen die da eigentlich?

Das Unternehmen wurde 1915 als Zahnradfabrik (ZF) Friedrichshafen gegründet, spezialisierte sich bald auf die Herstellung von Getriebetechnologien und bestimmt heute mehr oder weniger die Existenz und Wirtschaft der kleinen Stadt am Bodensee. Friedrichshafen ist ZF, so wie ZF Friedrichshafen ist. Zuvor sorgte Ferdinand von Zeppelin für die Industrialisierung der Region und des Ortes. Doch anders als Luftschiffe, die heute nur noch eine Nische darstellen, sind die Produkte von ZF nach wie vor von großer Bedeutung. Hauptaktionär der ZF Friedrichshafen AG ist die Zeppelin-Stiftung. Stiftungsträger ist wiederum die Stadt Friedrichshafen. Die Stiftung hält 93,8 Prozent der Aktien von ZF und ist zugleich Eigentümerin der Zeppelin GmbH (Baumaschinen und Anlagenbau). Dass eine kleine Stadt mit nichtmal 60.000 Einwohnern über so viel wirtschaftliche Macht verfügt, dürfte zumindest in Deutschland einzigartig sein. Wer nun aber über wen regiert, das Unternehmen über die Stadt oder vice versa, darüber spricht man am Bodensee nicht so offen. Es wird aber klar, dass hier die sprichwörtlichen Zahnräder zwischen Steuereinnahmen, Kommune und Wirtschaft sehr eng ineinandergreifen und kaum voneinander zu trennen sind.

Kein Geheimnis ist unterdessen, dass sich die Autoindustrie in einer Krise bzw. fundamentalen Umwälzungsphase befindet. Verbrennungsmotoren stellen langfristig genauso wenig einen Wachstumsmarkt dar wie die dazugehörigen Getriebe. E-Motoren sind im Vergleich weitaus einfacher und günstiger herzustellen als Benzin-Motoren und benötigen weniger Wartung. Das weiß man auch in Friedrichshafen, und seit wenigen Jahren versucht man sich dem digitalen Wandel zu stellen und sich neu auszurichten.

Im Jahr 2015 wurde der US-amerikanische Zulieferer TRW für 9,6 Mrd. Euro übernommen. TRW gilt als Spezialist für Airbag- und Lenkrad-Systeme, aber vor allem für elektronische Sensorensysteme wie Lidar, die bei der Entwicklung von autonomen Fahrsystemen eine essentielle Rolle spielen. In diesem Sommer wurden daher am Bodensee diverse neue Konzepte vorgestellt, die von elektrischen Shuttle-Bussen, die gemeinsam mit der RWTH Aachen entwickelt werden, avantgardistischen Prototypen, digitalen Transportlösungen, elektrischen Antriebssträngen bis hin zur hochkomplexen autonomen Steuerung von Lastwagen in Logistikzentren reicht. Man hat erkannt, dass die sogenannte digitale Transformation nicht dadurch erreicht wird, die Management-Etage mit Smartphones auszurüsten, es gehört weitaus mehr dazu.

Für diesen Prozess ist Mamatha Chamarthi verantwortlich. Die in Hydarabad/Indien geborene Managerin arbeitet seit über 20 Jahren in der Branche und betreute Ende der 90er bereits die Fusion von Daimler und Chrysler. Als Chief Digital Officer (CDO) hat sie nun die Aufgabe, den alten Branchenriesen neu aufzustellen und alte Ingenieurs-Kompetenzen und kommende Herausforderungen zusammenzubringen – denn vor allem der Druck aus Asien, respektive China im Sektor E-Mobilität wächst enorm. Ob das deutsche Wirtschaftsaushängeschild Automobilindustrie für die Zukunft gewappnet ist oder nicht, wird sich erst herausstellen müssen. Große Player wie Volkswagen, Daimler und BMW nähern sich der Materie noch immer recht zögerlich an, da scheint die resolute und lösungsorientierte Art von Chamarthi ein Schritt in die richtige Richtung. Das Filter sprach mit der Top-Entscheiderin über die Herausforderung der Branche, wie man sich als Frau in dieser noch immer männerdominierten Branche durchsetzt und wieso es keine Zukunftsträumerei ist, dass sich Mobilität sehr bald Richtung Weltraum orientieren wird.

