Peterchens MondfahrtFilmkritik: „Ad Astra“ von James Gray

Ad Astra - lede

In ihrem neuen Film nehmen uns James Gray und Dan Bradley mit auf eine Reise gen Jupiter. Eine dringliche Mission, reichlich Meteroitenschauer und sogar ein bisschen Horror – bespielt mit einer großen Besetzung. Aber ist das ebenso großes Kino? Blockbuster-Buster Alexander Buchholz weiß mehr.

Was die bekloppte Überschrift soll? Die würde doch überhaupt nicht passen?! Na, kennt ihr den Plot von Peterchens Mondfahrt überhaupt? Also bitte! Dann informiert euch gefälligst mal fix auf Wikipedia, ich warte hier so lange und schau mir noch mal den Trailer von Ad Astra - Zu den Sternen an.

Na gut, der Titel ist tatsächlich nur so semioptimal, aber wenn man die Augen ganz doll zukneift, kann man sich Brad Pitt doch wohl als „Herrn Sumsemann“ vorstellen und Tommy Lee Jones als „verlorengegangenes sechstes Beinchen“, oder etwa nicht? Und schon hat man Pittchens Mondfahrt … also, weil das so ähnlich klingt wie, ... okay, wisst ihr was?! Schreibt euch doch eure Filmkritik einfach selbst, ja!? Immer dieses Rumgemecker hier!

Sorry, bin ein wenig übernächtigt und dünnhäutig deswegen – ununterbrochen seit fast acht Monaten schon, denn so alt ist mein Erstgeborener jetzt. Und wer sich bewusstseinsgetrübt dank mangelhafter Schlafhygiene dann einen Film anschauen muss, der offensichtlich der Meinung ist, dass alle überforderten Väter nicht nur auf den Mond, sondern bis zum Jupiter geschossen gehören, wird da ein wenig empfindlicher als sonst reagieren auf strenges Lektorat oder Gemäkel in den Facebook-Kommentaren.

Denn dorthin, zum größten Planeten unseres Sonnensystems, hat es Clifford McBride (Tommy Lee Jones) auf der Flucht vor seiner Familie verschlagen, um auf einer Raumstation geheime Experimente durchzuführen und nach außerirdischer Intelligenz zu suchen – und dort ist er auch verschollen gegangen. 30 Jahre ist das nun her und sein Sohn Roy (Brad Pitt), der in seine Fußstapfen getreten und auch Astronaut geworden ist, wird für die Mission rekrutiert, seinen Vater zu finden. Auf der Erde kommt es immer wieder zu furchtbaren Katastrophen, deren Ursache offenbar Energiestöße aus dem Weltall sind. Gehen sie von der Raumstation aus? Ist Clifford noch am Leben? Und war dessen Suche nach fremden Lebensformen gar erfolgreich?

Zurück lässt Roy seine Frau Eve (Liv Tyler, dem top billing zum Trotz in kaum mehr als einem Cameo-Auftritt) und eine scheiternde Ehe. Als sie die Schlüssel zur gemeinsamen Wohnung auf dem Küchentisch klimpern lässt, macht Ad Astra schon in seinen ersten Szenen recht klar, was für ein Film er sein will: ein Männermelodram über abwesende, bindungsunfähige Väter, die abwesende, bindungsunfähige Söhne zeugen. Und die deswegen Mutter Erde – und überhaupt alle Planeten, die sie während ihrer Sternfahrt besuchen und besiedeln – wenig heimelig zurücklassen. Dabei tut der Film lediglich so, als würde er Machogehabe kritisieren. Eigentlich findet Ad Astra seine Jungs heimlich doch ziemlich klasse. Mit den weiblichen Figuren weiß er jedenfalls recht wenig anzufangen. Da wird Liv Tyler nur durch Milchglas gefilmt und unzureichend ausgeleuchtet im Hintergrund stehen gelassen.

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Selten hat ein Film sich so enthusiastisch immer wieder selbst ins eigene Knie geschossen.