ZF e.Go Mover

Gemeinsam mit der RWTH Aachen wurde der e.GO Mover entwickelt. Ein elektrischer Shuttle-Bus, der bald in einigen Städten getestet wird und in Zukunft autonom unterwegs sein soll. Aber auch als Logistik-Fahrzeug oder Food-Truck könnte so ein Konzept interessant sein.

Frau Chamarthi, woher kommt Ihr Interesse für Automobile?
Das liegt quasi in der Familie. Mein Mann arbeitet für Ford. Vor 25 Jahren kamen wir in die USA, um jeweils für die Autoindustrie zu arbeiten. Meine beiden Söhne wurden in Detroit geboren und sind ebenfalls autobegeistert. Das macht uns Eltern natürlich besonders stolz. Uns beschäftigt die Entwicklung der ganzen Thematik und wie der Trend sich weiter fortführen wird sehr.

Sie sind für die Digitalisierung des Traditionsunternehmens ZF zuständig. Hier ist das Thema wie in der restlichen deutschen Automobilindustrie erst spät angekommen. Wie schätzen Sie die Gemengelage zwischen alter und neuer Industrie ein?
Autofirmen haben eine große Ingenieurskompetenz und genauso einen ausgeprägten Unternehmergeist. Aber zugleich wurden Prozesse geschaffen – aus gutem Grund, man will ein verlässliches, sicheres und qualitatives Produkt herstellen –, die permanent auf die Qualitätssicherung achten. Wenn man sich aber die Automobilindustrie anguckt und die Disruption, die sie gerade durch Digitalisierung erfährt, stellen wir fest, dass all die Prozesse, die geschaffen wurden, Innovationen eher verlangsamen, statt sie zu beschleunigen. Das ist auch der Grund, warum so viele junge Firmen in den Markt vordringen. Es handelt sich um einen Markt im Wert von 1,5 Billionen Dollar, alleine wenn wir von Shared und Connected Mobility sprechen. Technologiefirmen wollen daher natürlich ihr Stück von diesem Kuchen. Hier wird ganz anders produziert. Die Zyklen sind schneller, Software kann alle Monate Updates erhalten. Das ist eine andere Sichtweise. Unternehmen wie ZF haben das Mechanische im Fokus, weil es zuverlässig sein muss. Ich glaube, dass Firmen wie ZF und andere OEMs eine Balance aus beidem brauchen. Die Qualität der Produkte darf nicht einbüßen. Zugleich brauchen wir Agilität, um innovativ sein zu können. Hier den richtig ausbalancierten Weg zu finden, ist die Aufgabe, der ich nachgehe.

Digitale Transformation ist heute ein großes Buzzword. Da gibt es viele Missverständnisse. Es gibt klassische Unternehmer, die glauben, Digitalisierung heißt, Slack für die Mitarbeiterkommunikation einzuführen. Es geht aber um weitaus mehr, oder nicht?
Wer glaubt, dass digitale Transformation die Integration einer einzigen Technologie bedeutet, beweist eine einfältige Sicht der Dinge. Transformation bedeutet eine fundamentale Umwälzung der Art und Weise, wie man Geschäfte macht. Das beinhaltet die Herstellung von Produkten, ihren Vertrieb, Logistik, Business-Pläne und vieles mehr. Im Mittelpunkt dieser Disruption steht aber auch die Frage: Wie kann man eine Kultur an einem Arbeitsort verändern? Ich denke, das geht nur von Mensch zu Mensch. Weil Kultur durch Menschen erst geschaffen wird. Deshalb sagen wir, dass wir uns genauso auf die Mitarbeiter konzentrieren wie auf Prozesse in der Produktion. Wir behalten das Große im Blick. Das verstehe ich unter Transformation, wenn auf mehreren Ebenen die Umwälzung stattfindet.

ZF Getriebe

Tradtition und Zukunft: Mit Zahnrädern und Getriebetechnologien wurde ZF zum Global Player.

ZF Sound AI

Heute wird zudem an digitalen Lösungen gearbeitet: Sound AI ist ein Prototyp, der per Audio erkennt, ob sich im Verkehr ein Rettungswagen von hinten nähert, um schneller eine Rettungsgasse zu bilden.

Brauchen wir überhaupt die große Umwälzung?
Absolut. Machen wir einen Schritt zurück in der Geschichte der Autowelt. Schon der große Henry Ford sagte: Wenn ich meine Kunden gefragt hätte, was sie wirklich wollten, hätten sie geantwortet – ein schnelleres Pferd. Dennoch hat er in einem leerstehenden Schlachthof seine erste Fertigungsstraße entwickelt. Heute sprechen wir von autonomen Autos, die unsere Mobilität maßgeblich beeinflussen werden, die an einer ähnlichen Schnittstelle fungieren, wie seinerzeit das erste Auto von Ford. Ich bin kein Freund von linearem Denken. Heute müssen wir die großen Herausforderungen adressieren, die uns bevorstehen. Wer da nur an die Profitabilität bestehender Geschäftsfelder denkt, sieht nicht, was gerade tatsächlich passiert. Es geht auch um den Sinn und den Zweck eines Unternehmens. Maßgeblich Antworten zu pressierenden Fragen der Menschheit zu finden. Um dahin zu kommen, benötigen wir eine exponentielle Denkweise, wofür eine fundamentale Transformation vonnöten ist. Firmen, die nur den Profit im Blick haben, werden eine immer kleinere Rolle spielen.

Wie man weiß, ist die Autoindustrie ziemlich männlich geprägt.
(lacht)

Dass Sie darüber immer noch lachen können!
Ich bin über 20 Jahre dabei.

Ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie es leicht hatten. Mir begegnen in der Branche immer noch Machismen und Chauvinismen aus dem frühen 20. Jahrhundert.
Wenn ich zurückblicke, habe ich den Großteil meiner Karriere für deutsche Unternehmen gearbeitet, ob für Daimler oder heute ZF. Ich kann nur sagen, dass mir sehr viel ermöglicht wurde und ich einen Weg einschlagen konnte, der alles überboten hat, was ich mir zuvor vorgestellt habe. Als Daimler und Chrysler fusionierten, traute ich mir zu, die Fusion durchzuführen bzw. zu leiten und habe das auch so kommuniziert. Selbstsicher und mutig aufzutreten im professionellen Sektor und sich ständig in Bereiche vorzuwagen, die für einen eher ungemütlich sind und hohe Risiken bergen. Da bin ich jeweils hin. Ich hatte gute Mentoren, die mir geholfen haben, meine Aufgaben zu meistern. Auch meine jetzige Position ging mit hohen Risiken einher. Ich hätte in meiner vorigen Position bleiben können. Als der CEO mich fragte, ob ich das Unternehmen umgestalten möchte, habe ich nicht lange gezögert. Mein Hintergrund ist für die Industrie ohne Frage ungewöhnlich. Die meisten haben einen Abschluss in Maschinenbau oder anderen Ingenieurbereichen. Ich habe unter anderem Psychologie und Soziologie studiert. Dazu Englisch, Wirtschaftsverwaltung und Ingenieurwesen. Wenn es um Problemlösungen geht, habe ich eine gänzlich andere Perspektive als die allermeisten in dieser Industrie. Das hat mir geholfen, mich von anderen abzuheben.

ZF Mamatha Chamarthi Interview 2

Ist es das, was Sie anderen Frauen in solchen Branchen mitgeben würden. Risikobereit sein?
Sei mutig, verlasse deine Komfortzone, brich das Glasdach über dir selber durch. Niemand anderes wird das für dich machen wollen.

Und schneide dich dabei nicht.
Das ist wichtig. (lacht)

Sie kennen durch Ihre Biografie den indischen Markt gut. Hier spricht man schon lange von dem Zukunftsmarkt neben China. Wie schätzen Sie generell die Situation ein?
Wenn man nach Indien und China guckt, dann handelt es sich um riesige Länder mit jeweils über einer Milliarde Einwohner. Auch diese Milliarden Menschen wollen Lebensmittel mit dem Auto einkaufen, zur Arbeit fahren und ins Umland verreisen. So gesehen hat dieser Markt ohne Frage ein riesiges Potential. In beiden Ländern wird der Anteil an Fahrzeugen deutlich steigen. Aber: Beide Länder haben jetzt schon mit starker Luftverschmutzung und anderen Umweltproblemen zu kämpfen. Daher setzen China und Indien den Fokus auf die Entwicklung von elektrischen Autos. Es ist faszinierend, was gerade in China passiert. Es wird immens viel Geld investiert, um die alteingesessene Autoindustrie aufzubrechen. Das Tempo und die Tragweite dieser Entwicklungen, gerade durch die unilaterale Entscheidungsmacht in diesem Land, ist enorm.