Nichts Neues also, haben doch weit bessere Weltraum-Opern der jüngsten Zeit wie Interstellar, First Man oder sogar Blade Runner 2049 im Kern ähnliche Geschichten erzählt. Auf dem Papier müsste mir Ad Astra gefallen, habe ich doch ein Faible für Rührseliges über Mannsbilder, die einen Job zu erledigen haben und deswegen das Häusliche vernachlässigen. Dass der Film aber dennoch nicht für mich funktioniert und mich eben nicht zu Tränen gerührt hat, liegt an den vielen höchst dubiosen Drehbucheinfällen. Sie beladen den Film mit Actionfilm-Klischees, die für die Erzählung seiner Story überhaupt nicht benötigt werden. Da leistet sich Gray eine ganze Reihe schlimm alberner und dramaturgisch völlig unnötiger Setpieces, die Ad Astra, dem Melodram, in den Rücken fallen: die Autoverfolgungsjagd auf dem Mond, Roys Einstieg in die angezählte Rakete, die bereits im Begriff ist, abzuheben, das anschließende Handgemenge mit der erstaunten Besatzung und weiteres Gebalge in und um und an Weltraumkapseln inmitten von Meteoritenschauern. Zu allem Überfluss wird Ad Astra auch zwischendurch mal kurz zum Horrorfilm, wenn Roy mit seiner Eskorte ein scheinbar verlassenes Raumschiff unter norwegischer Flagge betritt und einem aus seiner Entourage von einem Pavian das Gesicht aufgegessen wird. Ja, das passiert da wirklich. Nein, ich weiß auch nicht warum. Selten hat ein Film sich so enthusiastisch immer wieder selbst ins eigene Knie geschossen.

Ein Jammer, denn der Film hat sein Herz durchaus am rechten Fleck. So uneben Ad Astra auch ist, hat Gray immerhin ein ambitioniertes Originaldrehbuch mit persönlicher Note verfilmt und nicht etwa die x-te Comic-Adaption abgeliefert. Und nun, wo die Fox von Disney gekauft wurde und der Laden in den kommenden Monaten besenrein gemacht wird, um Platz zu machen für ein tentpole picture nach dem nächsten, wird es Derartiges bald noch viel weniger geben als eh schon. Gray, der seine Familiendramen sonst immer in den Mikrokosmen von Exilanten hier auf der Erde ansiedelt – Little Odessa spielt zum Beispiel im Milieu russischstämmiger Juden in Brooklyn, The Immigrant unter polnischen Einwanderern in Manhattan – hat einen Blick dafür, wie seine Protagonisten sich in ihren Enklaven einrichten. Ad Astra zeigt die Reise zu den Sternen als tristen Transit durch die bereits etablierten Verkehrswege quer durchs All. Egal ob auf dem Mond oder auf dem Mars: Roy findet sich immer wieder nur in öden, funktionalen Räumen wieder, vollgestellt mit terrestrischem Zivilisationsmüll. Da gibt es dann schon bekannte Fastfood-Ketten und Logistik-Unternehmen, die kommerzielle Erschließung der Weltraumfahrt ist hier längst abgeschlossen. Da treibt sich – höchst willkommen – der kulturkritische Geist Ray Bradburys in diesen Szenen herum.

Ad Astra 03

Auch Brad Pitt ist wieder eine sichere Bank, wenngleich er wieder nur für die Rolle des hypersouveränen und stoischen Anführers gecastet worden ist. Eine Rolle, wie er sie u.a. in World War Z, Moneyball und The Big Short für sich perfektionierte und in Inglourious Basterds und jüngst in Once Upon a Time... in Hollywood sehr charmant parodierte. Ganz rührend die Szenen, in denen Roy sich immer wieder den Evaluierungsprozessen seiner Vorgesetzten unterwerfen muss, die feststellen sollen, ob er für den Weltraumspaziergang noch tauglich ist. Die Fragen beantwortet er, als würde er ein Gebet sprechen.

Und am Ende stellt sich raus – spoiler alert –, dass die Aliens die ganze Zeit über zu Hause auf der Erde gewartet haben! Außerirdischer als bei Liv Tylers Wohnungsbegehung wird es nicht mehr!

Ad Astra - Zu den Sternen
USA/China/Brasilien
Regie: James Gray, Dan Bradley
Drehbuch: James Gray, Ethan Gross
Darsteller: Brad Pitt, Liv Tyler, Tommy Lee Jones, Ruth Negga, Donald Sutherland, John Ortiz Pacino, Kimberly Elise
Kamera: Hoyte Van Hoytema
Schnitt: John Axelrad, Lee Haugen
Musik: Max Richter
Laufzeit: 122 min
ab dem 19.09.2019 im Kino

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