„Mir geht es darum, in den traditionellen Industrien Prozesse einzuführen, die sich mit dem Thema Arbeitsethik überhaupt erstmal auseinandersetzen. “

Empfindet man dabei Druck?
Die Margen bei einem Auto sind verhältnismäßig niedrig. Wir reden zwar nicht von Tesco oder Wal-Mart, aber die Margen sind klein. Wenn man hingegen Technologieunternehmen anschaut, auch in China, da gibt es bezüglich Investitionen keine Limits. Wird es also Druck aus China geben, wenn wir über die Zukunft reden? Ich bin mir sicher, dass das passieren wird. Aber die Lösung dazu heißt: Partnerschaften.

Sind diese Partnerschaften denn je gleichberechtigt?
Das bleibt eine interessante Frage. Seit 2000 setze ich mich damit auseinander. Damals galt schon das Motto „Copy to China“. Bevor das Land innovativ wurde, hat es lange Zeit erfolgreiche Produkte weitestgehend kopiert. Hierin sehe ich noch immer die Möglichkeit, für die Zukunft relevant zu sein. Innovationen werden auch in Zukunft das A und O sein. Man darf sich nur nicht mehr auf die langen Zyklen der ausgereiften Märkte verlassen.

Wenn Firmen wie ZF von Digitalisierung sprechen, guckt man gerne dabei auf Arbeitskulturen im Silicon Valley und Firmen wie Apple, Google, Facebook. Dabei hat die Geschichte von Uber gezeigt, dass die Arbeitskultur auch in gehypten Valley-Unternehmen oft sexistisch und vergiftet ist. Auch Google hat das Motto „Don’t be evil“ aus der Agenda gestrichen.
Das Silicon Valley hat eine ziemlich einzigartige Kultur. Und es wurde ausführlich darüber berichtet, wie das dort funktioniert. Worum es mir allerdings geht ist, in den traditionellen Industrien Prozesse einzuführen, die sich mit dem Thema Arbeitsethik überhaupt erstmal auseinandersetzen. Was wir außerdem möchten, ist unsere Mitarbeiter darin zu motivieren, innovativ zu sein. Ihre Ideen und Vorschläge einzubringen, um später solche Projekte auch realisieren zu können. Das ist eine Kombination aus unterschiedlichen Denkweisen. Welche Konzepte sind gut aus dem Silicon Valley, was kann man übernehmen und was nicht? Außerdem haben traditionelle Unternehmen oft schon ein etabliertes Regelwerk, Gewerkschaften und Betriebsräte, die die Rechte von Arbeitnehmern ernst nehmen. Allerdings, innovative Ideen wie Sound AI und Car eWallet sind bei uns genauso entstanden. Eigene Mitarbeiter, die von sich aus Konzepte vorschlagen und die dann gemeinsam realisiert werden. Wir respektieren Vielfalt und erlauben jedem Mitarbeiter, hundert Prozent seines Potentials einzubringen.

ZF Car Wallet

Schnell abgehoben: Car eWallet ist ein Blockchain-basiertes Transaktionssystem, über das zentral und bargeldlos Parktickets, Tankladungen und Autobahnmaut bezahlt werden können.

ZF Rinspeed

Langsam abgehoben: Mit der Schweizer Firma Rinspeed wurde dieser Prototyp entwickelt. Das autonome Vehikel ist modular. Die obere Kapsel kann vom unteren sogenannten „Skateboard“ entkoppelt werden und ermöglicht Ansätze wie mobile Wohnkapseln.

Ich würde gerne über Big Data sprechen. Vernetzte Autos werden riesige Mengen an Daten produzieren. 2020 sollen es schon 22 Zettabytes (1 Zettabyte = 1 Milliarde Terabytes) sein. Wie geht man mit so einer Menge um? Beziehungsweise, wie beweist man als Unternehmen einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen Daten?
Die grundlegende Frage, die der Gesellschaft weltweit gestellt werden muss, lautet: Wem gehören die Daten? Zurzeit hat Google meine ortsbezogenen Daten. Wenn ich in ein Krankenhaus gehe, dann gehören die Daten dem Krankenhaus. Meine Daten gehören nicht mir, sie gehören verschiedenen Firmen und Anbietern. Für die Zukunft erhoffe ich mir ein Blockchain-basiertes System, das mir die Kontrolle über Transaktionen meiner Daten ermöglicht. Heute kann Google mit Hilfe meiner Daten Werbung schalten und Geld verdienen. Morgen dürfte eine Welt existieren, in der wir erst Zugang zu unseren Daten gewähren, bevor sie genutzt werden dürfen. Dank Blockchain können wir aber auch überprüfen, wer genau in meine Daten einsieht und wer noch darauf zugreifen kann. Daten wären dann natürlich eine Leistung, die wir als Individuum bezahlt bekommen.

Klingt nach einer guten Idee, aber ist das wirklich machbar? Facebooks und Googles DNA widersprechen solch einer Philosophie komplett.
Ich glaube, dass gerade Blockchain viel ermöglichen wird. Alleine durch die Transparenzmachung, was mit deinen Daten passiert. Es gibt immer ein einmaliges Zertifikat und jedes Mal, wenn es genutzt wird, wird das dem Zertifikat hinzugefügt. Es geht um die Kette von Transaktionen einer bestimmten Datenmenge. Ich halte das für ein zuverlässiges Konzept. Wenn nun Quantencomputer auch noch ihre Alltagstauglichkeit beweisen, dann werden wir über unsere Daten – auch philosophisch – völlig neu verhandeln müssen. Aber auch hier wird Blockchain eine wesentliche Rolle spielen. Das könnte die fundamentale Frage über die Inhaberschaft unserer Daten klären.

Das Thema Blockchain beschäftigt auch die Autoindustrie enorm. Porsche hat kürzlich ein Schlüsselsystem auf Basis von Blockchain vorgestellt. Aber man hat den Eindruck, dass hier wie in anderen Bereichen auch, viele vielleicht noch gar nicht wissen, wie das überhaupt funktioniert. Wo aber sehen Sie konkrete Anwendungsszenarien in der Automobilindustrie?
Wir haben den Prototypen Car eWallet entwickelt, mit dem Finanztransaktionen während der Fahrt Blockchain-basiert abgewickelt werden können. Tanken, Parken, Straßenmaut. Vielleicht profane, aber wesentliche Abläufe im individuellen Verkehr. Aber auch in der Produktion kann man Fehlerquellen viel genauer ausfindig machen. Ein Airbag besteht aus vielen Einzelteilen und man kann so ziemlich genau tracken, was wann an welchen Komponenten verändert wurde. Zuletzt ist die Supply Chain ein wichtiger Aspekt. Da können viele Prozesse optimiert werden.

ZF  Mamatha Chamarthi Interview

Also gar nicht so viele Dinge, die den User direkt betreffen?
Bei Car-Sharing-Diensten wird Blockchain zur Autorisierung der Fahrer von großer Bedeutung sein. Aber das sind nur ein paar Beispiele, und wir befinden uns am Anfang. Das Potential schätze ich groß ein. Die fortschreitende Medienkonvergenz und wachsende Computer-Power werden das nur beschleunigen.

Gehen wir davon aus, dass 2070 nur noch selbstfahrende Autos unterwegs sind. Taxis können fliegen, vielleicht sind alle Fahrzeuge nur mit Solarenergie unterwegs. Natürlich wünschen sich alle ein positives Szenario, aber wo liegen die Tücken in der weiteren Entwicklung? In den 1950er-Jahren war die durch Autos entstandene Luftverschmutzung überhaupt kein Thema. Heute ersticken die Städte im Feinstaub, CO2 und Stickstoff. Ein Prozess, den man erst erkennen musste, aber dann war es schon zu spät.
Wenn wir tatsächlich so weit in die Zukunft schauen, dann werden die verbrauchten Ressourcen der Erde unser größtes Problem sein. Deshalb sehen wir Leute wie Elon Musk und Firmen wie Amazon enorm in Weltraumtechnologien investieren. Dort befindet sich unbegrenzt viel Wasser und es gibt ebenso andere Ressourcen in unbegrenzter Menge. Mobilität wird sich jenseits der Erdatmosphäre weiterentwickeln, damit wir Ressourcen im Weltall erforschen können.

Erforschen oder ausbeuten?
Erst erforschen und dann bestimmt ausbeuten. Ich kann mir schwer vorstellen, dass Elon Musk aus Tourismusgründen so viel darin investiert. Wir werden sehr bald mit einer großen globalen Wasserknappheit zu tun haben. Fossile Rohstoffe gibt es auch kaum noch. Da erreichen wir einen Zustand, indem der Fortbestand der Menschheit von Rohstoffen wie Wasser aus dem Weltall schlichtweg abhängig sein wird.

Leseliste 19. August 2018 – andere Medien, andere ThemenGeneral Magic, Podcast-Analyse, Inbus und vorgelagerte Grenzkontrollen

Mix der Woche: Finn JohannsenDer beste Electro-Mix der Welt